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Brauchtum in Ostbayern: Wallfahrten und Hungertaler

Das Jahr ohne Sommer

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Regensburg, 19. August 2024

Während wir heute oft unter der Sommerhitze stöhnen, war vor genau 208 Jahren nicht nur in Bayern, sondern weltweit der Sommer ausgefallen. Es war ein katastrophales Ereignis, das sich weit entfernt abspielte und doch im ganzen Land zu verheerenden Missernten und Hungersnöten führte. Das Jahr 1816 ist als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Schuld war ein Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt - auf der 12.000 Kilometer entfernten indonesischen Insel Sumbawa. Die Folge war eine große Hungersnot.

Weltweite Auswirkungen

Erst hundert Jahre später fand ein amerikanischer Klimaforscher die Ursache für die weltweite Katastrophe: ein Ausbruch des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien am 15. April 1815. Dabei wurden rund 150 Kubikkilometer (ein Kubikkilometer entspricht einem Würfel von einem Kilometer Kantenlänge) Staub und Asche und 130 Megatonnen Schwefelverbindungen hoch in die Atmosphäre geschleudert. Hier verteilten sich die winzigen Partikel und legten sich wie ein Schleier um den gesamten Globus. Nach Schätzungen starben weltweit über 100.000 Menschen durch die Klimakatastrophe nach dem Vulkanausbrach. Auch in Bayern waren die Folgen katastrophal.

Kälte und Überschwemmungen

Das ganze Jahr 1816 war kalt und verregnet. Zahlreiche Flüsse traten über die Ufer und in den Alpen gab es immer wieder Schnee bis in die Täler. Die Bayerische Staatszeitung veröffentlicht im Jahr 2015 die Aufzeichnungen eines Chronisten über das damalige Wetter in Regensburg: „Zum Juni 1816 heitere Tage 0, windige 14, Tage mit Nebel 5, Tage mit Regen 12, Tage mit Hagel 1, Tage mit Gewitter.“ Über den ganzen Monat heißt es zusammenfassend: „Die Sonne schien nie ohne Flecken. Merkwürdiger Monat wegen der vielen Wolkenbrüche und Überschwemmungen, wegen der zerstörenden Hagelwetter und wegen der Kälte beym höchsten Stande der Sonne: alles dieses durch das ganze südliche Europa verbreitet." Die Veränderung des Klimas war noch bis in das Jahr 1818 zu spüren.

Die „Strafe Gottes“

In Folge der niedrigen Temperaturen und des anhaltenden Regens kam es zu schweren Missernten. Das Getreide war kaum ausgereift, die Bauern hatten keinen Futtervorrat für die Tiere. Das führte zur großen Hungersnot von 1817. In Bayern hatten die Ereignisse einen wesentlichen Anteil an der Entlassung von Minister Maximilian von Montgelas im Jahr 1817, der als Hauptverantwortlicher für die radikale Durchführung der Säkularisation galt. Die Menschen vermuteten, dass die Abschaffung der alten kirchlichen Bräuche und Traditionen Ursache für die Katastrophe sei, und sahen die Hungersnot als „Strafe Gottes“. Bald blühte die bis dahin unterdrückte Volksfrömmigkeit wieder auf. In Scharen pilgerten die Gläubigen nach Altötting, wo noch heute ein großes Votivbild an die Hungerkatastrophe erinnert. Bittgottesdienste für eine gute Ernte wurden nun sogar von der Obrigkeit angeordnet.

Brot und Suppe

Um die schlimmste Not zu lindern, ließen zahlreiche Städte öffentliche Suppenküchen einrichten, so zum Beispiel auch München. Hier wurden in acht Monaten über 60.000 Laib Brot und 45.000 Portionen der Rumfordsuppe kostenlos oder verbilligt an die hungernde Bevölkerung ausgegeben. Ihr Namensgeber, der Reichsgraf von Rumford, hatte die lediglich aus Graupen und getrockneten Erbsen bestehende Suppe 1795 „erfunden“, um die Soldaten der Armee des bayerischen Kurfürsten und die festgenommenen Bettler und Arbeitslosen im militärischen Arbeitshaus in der Münchner Au sparsam und doch nahrhaft versorgen zu können. Sogar König Max Joseph soll im April 1817 die Rumfordsuppe in einer Münchner Suppenküche probiert haben und ließ verkünden, er habe sie regelrecht genossen.

Große Teuerung

Die Folge der Missernte war eine extreme Teuerung. So stiegen die Getreidepreise an der Regensburger Schranne im Juni 1817 für einen Scheffel Weizen im Vergleich zum Jahr 1814 um das Fünffache, Gerste kostete sogar den 35-fachen Preis. Zur Erinnerung an diese Zeit wurden mancherorts sogenannte Hungertaler geprägt – oft Papierplättchen, die von der großen Hungerkatastrophe und der Teuerung berichten.

Text: Judith Kumpfmüller

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