Regensburg, 17. November 2023
„Am Abend vor seinem Leiden nahm er das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen zum Himmel, zu dir, seinem Vater, dem allmächtigen Gott, sagte dir Lob und Dank, brach das Brot, reichte es seinen Jüngern und sprach: Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Ebenso nahm er nach dem Mahl diesen erhabenen Kelch in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, sagte dir Lob und Dank, reichte den Kelch seinen Jüngern und sprach: Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ So lautet der „Einsetzungsbericht“ im Ersten Hochgebet, dem sogenannten „römischen Kanon“. In jeder Messfeier werden die Worte über Brot und Wein gesprochen, die Jesus im Abendmahlssaal gesprochen hat; wie seine Jünger vom Brot aßen und aus dem Kelch tranken, essen und trinken auch heute noch die Gläubigen. Die Feier der heiligen Messe geht zurück auf die Geschehnisse im Abendmahlssaal.
Verschiedene Überlieferungen
Die vier Evangelisten berichten vom letzten Abendmahl Jesu mit den Seinen; gleiches tut der Apostel Paulus. Dabei können mehrere Überlieferungen unterschieden werden. Zunächst berichtet der Evangelist Johannes zwar vom Abendmahl (vgl. Joh 13,1-20); bei ihm findet sich – im Gegensatz zu den übrigen Evangelien – eine Überlieferung der Fußwaschung durch Jesus, allerdings keine zur Einsetzung der Eucharistie. Dafür kennt Johannes die relativ lange „Brotrede“ (vgl. Joh 6,22-59), in der Jesus theologisch zu deuten scheint, was die Eucharistie für die Christen bedeutet. Es gibt in diesem Fall also keinen Bericht von der Einsetzung der Eucharistie, wohl aber ihre theologische Deutung.
„Blut des Bundes“ – „Bund in meinem Blut“
Der Evangelist Markus (vgl. Mk 14,22-25) überliefert die Einsetzungsworte, Matthäus (vgl. Mt 26,26-29) übernimmt seine Version mit leichten Abwandlungen. Der Apostel Paulus überliefert eine eigene Version der Einsetzungsworte (vgl. 1 Kor 11,23-26), die wiederum sehr ähnlich zu der des Evangelisten Lukas ist (vgl. Lk 22,15-20) – womöglich liegt beiden eine sehr frühe Quelle aus der Stadt Antiochien zugrunde. Im Wesentlichen ergeben sich so zwei Überlieferungsgruppen: Markus und Matthäus auf der einen, Lukas und Paulus auf der anderen Seite. Die Unterschiede sind nicht ohne Bedeutung. Einheitlich sind die Berichte insofern, als Jesus Brot und Wein nimmt; er spricht das Dankgebet. Das Brot deutet er als seinen Leib, den Wein als sein Blut. Der Auftrag an die Jünger, Brot und Wein zu seinem Gedächtnis zu teilen, fehlt bei Markus und Matthäus; er findet sich dagegen bei Lukas und Paulus. Markus und Matthäus sprechen vom „Blut des Bundes“; diese Formulierung erinnert an das Buch Exodus, wo ebenfalls vom „Blut des Bundes“ die Rede ist (vgl. Ex 24,8). Paulus und Lukas dagegen sprechen vom „neuen Bund in meinem Blut“; sie erinnern damit an eine Stelle aus dem Propheten Jeremia, der einen neuen Bund verheißt (vgl. Jer 31,31).
Unabhängig von diesen Differenzen sind aber natürlich auch die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Überlieferungen zu betonen. Jesus nimmt Brot und Wein und spricht das Dankgebet. Er handelt damit entsprechend der jüdischen Tradition. Der Unterschied zu anderen Mählern besteht aber in den begleitenden Worten Jesu: Brot und Wein symbolisieren seinen Leib und sein Blut, damit seine ganze Existenz, die Jesus am Kreuz für die Welt hingeben wird. So steht sein letztes Mahl aber auch in einem engen Zusammenhang mit dem Pessachfest der Juden.
War das Letzte Mahl ein Pessachmahl?
Auch dieses Element ist nicht ganz unstrittig. Die vier Evangelisten überliefern dieselbe Chronologie der letzten Tage Jesu: Am Donnerstagabend findet das Mahl statt, in der Nacht wird Jesus verhaftet. Am Freitag stirbt Jesus am Kreuz und wird begraben; am Sonntag finden Frauen das leere Grab vor. Unterschiede bestehen aber in der Frage, wie diese Wochentage mit dem jüdischen Kalender zusammenzubringen sind. Für die drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas ist der erste Tag des Pessachfestes der Freitag. Weil nach jüdischer Tradition jeder Tag mit dem Vorabend beginnt, startet das Fest am Donnerstagabend mit dem Pessachmahl. Jesu letztes Abendmahl ist damit ein Pessachmahl. Für das Johannesevangelium war aber erst der Samstag der erste Tag des Festes; das Pessachmahl wäre danach erst am Freitagabend gefeiert worden. Diese unterschiedliche Chronologie stellt die Exegese seit langem vor zahlreiche Fragen. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass vieles für die Chronologie des Johannes spricht. Für die synoptischen Evangelien hätten Verhaftung, Prozess und Kreuzigung Jesu an einem hohen Feiertag stattfinden müssen – das ist äußerst unwahrscheinlich. Andere Theorien wollen nahelegen, dass die Chronologie des Johannes zwar richtig ist, Jesus und seine Jünger aber nach einem anderen Kalender feierten: Sie hätten danach wirklich ein Pessachmahl gehalten, wenn auch der offizielle Kalender Pessach erst am Tag darauf beginnen ließ.
Ostern als Feier des Übergangs
Vielleicht kann man diesen Streit für die Frage nach der theologischen Deutung der Eucharistie auflösen: Alle Evangelisten bringen den Tod Jesu in Verbindung mit dem Pessachfest. Die Synoptiker, weil Jesu letztes Mahl eine Pessachfeier war. Johannes, weil Jesus zu exakt der Stunde am Kreuz starb, als die Lämmer für das Fest im Tempel geschlachtet wurden. Pessach ist die große Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, an den Übergang von Sklaverei in die Freiheit. Das Blut der geschlachteten Lämmer wurde an die Haustüren der Israeliten geschmiert: Der Engel Gottes tötete alle Erstgeburt in Ägypten, verschonte aber die Häuser der Israeliten, erkennbar durch das Blut der Lämmer. Dieses Fest ist einer der Schlüssel, um den Tod Jesu zu deuten: Der Tod Jesu markiert einen Übergang von der Sklaverei der Menschheit unter Tod und Sünde hin zur Freiheit der Kinder Gottes und zu ewigem Leben. Sein Blut schenkt Leben.
Wann immer die Kirche Eucharistie feiert, vergegenwärtigt sie diesen Tod, dieses Opfer Jesu. Sie erinnert nicht nur an die großen Heilstaten Gottes, sondern nimmt uns durch die Feier der Eucharistie hinein in die Gegenwart des Kreuzes.
Text: Benedikt Bögle
(SSC)