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Brauchtum in Ostbayern: Das Gebetläuten

Der Ruf der Kirchenglocken

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Regensburg, 22. Februar 2024

Den Tagesablauf in Altbayern prägt seit eh und je das Läuten der Kirchenglocken. Glocken gehören zu den ältesten Musikinstrumenten der Menschen. Sie wurden in allen Kulturen bei kultischen Handlungen verwendet.

Heute ist vom Kirchturm zu jeder Viertelstunde ihr Schlag zu hören, zur vollen Stunde zählen sie uns auf, was „die Stunden geschlagen hat“. Die Glocken rufen zum Gottesdienst, geben den Tod eines Pfarrangehörigen bekannt und läuten zur Beerdigung. Alle festlichen Anlässe werden vom Glockenklang begleitet.

Feierliche Glockenweihe

Glocken gehören zu den ältesten Musikinstrumenten der Menschen. Schon etwa 5.000 Jahre vor Christus haben die Menschen in Asien aus Metall gegossene Hohlkörper zur Klangerzeugung genutzt. Über Jahrtausende wurde Glocken in allen Kulturen bei kultischen Handlungen verwendet. Und bis heute haben sie einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich auch daran, dass die Glocke neben der Orgel das einzige Musikinstrument ist, das eine kirchliche Weihe erhält. Eine solche Glockenweihe ist für jede Pfarrei ein ganz besonderes Ereignis. Die neue Glocke wird mit Weihwasser besprengt und mit heiligem Öl gesalbt, dann bekommt sie ihren Namen, meist nach einem Heiligen.

Der „Engel des Herrn“

Von besonderer Bedeutung war früher auf dem Land das Angelusläuten. Das Angelus- oder Gebetläuten hat im christlichen Abendland eine lange Tradition. Noch heute rufen die Glocken in den Städten und Dörfern Altbayerns dreimal am Tag zum Angelusgebet, dem „Engel des Herrn“. Lediglich am Karfreitag und Karsamstag bleiben die Glocken stumm. Der Brauch geht zurück auf den Heiligen Franz von Assisi. Bei einer Reise in den Orient hörte er fünfmal am Tag den Gebetsaufruf der Muezzins von den Türmen der Minarette. Er war davon so beeindruckt, dass er den Brauch in veränderter Form auch in seiner Heimat einführen wollte.

Gemeinsames Gebet

Seit jeher wird zum Läuten der Angelus-Glocke der Engel des Herrn gebetet:

Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft und sie empfing vom Heiligen Geist.
Gegrüßet seist du, Maria …
Maria sprach: Siehe ich bin die Magd des Herrn: mir geschehe nach Deinem Wort.
Gegrüßet seist du, Maria…
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Gegrüßet seist du, Maria …
V Bitte für uns, heilige Gottesmutter
A dass wir würdig werden der Verheißung Christi, usw.

Das Angelusläuten

Aus Angst vor den Türken wurde ab 1456 beim Mittagsläuten um Rettung vor der Türkengefahr gebetet. In manchen Kirchen gab es dafür sogar eine eigene „Türkenglocke“. Ab dem 16. Jahrhundert soll auf Einfluss der Jesuiten beim Morgengebet der Auferstehung gedacht werden, das Mittagsläuten erinnert an die Kreuzleiden, das Abendläuten an die Menschwerdung Christi.

Früher war es selbstverständlich, dass während des Angelus-Läutens die Arbeit unterbrochen wurde und auf den Feldern und in den Häusern betete man gemeinsam. Für die Kinder war es Pflicht, beim abendlichen Gebetläuten zu Hause zu sein. In vielen Orten der Oberpfalz erinnern sich die Älteren noch heute an die Zeit, als der Pfarrer nach dem Gebetläuten durch den Ort ging um zu sehen, ob sich noch Kinder auf der Straße aufhielten. Die wurden dann unter energischem Schimpfen sofort nach Hause geschickt.

Das „Vaterunserläuten“

Heute läuten die Angelus-Glocken meist um 6 Uhr früh, in einigen Gemeinden – vor allem Fremdenverkehrsorten – wurde das Läuten auf 7 Uhr verlegt. Pünktlich um 12 Uhr ist in ganz Altbayern das Mittagsläuten zu hören. Das abendliche Angelus-Läuten richtet sich nach dem Sonnenuntergang und ist je nach Jahreszeit zwischen 17 Uhr im Winter und 21 Uhr im Sommer zu hören. Das abendliche kurze Nachläuten an den Angelus, Vaterunserläuten genannt, soll an das Vaterunser für die Verstorbenen des Tages oder der Woche erinnern.

Text: Judith Kumpfmüller

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