Regensburg, 5. Januar 2024
Die Feier der Eucharistie war immer wieder Änderungen und Modifikationen unterworfen. In manchen Epochen der Kirchengeschichten fielen diese Veränderungen sehr gering aus; es wurde vielleicht ein Gebet zur Liturgie hinzugefügt oder eines gestrichen. Zu anderen Zeiten veränderte sich das Antlitz der katholischen Messfeier dagegen stärker – etwa im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) und der darauf zurückgehenden Liturgiereform. Alle Entwicklungen im Einzelnen darzustellen ist dabei kaum möglich; ein Überblick über die großen Etappen der katholischen Messfeier ist für ihr Verständnis jedoch nötig.
Wort und Mahl
Am Beginn dieser Entwicklung steht die Feier der Messe in der frühen Kirche. Wohl in Verbindung mit einem Mahl der Gemeinde wurden Brot und Wein konsekriert; dazu trat ein Wortgottesdienst mit Lesungen aus der Heiligen Schrift und einer Homilie des Vorstehers. Dieser Wortgottesdienst wurde prägend für die christliche Liturgie. Teilweise wurde angenommen, diese Liturgie stammt aus der jüdischen Synagoge und der dort praktizierten Schriftlesung. Andererseits meinen viele Forscher auch, dass in den Synagogen – zumindest in Israel – weniger Gottesdienste stattfanden; vielmehr waren die Synagogen Orte des Unterrichts und des Studiums, aus dem sich die Christen somit kaum Elemente für ihre Liturgiefeier hätten entlehnen können. Jedenfalls aber verbinden die ersten Christen die Feier der Eucharistie mit einem Wortgottesdienst.
In Rom wurde die Messe ursprünglich auf Griechisch gefeiert, erst im Laufe des vierten Jahrhunderts wurde Latein zur Liturgiesprache. Am Beginn dürfte ein grobes Schema gestanden haben, das für jede Messfeier galt, wobei der jeweilige Vorsteher einzelne Texte auch frei formuliert haben dürfte. Darauf weist der Begriff „Kanon“ für das Römische Hochgebet – heute „Hochgebet I“ – hin: „Kanon“ bedeutet so viel wie „Richtschnur“. Der Text des Hochgebetes war irgendwann eben nicht mehr frei verfügbar, der Zelebrant hatte sich an die „Richtschnur“ des Hochgebets zu halten.
Einfluss des „Stationsgottesdienstes“
Der Ablauf der Messe, wie sie sich wohl ab dem vierten Jahrhundert entwickelte, entspricht in wesentlichen Teilen dem heutigen. Am Anfang steht ein eröffnender Teil mit Kyrie, später dann für bestimmte Tage das Gloria und schließlich das Tagesgebet. Es folgt der Wortgottesdienst mit Lesungen, wobei vermutlich eine Lesung aus dem Neuen Testament sowie ein Evangelienabschnitt vorgesehen waren. Es folgte das fürbittende Gebet der Gemeinde. Anschließend wurden die Gaben zum Altar gebracht; nach dem Gabengebet folgten das Eucharistische Hochgebet, Vaterunser, Brechen den Brotes und Kommunion der Gläubigen. Die Messe endete mit einem Schluss- sowie dem Segensgebet. Prägend für die römische Liturgie war dabei der sogenannte „Stationsgottesdienst“ in Rom: Der Papst traf sich mit den übrigen Presbytern an einem bestimmten Ort und zog von dort feierlich in eine der Titelkirchen Roms, in der dann die Messe gefeiert wurde.
Diese Liturgie, die sich in Rom entwickelt hatte, gelangte schließlich in das Frankenreich; Karl der Große etwa erbat ein „Sakramentar“ vom Papst in Rom, um danach die Messe korrekt feiern zu können. Die Liturgie wurde nun aber ihrerseits durch fränkische Elemente bereichert und gelangte so nach Rom zurück; insofern kann man von einer römisch-fränkischen Liturgie sprechen. Der Textbestand der römischen Liturgie blieb dabei bestehen; er wurde jedoch angereichert durch weitere Gebete des Priesters und zahlreiche Zeremonien. Das Hochgebet wurde nun leise gesprochen; auch die Einsetzungsworte selbst waren nur halblaut vernehmbar.
Einheitliche Liturgie und eigene Riten
Die so entstandene Liturgie wurde zum Modell für die ganze westliche Kirche. Teilweise hielten sich eigene Riten – etwa der ambrosianische Ritus in Mailand oder der mozzarabische Ritus in Spanien. Im Lauf der Zeit wurde die Messe zudem nicht mehr wie in der frühen Kirche nur an Sonntagen gefeiert, sondern an jedem Tag. Gerade in Klöstern zelebrierten die Mönche häufig für sich allein, ohne dass das gläubige Volk teilgenommen hätte. Privatmessen des Priesters wurden immer häufiger, die Gläubigen kommunizierten nur noch selten und legten den Schwerpunkt ihrer Frömmigkeit mehr auf die „heilige Schau“ der gewandelten eucharistischen Gaben
Die Reformatoren kritisierten im 16. Jahrhundert auch die katholische Messe; vor allem Luther wandte sich gegen die Vorstellung, die Messe sei ein Opfer. Das von 1545 bis 1563 tagende Konzil von Trient beschäftigte sich mit Luthers Lehre und unterstrich die katholische Lehre der Realpräsenz Jesu in der Eucharistie. Im Zuge des Konzils wurde ein einheitliches Römisches Messbuch erarbeitet, das 1570 veröffentlicht wurde und zu einer weitgehend einheitlichen Liturgie in der römisch-katholischen Kirche führte. Teil dieser Reform war beispielsweise eine Reduktion der zur Auswahl stehenden Texte – etwa für die Präfation vor dem Sanctus oder für die Sequenz vor dem Evangelium.
Liturgische Bewegung und Zweites Vatikanisches Konzil
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwachte die „liturgische Bewegung“, die eine intensivere Beteiligung der Gläubigen an er Feier der Heiligen Messe zum Ziel hatte. Romano Guardini, Pius Parsch oder Odo Casel waren wichtige Vertreter dieser Bewegung. Erste Reformen der Liturgie folgten, als 1951 die Feier der Osternacht und 1956 die der Heiligen Woche überarbeitet wurden. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) war die Liturgie das erste Thema, das die Konzilsväter behandelten; die Lehre des Konzils wurde in der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ (SC) zusammengefasst. Die Konzilsväter betonten, dass die Liturgie zwar nicht das alleinige Handeln der Kirche ist, aber doch „die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt.“ (SC 10). Zum Schlüsselbegriff wurde die „participatio actuosa“, die „tätige Teilnahme“ aller Gläubigen an der Feier der Liturgie (vgl. SC 14). Der Wortgottesdienst sollte wieder größeres Gewicht erhalten – entsprechend dem Altar als Tisch des Brotes spricht das Konzil gar vom „Tisch des Gotteswortes“ (SC 51). In der „Homilie“ – also der Predigt – soll das Geheimnis des Glaubens dargelegt werden (vgl. SC 52), das im Ritus von 1570 nicht mehr vorgesehene Allgemeine Gebet der Gläubigen sollte wieder eingeführt werden (vgl. SC 53). Die Konzilsväter gaben zudem den Auftrag, das Messbuch zu überarbeiten; hierfür legten sie auch Grundsätze vor: „Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.“ (SC 50)
In der Folge wurde die Liturgie schrittweise reformiert, bis 1970 das neue Messbuch erschien. Die Liturgie kann seither in der Volkssprache gefeiert werden, der Priester kann an einem Volksaltar in Richtung des Volkes zelebrieren. Der Aufbau der Messe wurde beibehalten, allerdings wurden viele Riten gestrichen oder angepasst.
Text: Benedikt Bögle (to)