Regensburg, 2. Dezember 2024
Über 1000 Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs macht sich in der Ukraine Resignation breit. Das stellt Pater Lucas Perozzi, ein brasilianischer Gastpriester aus Kiew, im Gespräch mit dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) fest: „Die Ukrainer sind ausgelaugt, müde und hoffnungslos.“
Die Menschen hätten sich trotz der ständigen Gefahr ihrem Schicksal ergeben, berichtet Perozzi: „Früher rannten wir bei jeder Sirene in den Bunker, aber das tun wir jetzt nicht mehr. Wenn unsere Stunde gekommen ist, ist sie gekommen. Das ist die Realität, und wir haben uns damit abgefunden.“
Sirenengeheul und Raketendetonationen seien auch in der Hauptstadt ein ständiger Begleiter: „Wir schlafen damit ein und wachen damit auf. Das geht ständig so“, berichtete der Priester. Doch die anhaltenden Angriffe seien nicht das einzige Problem: „Hinzu kommt die Wirtschaftskrise: Alles wird teurer, und die Situation ist äußerst schwierig.“
Lebensgefahr ist alltäglich
Wie selbst alltägliche Situationen in der Ukraine lebensbedrohlich werden können, hat Perozzi kürzlich am eigenen Leib erfahren. Er sei nachts zu einem kurzen Spaziergang nach draußen gegangen. „Plötzlich begann ein Drohnenangriff. Die Luftabwehr schaltete sich ein, und Trümmerteile zersplitterten vor mir auf dem Boden. Ich dachte: ,Um Himmels willen, wegen so einem Spaziergang soll ich jetzt sterben?‘“. Er sei losgerannt und habe es unverletzt nach Hause geschafft.
Ob er in seine Heimat Brasilien zurückkehren soll, fragt sich der Ordensmann mittlerweile nicht mehr: „So lange ich lebe, bin ich berufen, das Evangelium zu verkünden. Die Menschen hier brauchen Hoffnung und die Nähe Gottes.“ Doch diese Aufgabe werde zunehmend schwerer: „Viele finden keinen Tost mehr. Sie sind apathisch und desillusioniert.“
Hilfe für Traumatisierte und Kinder
Umso wichtiger sei es, traumatisierte Menschen fachlich gut zu betreuen. Das erfordert eine spezielle Ausbildung, die von „Kirche in Not“ finanziert wird. „Es ist unerlässlich geschult zu sein, um mit Menschen arbeiten zu können, die an der Front waren oder mit Eltern und Kindern, die ihre engsten Angehörigen verloren haben. Die Arbeit mit traumatisierten Menschen ist ein neues Feld für uns und sehr herausfordernd“, sagte der Priester.
Ein weiterer Lichtblick in dieser schweren Zeit sei es, dass „Kirche in Not“ Feriencamps für Kinder finanziert habe. Diese hätten in nahezu jeder Pfarrei stattgefunden, berichtet Perozzi: „In meiner Gemeinde haben wir ein Camp in den Bergen organisiert, weitab von Luftangriffen und Sirenen.“ Viele Kinder seien aggressiv und litten unter der andauernden Belastung. „Sie leben in einem permanenten Alarmzustand. Es ist eine unschätzbare Hilfe, dass wir ihnen in den Pfarreien etwas Ruhe und Erholung bieten können.“
Text und Bild: Kirche in Not
(to)