Dem Gewissen treu – Franz Jägerstätter verweigerte Hitler den Kriegsdienst.
Es muss ein harter Abschied gewesen sein, als Franz Jägerstätter im Februar 1943 seine Familie verließ. Er war zum Kriegsdienst eingezogen worden, meldete sich aber mit einem festen Vorsatz: Er würde diesen Wehrdienst für das verbrecherische Hitler-Regime ablehnen. Die Strafe dafür war absehbar: Der Tod. Wissend ging Jägerstätter seiner Hinrichtung entgegen. Die freie Entscheidung seines Gewissens musste er mit dem Tod bezahlen.
Hochzeit oder Klostereintritt?
Franz Jägerstätter wurde 1907 in Oberösterreich geboren. Seine Eltern waren nicht miteinander verheiratet, konnten sich weder die Hochzeit noch die Erziehung ihres Sohnes leisten. Also wuchs Franz bei seiner Großmutter auf. Später erbte er den Bauernhof seines Stiefvaters. Ein ruhiges Leben hätte ihm vorgezeichnet sein können; ein Leben, eingefasst von der Arbeit und dem Glauben des Landwirts. Jägerstätter, Vater eines unehelichen Kindes, dachte lange Zeit über einen Klostereintritt nach. Ein wichtiges Vorbild war für ihn der heilige Bruder Konrad von Parzham – auch er war Landwirt, beschäftigte sich immer mehr mit seinem Glauben und trat dann in ein Kloster ein. Franz entscheid sich anders – er heiratete seine Frau Franziska und gründete mit ihr eine Familie auf seinem Bauernhof. Das junge Paar verzichtete auf eine weltliche Hochzeitsfeier und machte stattdessen eine Wallfahrt nach Rom.
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Erste Wolken zogen auf, als Österreich dem deutschen Reich angeschlossen wurde. Jägerstätter sollte Bürgermeister werden, verweigerte das Amt aber. Als das Volk über den „Anschluss“ Österreichs entscheiden sollte, stimmte der Landwirt als einziger Wahlberechtigter seiner Gemeinde mit „Nein“: Den Nationalsozialisten stand er schon immer skeptisch gegenüber. 1940 musste er erstmals zur Wehrmacht einrücken und leistete auch den geforderten Eid auf Hitler – er habe es zu dieser Zeit für eine Sünde gehalten, sagte Jägerstätter, den Anweisungen des Staates nicht Folge zu leisten. Nur kurze Zeit später konnte er auf seinen Hof zurückkehren, im folgenden Jahr wurde er auf Ansuchen seiner Heimatgemeinde als „unabkömmlich“ eingestuft.
Einsame Positionen
Immer stärker wuchs bei Franz Jägerstätter nun das Bewusstsein für den wahren Charakter Hitlers und seiner Schergen. Ihm wurde bekannt, dass im Rahmen des als „Euthanasie“ bezeichneten Programms Menschen mit Behinderung ermordet wurden und die Kirche von den Nazis verfolgt wurde. Jägerstätter las zu dieser Zeit viel in der Heiligen Schrift, besuchte regemäßig Gottesdienste – und erkannte plötzlich: Mit seinem Gewissen war es nicht länger vereinbar, dem Heer Hitlers zu dienen. Als Christ konnte er nicht Teil dieser verbrecherischen Gräueltaten werden. Nicht viele teilten diese Auffassung. Seine Frau wollte ihn überzeugen, den Schritt der offenen Verweigerung nicht zu gehen, scheint seine Entscheidung aber letztlich doch mitgetragen zu haben. Gegen den Widerstand vieler erklärte Franz Jägerstätter: Für ihn als Christ war der Militärdienst für Hitler nicht möglich. Sein Gewissen hindert ihn daran.
Dem Gewissen treu
Jägerstätter ließ sich nicht abbringen. Er wurde eingezogen und verweigerte den Kriegsdienst. Für diese Verweigerung wurde er zum Tode verurteilt. Am 9. August 1943 starb er in Brandenburg an der Havel. Franz Jägerstätter ließ nicht nur seine Frau, sondern auch die Kinder zurück. Bis zur Hinrichtung hätte Jägerstätter das Todesurteil noch abwenden können, hätte er die Wehrdienstverweigerung zurückgenommen und den geforderten Eid auf Hitler geleistet. Er verwehrte sich jedoch dagegen. Dieser Schritt war das Ergebnis einer ersthaften Bildung seines Gewissens – obwohl in der Kirche viele kein Verständnis für diese Haltung hatten. Er ließ der Erkenntnis seines Gewissens Taten folgen, auch wenn es für ihn den absehbaren Tod bedeutete.
Gewissen ist der Ort, an dem der Mensch die Stimme Gottes hört
Für das Zweite Vatikanische Konzil hat das Gewissen eine große Bedeutung: „Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muss und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft“, führen die Konzilsväter in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes aus (GS 16). Das Gewissen ist für das Konzil der Ort, an dem der Mensch die Stimme Gottes hören kann. Dieses Gewissen muss auch gebildet werden – nicht immer ist diese Stimme Gottes so eindeutig, als dass der Mensch nur darauf hören müsste und sofort die rechte Antwort wüsste.
Franz Jägerstätter hat sein Gewissen gebildet: Er studierte die Heilige Schrift. Auch wenn er keine akademische Bildung genoss, goss ihm die Erkenntnis aus dem Wort Gottes doch eine Gewissheit ins Herz: Der Kriegsdienst für das Unrechtsregime der Nationalsozialisten ist mit der Berufung eines Christen nicht zu vereinbaren. Diese Einsicht brauchte Zeit, wie es scheint. Umso deutlicher schlug sie sich Bahn, als Jägerstätter den Dienst an der Waffe verweigerte, wissend, welche Folgen das für ihn haben würde.