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Bischof von Sokoto über die Herausforderungen in dem afrikanischen Land

Nigeria: „Regierung zeigt kein Interesse an Frauenrechten“

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München, 2. August 2023

Bischof Matthew Kukah (70) leitet seit 2011 die Diözese Sokoto im Norden Nigerias. Er kritisiert die Regierung seines Landes scharf für ihr Versagen, die Gewalt einzudämmen und Christen vor tödlichen Angriffen zu schützen. In einem Interview mit dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ spricht Bischof Kukah über die Erwartungen an die neue Regierung, die Ende Mai vereidigt wurde.

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Regierung, insbesondere in Bezug auf die Behandlung von Christen? Einige haben sich optimistisch geäußert, weil die Frau des neuen Präsidenten Tinubu Christin ist, während andere Bedenken wegen des Vizepräsidenten Kashim Shettima haben.

Ich kenne Tinubu seit mehr als 20 Jahren und kenne auch Kashim Shettima, weil ich mit ihm zusammengearbeitet habe. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem meine Chancen davon abhängen, ob der Präsident ein Muslim oder ein Christ ist. Die Morde finden schon seit Langem statt. Buharis [vorheriger Präsident, Anm. d. Red.] Vizepräsident, Yemi Osinbajo, war ein christlicher Pastor, aber was bedeutete das schon? Er hat nie einen Ort besucht, an dem Christen getötet wurden.

Ich beurteile Menschen nach ihren Fähigkeiten und Kompetenzen und danach, wie sie Gerechtigkeit, Fairness und Gleichbehandlung sehen. Ich glaube nicht, dass Nigerias Präsident Christen oder Muslime bevorzugen wird. Viele der Ängste, die die Menschen äußern, sind unbegründet. Ich war bei der Einweihung der Kathedrale in Maiduguri und war überrascht, als ich dort hohe Beamte sah, die Christen und Mitglieder des Stabs von Kashim Shettima waren. Er war am Bau und Wiederaufbau von Moscheen und Kirchen beteiligt, die von Boko Haram zerstört worden waren. Was kann man sonst noch von jemandem verlangen?

Besteht Grund zu der Annahme, dass Tinubu eine Verbesserung gegenüber Buhari darstellt?

Klar ist, dass der scheidende Präsident einer der schlechtesten war, den das Land je hatte. Der Präsident war ein Muslim, die Führungsspitze der Nationalversammlung waren Muslime, fast alle Sicherheitsbeamten waren Muslime, ebenso die Inhaber anderer wichtiger Positionen. Es ist traurig, dass die Christen während all dieser Vorgänge ihre Stimme nicht erhoben haben. Sie sind politisch nicht organisiert. Natürlich hätte ich gerne einen Katholiken als Präsidenten, aber er würde nicht die Katholiken regieren – er würde alle in diesem Land regieren. Wir sollten uns auf die Fähigkeit zu Fairness, Integrität und den Aufbau eines besseren Nigerias konzentrieren.

Welche Rolle sehen Sie für die Christen in der neuen Regierung, und wie kann die kirchliche Gemeinschaft diese Bemühungen unterstützen?

Niemand kann uns dabei ersetzen, die Regierung in die Pflicht zu nehmen. Wir Christen müssen mehr tun, als nur zu reden und zu klagen. Die Buhari-Regierung betrieb ein System, das auf Vetternwirtschaft basierte. Ironischerweise ist Nordnigeria trotz alledem nach wie vor die Region, in der die Regierung am wenigsten präsent ist. Und was die Christen erlitten haben, ist nur ein Bruchteil dessen, was die Menschen im Norden an Entführungen, Morden und Zerstörung erlitten haben.

Christen sind nach wie vor die am besten ausgebildeten Menschen und erfolgreichsten Geschäftsleute in Nigeria. Sie haben Macht, die zwar nicht politisch ist, aber es ist eine Macht, die sie gut nutzen können. Unser Erfolg geht weit über den Rahmen unserer Mitgliederzahlen hinaus, selbst in Sokoto, wo wir eine Minderheit sind. Es geht also darum, eine wirksame Strategie zu entwickeln, um Einfluss auf eine Politik zu nehmen, die sich negativ auf uns auswirkt.

Matthew Hassan Kukah, Bischof von Sokoto (Nigeria).
Katholischer Gottesdienst in Nigeria. Frau empfängt Segen.

Was sind die wichtigsten Faktoren, die Frauen und Mädchen in Nigeria betreffen, und haben sich diese Bedingungen in den vergangenen Jahren verschlechtert?

Im Norden Nigerias ist Bildung für Frauen und Mädchen verpönt, weil sie früh verheiratet werden und weil man glaubt, dass Frauen nur dazu da sind, zu heiraten und Kinder zu gebären. Wir können nur dann dazu beitragen, mehr Mädchen im Norden Nigerias auszubilden, wenn die Regierung bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten. Bisher haben die Gouverneure des Nordens keine klaren Pläne für eine Zusammenarbeit mit der Kirche. Das liegt zum einen an der Art und Weise, wie sie wahrgenommen wird, und zum anderen an den möglichen negativen Reaktionen seitens der Muslime.

Heutzutage sind einige Frauen und Mädchen aufgeklärter und erkennen, dass ihr Leben nicht in der Küche enden muss. Wir unterstützen sie, indem wir sie ermutigen, ihr Leben zu leben und zu verbessern. In Sokoto sind die meisten Frauen und Mädchen schrecklichen und traumatischen Dingen wie Entführungen, sexueller Sklaverei, Vergewaltigung und Missbrauch ausgesetzt. Die Regierung zeigt kein Interesse an den meisten dieser Fälle. Es ist schade, dass die Medien nicht über solche Geschichten berichten. Hier ziehen die Menschen eine Kultur des Schweigens vor.

Was haben die von „Kirche in Not“ unterstützten Programme für Sie persönlich und für Ihre Mitarbeiter bedeutet?

Ich bin „Kirche in Not“ unendlich dankbar für all die Unterstützung, die Ihr Hilfswerk uns bisher gewährt hat. Ich werde „Kirche in Not“ immer als Teil der Familie der Diözese Sokoto betrachten. Sie haben unsere pastorale Arbeit erleichtert und einige unserer Seminaristen gefördert. Es ist Ihnen auch gelungen, unsere Priester durch großzügige Messstipendien zu unterstützen. Wenn wir an Exerzitien teilnehmen, springt „Kirche in Not“ ein, um die finanzielle Lücke zu schließen. Wir haben auch Unterstützung bei Bauprojekten erhalten. Wir sind gesegnet und dankbar, dass wir mit „Kirche in Not“ zusammenarbeiten können.

 

Interview: Kirche in Not
(mk)

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