News Bild Durch das Kirchenjahr: O Tiefe des Reichtums!

Durch das Kirchenjahr: O Tiefe des Reichtums!

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… mit Benedikt

21. Sonntag im Jahreskreis A – Römer 11,33-36

33O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! 34Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35Oder wer hat ihm etwas gegeben, sodass Gott ihm etwas zurückgeben müsste? 36Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Amen.“

Römer 11,33-36

 

An diesem Sonntag hören wir eine der faszinierendsten Stellen aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom. Der Apostel reflektiert dort den Glauben des Volkes Israel. Persönlich beginnt er seine Ausführungen, die drei ganze Kapitel in der Schrift füllen: „Ich bin voller Trauer, unablässig leidet mein Herz (Röm 9,2). Dem Volk, dem Gesetz, Gottesdienst und Verheißung gegeben sind (vgl. 9,4), glaubt nicht daran, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Paulus kann das nicht verstehen. Wie kann Gott einerseits sein Volk lieben und auserwählen, es aber andererseits zulassen, dass sein eigener Sohn, dessen Botschaft der Apostel selbst mit großem Erfolg im ganzen Mittelmeerraum verkündet hatte, gerade in Israel nicht anerkannt ist?

Der Apostel hatte ja selbst zunächst die Kirche verfolgt, bevor er vor den Toren der Stadt Damaskus dem Auferstandenen begegnet war. Über drei Kapitel reflektiert Paulus nun, welche Bedeutung das Christusereignis für das Judentum hat. Etwa: „Hat Gott sein Volk verstoßen? Keineswegs! (…) Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er im Voraus erwählt hat“ (11,1-2). Worte sind das, die die Ausgrenzung jüdischen Lebens, die Shoah anklagen. Paulus unterstreicht die bleibende Bedeutung Israels auch für das Christentum: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“ (11,18).

Eine tiefe Wahrheit, die im Christentum lange Zeit verschüttet war – obwohl sie doch so klar in der Bibel vor aller Augen gestanden hätte. Das Zweite Vatikanische Konzil erkannte sodann die tiefen Beziehungen zwischen Christen und Juden wieder an: „Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben“ (Nostra aetate 4).

Als der heilige Johannes Paul II. 1986 die Synagoge in Rom besuchte, sagte er: „Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder.“ Dem Sinne nach sagt das eigentlich schon Paulus in seinem Römerbrief. In einer Intensität betont er die bleibende Berufung des Judentums, die vermuten lässt, in der Gemeinde von Rom habe es erhebliche Zweifel an dieser Tatsache gegeben: „Denn unwiderruflich sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes“ (Röm 11,29).

Bleibt ein Rätsel, auf das auch der Völkerapostel eigentlich keine rechte Antwort weiß: Wieso nur scheint es dem Plan und Willen Gottes zu entsprechen, dass sich ein großer Teil des Volkes Israel nicht zu Jesus Christus bekennt? Und der große Apostel, der selten sprachlos wird, muss zugeben, dass er die Antwort einfach nicht weiß. Aber er vertraut darauf, dass ein anderer sie weiß – Gott, in dessen Lobpreis der Text dieses Sonntags nun einsteigt: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!“ Auch wenn die Wege Gottes den Menschen doch unergründlich scheinen, auch wenn wir seine Pläne nicht begreifen können, dürfen wir doch fest darauf vertrauen, dass es diese Wege, dass es diese Pläne gibt. „Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei die Ehre in Ewigkeit!“



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