News Bild Einiges geboten für die Sinne: Ein Interview mit Kaplan Thomas Fischer

Einiges geboten für die Sinne: Ein Interview mit Kaplan Thomas Fischer

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Während der Wochen ohne öffentliche Gottesdienste rückte die Frage nach der kirchlichen Liturgie und den Sakramenten neu in den Fokus. Wie ist das Verhältnis von Liturgie und Kirche zu bestimmen? Warum ist die „leibliche“ Erfahrung der Sakramente, insbesondere der Eucharistie, essentiell? Ein Gespräch mit Thomas Fischer, Kaplan in der Pfarreiengemeinschaft Abensberg-Pullach-Sandharlanden.

 

Sehr geehrter Kaplan Fischer, was genau ist eigentlich Liturgie?

Vereinfacht könnte man sagen, die gottesdienstlichen Feiern der Kirche sind Liturgie. Die am meisten verbreitete Form und die Höchstform von Liturgie ist die Feier der Eucharistie. Aber auch die anderen Sakramente und die sogenannten Sakramentalien wie Beerdigungen oder Segnungen gehören zur Liturgie. Außerdem kann man auch die Tagzeitenliturgie, die wahrscheinlich besser unter dem Namen Stundengebet bekannt ist, und Wortgottesfeiern zur Liturgie rechnen.

 

Also alles, was in Richtung formeller Ritus geht?

Wichtig ist bei all dem, dass das nicht einfach Rituale sind, die man abspult, sondern dass es dabei um die Begegnung von Gott und Mensch geht, zu der Gott die Initiative ergreift. Die Liturgie will ein Dialog zwischen Gott und uns Menschen sein. Gott spricht zu uns in seinem Wort und schenkt uns seine Nähe. Wir sind dann aufgerufen, im Gebet zu antworten.

 

Gebet oder Dienst am Nächsten – was ist wichtiger?

Die Antwort, von der ich eben sprach, beschränkt sich nicht nur auf das Gebet, sondern verlangt eine Fortsetzung in einem Leben, das sich an Gottes Wort orientiert. Das, was wir in der Kirche feiern, will auch im Alltag gelebt werden.

 

Wie hängt mein persönliches Gebet mit der offiziellen Liturgie der Kirche zusammen?

Natürlich ist auch das persönliche Gebet unverzichtbar für meine Beziehung zu Gott. Wenn die sich nur auf die eine Stunde der Messe am Sonntag beschränken würde, würde ihr etwas ganz Wesentliches fehlen. Unsere Beziehung zu Gott braucht beides: Das gemeinsame Gebet in den offiziellen liturgischen Feiern und mein ganz persönliches Beten. Außerdem ist auch gerade in der offiziellen Liturgie das persönliche Gebet der Mitfeiernden wichtig.

 

Die Theologie bezeichnet die Liturgie als einen der drei Grundvollzüge der Kirche. Warum ist die Liturgie so zentral?

Wenn wir uns zur Feier der Liturgie versammeln, wird deutlich, wer wir als Kirche überhaupt sind: Wir sind eine Gemeinschaft von Glaubenden, die zu Jesus Christus gehört. Sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung werden in der Feier der Liturgie, besonders der Eucharistiefeier gegenwärtig. Wir feiern also immer wieder neu das, was Jesus für uns Menschen getan hat und können ihm begegnen.

Was uns als Pfarrei fehlt, wenn wir als Gläubige nicht zusammenkommen können, haben wir in den vergangenen Wochen ohne öffentliche Gottesdienste gesehen.

 

In dieser Zeit konnten ja über einige Wochen Hl. Messen nur per Livestream mitverfolgt werden. Es war nicht möglich, die Kommunion zu empfangen, man sprach stattdessen von „geistlicher Kommunion“. Ist der leibhafte Empfang der Kommunion überhaupt nötig oder worin besteht der Unterschied zum rein geistlichen Empfang?

Grundsätzlich darf man ja Gott nicht in bestimmten Riten einsperren. Die Sakramente bewirken das Heil des Menschen und in ihnen dürfen wir seine Nähe und Liebe intensiv spüren. Aber das soll nicht heißen, dass Gott nicht auch andere Wege wüsste, wie er uns nahe sein kann oder Gemeinschaft mir ihm schenken kann.

 

Insofern kann Gott uns seine Nähe also auch über einen „Livestream-Gottesdienst“ schenken?

Gott würde das wahrscheinlich sogar ohne Livestream irgendwie hinbekommen, wenn es denn sein müsste. Hinter der geistlichen Kommunion steckt der Gedanke, dass man die Wirkung eines Sakraments auch dann empfangen kann, wenn man es aus ernsthaften Gründen nicht leibhaftig empfangen kann, obwohl man eine starke Sehnsucht danach hat. Das gilt nicht nur für die Kommunion, sondern auch für die Taufe. Oder denken Sie an das, was Papst Franziskus über die Beichte gesagt hat. Aber natürlich würde ich den leibhaftigen Empfang der Kommunion der geistlichen Kommunion vorziehen, weil da viel intensiver erfahrbar ist, wie Jesus sich mir schenkt und meinen Hunger nach ihm selbst stillt.

 

Spielt dieses Element der Leiblichkeit bei allen Sakramenten eine Rolle?

Natürlich. Die Sakramente berücksichtigen nicht nur die geistige Dimension des Menschen. Sie sprechen uns auch ganz wesentlich über unseren Leib und die Sinne an. Bei der Feier fast aller Sakramente können wir sofort etwas mit unserem Leib spüren, schmecken oder riechen. Ob es das Wasser der Taufe ist, Brot und Wein bei der Eucharistie oder das Öl bei der Krankensalbung; durch die Handlungen mit diesen Gegenständen und die begleitenden Worte werden die Sakramente Zeichen einer tieferen Wirklichkeit.

 

Es geht also darum, wie wir als das Wesen „Mensch“ die Nähe Gottes spüren können?

Genau. Wegen ihrer leibhaftigen und materiellen Seite, sagt der hl. Thomas von Aquin, sind die Sakramente gut geeignet, um uns Menschen als Wesen mit Leib und Seele die Nähe Gottes vermitteln zu können. Aber nicht nur bei den Sakramenten spielen der menschliche Leib und die Sinne eine Rolle, sondern bei der ganzen Feier der Liturgie. Schon die Versammlung an sich ist ja ein leibliches Geschehen. Denken Sie auch an Musik, Weihrauch und so weiter. Bei einer schönen Liturgie ist für die Sinne einiges geboten.



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