Bischof Rudolf in Pullenreuth: Gratulation zum 100. Geburtstag, Krippenschau und Heiliges Grab
Große Volkskunst zur Glaubensvertiefung
Pullenreuth, 23. März 2023
Diözesanbischof Rudolf Voderholzer erlebte ereignisreiche Stunden in Pullenreuth. Das Heilige Grab sowie die Krippensammlungen von Karl Schenkl und Jürgen Pirner begeisterten ihn nachhaltig.
„Ich bin sehr angetan!“ Mit diesem Ausspruch fasste Bischof Rudolf seine Eindrücke beim Besuch des Heiligen Grabes zusammen. In wenigen Wochen wird es endlich wieder in der Pfarrkirche St. Martin in Pullenreuth aufgestellt. Derzeit wartet es noch im Weiß-Saal auf seine Revitalisierung. Als Heiliges Grab werden Stätten und Darstellungen bezeichnet, die an den letzten Ruheort Christi in Jerusalem erinnern wollen.
Bischof Rudolf vor einem Holz-Modell des Heiligen Grabes. Es stammt von Schuhmacher Hans Spörrer aus den 1950er Jahren.
Das Heilige Grab in Pullenreuth – eine besondere Faszination
Ob das Heilige Grab zuletzt im Jahr 1962 oder 1963 in der Kirche aufgebaut war, lässt sich nicht mehr sicher belegen. Jedenfalls lagerten die Teile mindestens 60 Jahre in verschiedenen Scheunen und Dachböden und schlummerten vor sich hin. Dass sie wieder auferweckt und umfassend restauriert wurden, ist vor allem Norbert Reger zu verdanken. Er ist der engagierte Vorsitzende der fast 600 Mitglieder starken Gesellschaft Steinwaldia Pullenreuth, die sich unter anderem der Heimatpflege, Heimatkunde und kulturellen Zwecken verschrieben hat. Norbert Reger verbindet eine besondere Faszination mit dem Heiligen Grab: „Als kleiner Bub stand ich mit meiner Oma in der Kirche und hielt ihre Hand bei all dem wundersamen Geschehen.“ Er kann sich noch an die Gänsehaut erinnern und das lässt auch heute noch seine Augen strahlen.
In der Werkstatt der Schreinerei Gerhard Schinner in Pullenreuth wurde die Grablege mit dem Leichnam Christi restauriert.
2.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit
Seit 2016 haben Frauen und Männer des Vereins die Restaurierung und den Ersatz fehlender Teile in die eigenen Hände genommen; rund 2.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit wurden dafür geleistet. Dazu kamen Arbeiten, die eine Fachwerkstatt ausführen musste. Neben der fachmännischen Aufarbeitung war es eine herausfordernde Aufgabe, aus den Teilen ein Ganzes zu machen. Wie bei einem Puzzle standen die Steinwaldia-Mitglieder davor und haben mit Erinnerung und Auge Stück für Stück rekonstruiert und zusammengefügt. Ein solches Projekt kann man nur mit vereinten Kräften und finanzieller Unterstützung stemmen. Und so wirkten neben der Steinwaldia die Diözese Regensburg, die Pfarrei Pullenreuth, das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz, der Bezirk Oberpfalz, der Landkreis Tirschenreuth, die Gemeinde Pullenreuth, der Naturpark Steinwald und das Landesamt für Denkmalpflege zusammen. Das Heilige Grab in Pullenreuth hat Chorraum füllende Ausmaße und ist bis zu sieben Meter hoch. Die verschiedenen Bestandteile bilden eine über Jahrhunderte gewachsene Einheit. Im Pfarrarchiv ist es seit dem Jahr 1704 nachweisbar und hat Elemente, die bis zum Spätbarock zurückreichen. Den anwesenden Mitgliedern der Steinwaldia zollte Bischof Rudolf seinen Respekt und bedankte sich für ihren Einsatz. Und er freute sich darauf, wenn er das Heilige Grab aufgebaut sieht: „Ich bin schon narrisch gespannt!“
Jürgen Pirner und Bischof Rudolf Voderholzer.
Um den Gläubigen und der gesamten Bevölkerung die Bedeutung des Heiligen Grabes als Zeugnis für die Kar- und Ostertage näher zu bringen, haben sich die Steinwaldia und das Bistum einiges einfallen lassen. So referiert Christa Haubelt-Schlosser M.A., die im Bistum für Volkskunde und Kunstsammlungen zuständig ist, am 24. März 2023 in Neusorg über das Heilige Grab von St. Martin in Pullenreuth sowie die religiöse und kulturhistorische Bedeutung Heiliger Gräber im Allgemeinen. Das restaurierte Heilige Grab wird zu Beginn der Karwoche in der Pfarrkirche St. Martin aufgebaut und Bischof Rudolf wird es am 5. April einweihen.
Obere Ebene des Heiligen Grabes. Von links nach rechts: Schreinermeister Gerhard Schinner, Vorsitzender der Steinwaldia Norbert Reger, Bischof Rudolf, Pfarrer Julius Johnrose, Josef Rickauer und Gabi Hawranek.
Das Felsengrab mit dem Leichnam Christi
Die zentrale Darstellung, nämlich das Felsengrab mit dem fast in Lebensgröße und aus Holz geschnitzten verstorbenen Heiland, lagerte beim Besuch des Bischofs noch in der Werkstatt der Schreinerei Schinner. Gerhard Schinner hat es in unzähligen ehrenamtlich geleisteten Stunden restauriert. Bischof Rudolf besuchte daher die Werkstatt und konnte dort zusätzlich eine Vielzahl an Weihnachts-, Oster- und Jahreskrippen in Augenschein nehmen. Seine besondere Aufmerksamkeit fand ein dreiflügeliger Altarschrein, auf dem außen die Kirchenväter Hieronymus und Ambrosius dargestellt sind. Innen findet die Weihnachtsgeschichte mit den drei Szenen Verkündigung, Besuch der Heiligen Drei Könige an der Krippe und die Flucht nach Ägypten Platz.
Untere Ebene des Heiligen Grabes. Die Grablege ist hier mit einem Tuch verschlossen. Im Gottesdienst „erscheint“ zu gegebener Zeit der Leichnam Christi. Später „verschwindet“ der Leichnam wieder und die zusammen gefalteten Leinentücher „erscheinen“.
100. Geburtstag des Krippensammlers Karl Schenkl
„Wie geht’s?“ begrüßt Bischof Rudolf den Jubilar. Der Hundertjährige antwortet, ohne zu zögern: „Saugut geht’s mir!“ Es ist direkt zu spüren, dass die beiden Krippenfreunde sich schon seit langem kennen. Karl Schenkl ergänzt: „Laufen kann ich nicht mehr, aber im Kopf bin ich hellwach!“ Der Bischof gratuliert und überreicht ihm einen guten Tropfen aus dem bischöflichen Weingarten als Geschenk und - das ist dem Jubilar sichtlich wichtiger - das Buch „Weihnachtslichterlust und Kinderaugenglanz - Geschichte und Deutung der Krippenfeier des Heiligen Franziskus in Greccio 1223“. Zusammen mit Christa Haubelt-Schlosser von der Fachstelle Religiöse Volkskunst des Bistums bedankt er sich für die langjährige gute Zusammenarbeit mit dem Bistum.
Der Bischof und der Krippensammler vertiefen sich schnell in die neuen Krippen, die seit dem letzten Besuch des Bischofs ihren Platz im großen Haus des früheren Kohlehändlers gefunden haben. In allen Räumen des Erdgeschosses und des Oberen Stockwerks, einschließlich der Küche und des Schlafzimmers, aber auch im Keller, stehen Krippen, vornehmlich aus Böhmen und der nördlichen Oberpfalz, die als Kastenkrippen präsentiert werden. Und auch im hohen Alter kauft und verkauft Karl Schenkl immer wieder Krippen. Und so diskutieren die beiden Experten zum Beispiel über Szenen und Herkunft, und immer wieder über das Material, aus dem die Figuren und Landschaften hergestellt sind: Wachs, Holz, Porzellan, Ton, Keramik, Kork, Zinn, Schildplatt, Elfenbein, Gusseisen, Stein, Rinde, Moos. Jedes Material hat seine Vorzüge und wird, weil es passt oder gut zu verarbeiten oder gerade verfügbar ist, für bestimmte Zwecke verwendet.
Bischof Rudolf präsentiert die Krippenfigur, die Karl Schenkl selbst darstellt.
Die Feinheit der Arbeiten, die Präzision, die Geduld, letztlich die handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten der Krippenbauer, werden gelobt und respektiert. Oft erkennen Bischof und Sammler schon an der Gestaltung der Figuren, welcher Künstler dahintersteckt oder zumindest, welcher Krippenbaudynastie er angehört: „Das sind Damhafner Figuren aus Marktredwitz“, „Hier ist eine Königsberger Krippe“ „Das ist eine Kastenkrippe aus Pfaffenkappelholz in perspektivischer Darstellung“.
Bischof Rudolf würdigt Karl Schenkl zum Abschluss: „Sie sind ein hervorragender Kenner der böhmischen, insbesondere der Königsberger Krippen. Sie haben nur die besten Sachen und können auch unvollständige Krippen mit ihrem guten Auge ergänzen. Zudem sind Sie ein besonderes Original mit Ihrer Leidenschaft und ihren Beziehungen.“ Und dann bekommt der Bischof etwas Besonderes vom Jubilar geschenkt: Die Figur eines Pferdes aus einem Gestüt aus Klattau, der Heimat seiner Mutter. Den weiteren Gratulanten, wie Landrat Roland Grillmeier oder Bürgermeister Hubert Kraus, bleibt folgendes Wort des Bischofs über die Krippen im Ohr: „Das ist große Volkskunst, geschaffen, um den Glauben zu vertiefen!“
Ein dreiflügeliger Altarschrein in der Schreinerwerkstatt mit Verkündigung des Engels, Herbergssuche und der Geburt Jesu Christi.
Besuch bei Krippensammler Jürgen Pirner
In Pullenreuth lernte Bischof Rudolf noch einen weiteren Krippensammler kennen, den früheren Bürgermeister der Gemeinde, Jürgen Pirner. Den Kontakt fädelte Hubert Haubner ein, den der Bischof schon lange kennt. Er ist Schreiner, Krippenschnitzer, Krippenbauer und Krippenwart aus Plößberg, ebenfalls im Dekanat Tirschenreuth-Wunsiedel, und war der Initiator für den Bau der größten Krippe der Welt mit 70 Metern Länge und 8.000 Figuren. „Krippenschauen sind Bilder des Glaubens und gerade heute wieder ein guter Anlass, um Menschen anzusprechen“, sagt er. Bischof Rudolf findet auch bei Jürgen Pirner faszinierende Krippen vor. Am meisten hat es ihm eine niederländische Krippe von Anton Wendler aus Georgswalde angetan. Aber auch eine Oberammergauer Krippe der Schnitzerfamilie Schauer aus dem Jahr 1929 oder verschiedene Tirschenreuther und Plößberger Keramikkrippen gefallen ihm gut. Über eines sind sich Pirner und der Bischof einig. Beide haben bei ihren Krippen auch die passende Literatur stehen. Denn, so sagen beide: „Literatur ist das alles Entscheidende!“ Aber ebenso ist Bischof Rudolf wichtig, dass er die Figuren oder andere Elemente anfassen, haptisch erfühlen kann. Und genauso klar ist unter Krippenkennern, dass der Bischof erst fragt, ob er etwas in die Hand nehmen darf. Und dann sagt Rudolf Voderholzer: „Mich fasziniert das immer wieder!“
Text und Fotos: Peter Pirner/jas
Das Klattauer Pferd, ein Geschenk von Karl Schenkl.