Regensburg, 14. Juni 2024
Nachdem die Gemeinde die Fürbitten gesprochen hat, beginnt der zweite große Teil der Heiligen Messe: Die Feier der Eucharistie. Hierzu wird der Altar bereitet und die eucharistischen Gaben von Brot und Wein werden zum Altar gebracht.
Die alte Kirche kannte hierfür den Gabengang: Die Gläubigen selbst brachten Brot und Wein mit zum Gottesdienst. Je nach Gegend wurden diese Gaben in einem Nebenraum abgelegt; von dort holten Priester und Diakone einen Teil der Gaben, um sie für die Feier der Eucharistie zu verwenden. Ein anderer Brauch war in Rom üblich: Dort brachten die Gläubigen selbst Brot und Wein zum Altar. Was nicht für die Eucharistiefeier gebraucht wurde, galt als Gabe für die Armen oder die Priester.
Vom Gabengang zum Klingelbeutel
Dieser Brauch wandelte sich mit der Zeit. Ab dem neunten Jahrhundert verwendete die römische Kirche nur noch ungesäuertes Brot für die Feier der Eucharistie. Das von den Gläubigen von zu Hause mitgebrachte, gewöhnliche Brot konnte also für die Eucharistie gar nicht mehr verwendet werden. Im Mittelalter nahm zudem die Kommunionhäufigkeit stark ab. Viele Gläubige kommunizierten nur noch sehr selten; große Mengen Brotes wurden daher gar nicht mehr gebraucht. Ebenfalls war nicht mehr sonderlich viel Wein erforderlich, sobald nur noch der Priester die Kommunion unter beiderlei Gestalt empfing. Umso mehr wurden die Gaben zu einer Unterstützung des Priesters. Bis heute gehalten hat sich das Sammeln von Geld im Gottesdienst: „Auch Geld oder andere Gaben, die von den Gläubigen für die Armen oder für die Kirche gespendet beziehungsweise in der Kirche eingesammelt werden, sind willkommen. Deshalb werden sie an einem geeigneten Ort niedergelegt, nicht jedoch auf dem Tisch der Eucharistie.“ (Grundordnung des Römischen Messbuches 73). Daneben aber empfiehlt es sich weiterhin, das Volk Gottes in den Gabengang einzubeziehen; Gläubige können Brot und Wein zum Altar bringen, selbst wenn sie dieses nicht selbst mitgebracht haben. Dieser Brauch ist vor allem in großen Papstmessen noch zu sehen.
Der Priester nimmt nun das Brot an und betet: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werden.“ Dieses Gebet erinnert auch stark an jüdische Segensgebete über das Brot.
Die Mischung von Wein und Wasser
Bevor der Kelch mit Wein angenommen wird, mischt der Priester dem Wein ein wenig Wasser bei. Dieser Ritus wurde unterschiedlich gedeutet. Einerseits kann er der antiken Tradition entspringen, nach der Wein immer mit Wasser verdünnt getrunken wurde; es ist daher anzunehmen, dass auch beim Letzten Abendmahl Wein und Wasser vermischt waren. Eine weitere Deutung sieht in der Verbindung von Wein und Wasser ein Bild für die Verbindung der Christen mit ihrem Herrn: Wein und Wasser lassen sich, einmal vermischt, nicht mehr trennen – so sollen auch wir so eng an Christus gebunden werden, dass wir uns nicht mehr von ihm trennen können. Weiter wird darauf verwiesen, dass Jesus am Kreuz Blut und Wasser aus der Seite strömten. Und schließlich legt schon das begleitende Gebet der Liturgie eine weitere Deutung nahe: „Wie das Wasser sich mit dem Wein verbindet zum heiligen Zeichen, so lasse uns dieser Kelch teilhaben an der Gottheit Christi, der unsere Menschennatur angenommen hat.“ Eine Streitfrage der frühen Kirche war, wie sich die göttliche und menschliche Natur in Jesus Christus zueinander verhielten. Die Kirche lehrte, dass beide Naturen „unvermischt und ungetrennt“ miteinander bestanden – die Beigabe von Wasser in den Wein erinnert danach daran, dass Jesus als Sohn Gottes menschliche Natur angenommen hat.
„Kelch des Heiles“
Der Priester hebt nun auch den Kelch – wie zuvor das Brot – hoch und betet: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.“ Der Priester inzensiert die Gaben und den Altar nun gegebenenfalls mit Weihrauch, bevor er sich die Hände wäscht. Es folgt das „Gabengebet“, das wie das Tages- und das Schlussgebet der Messe kein feststehender Text ist, sondern eigens für den jeweiligen Tag vorgesehen ist. Er kann dieses Gebet durch einen Dialog mit dem Volk einführen: „Betet, Brüder und Schwestern, dass mein und euer Opfer Gott, dem allmächtigen Vater, gefalle. – Der Herr nehme das Opfer an aus deine Händen zum Lob und Ruhme seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze heilige Kirche.“
Was opfert die Gemeinde?
Die begleitenden Gebete zur Gabenbereitung nehmen bereits einige Elemente des späteren Hochgebetes vorweg: Der Priester bittet Gott, das Opfer von Brot und Wein anzunehmen. In den Gebeten über Brot und Wein wird – vergleichbar der späteren Epiklese im Hochgebet – bereits darum gebeten, das Brot möge zum „Brot des Lebens“ werden, der Wein aber zum „Kelch des Heiles“. In jedem Fall stellt sich aber die Frage, was denn das „Opfer“ ist, das die Gemeinde Gott darbringt. Der Begriff mag gerade modernen Ohren ungewohnt erscheinen. Es geht in der Messfeier in erster Linie nicht darum, dass das anwesende Volk Gott ein Opfer bringt. Das Opfer der Heiligen Messe ist das Opfer Jesu Christi am Kreuz, das in jeder einzelnen Feier der Messe vergegenwärtigt wird. Wenn die Kirche dazu Brot und Wein darbringt, ist das nicht der Ersatz früherer Speiseopfer. Und doch bringt die Gemeinde Brot und Wein vor Gottes Angesicht. Als Christen verstehen wir dieses Brot, diesen Wein selbst als eine Gabe, die wir von Gott empfangen haben. Wir können ihm gar nichts anderes als das bringen, was wir von ihm selbst empfangen haben. Die Gabenbereitung kann so auch eine Einladung werden, sich selbst, das eigene Leben vor Gottes Angesicht zu bringen – im Wissen, alles aus seiner Hand empfangen zu haben und es ihm wieder in die Hände zu legen.
Text: Benedikt Bögle
(SCC)