Regensburg, 16. Dezember 2024
In unserem Adventskalender berichten Seelsorgerinnen und Seelsorger aus ganz Bayern über Erfahrungen, die sie während des Jahres gemacht und die schon einen Hauch von Advent und Weihnachten in sich getragen haben: heute mit Andreas Schwemmlein, Gemeindeassistent in der Pfarrei Heilige Edith Stein in Nürnberg-Langwasser, Bistum Eichstätt.
16. Dezember: Spieglein, Spieglein an der Wand
Vor zwei Wochen kam eine ehemalige Schülerin auf mich zu, drückte mich fest und sagte: „Mein Spiegel hängt fei immer noch an der Wand. Und ich schau ihn jeden Tag an.“
Mich rührte diese Nachricht sehr, denn ich wusste, dass diese Schülerin etwas verstanden und etwas gespürt hatte. Sie hat verstanden, dass sie sich jeden Tag selbst etwas Gutes tun muss. Und sie hat gespürt, dass sie sich das auch wert sein darf. Wo hat sie diese Lektion gelernt? Natürlich im Religionsunterricht.
In einer hochemotionalen Stunde bekamen alle Kinder einen Spiegel auf den Tisch gelegt. Sie sollten sich selbst betrachten und aufschreiben, was sie sehen. Ich fragte sie, ob sie auch wissen wollten, wie ich sie sehe. Sie waren gespannt. Ich forderte sie auf, den Spiegel umzudrehen. Auf der Rückseite stand ein kurzer Text: „Du bist wertvoll. Kein Gold, kein Diamant, kein Geld auf dieser Welt ist so wertvoll wie Du. Gott nimmt Dich an mit all Deinen Stärken und mit all Deinen Schwächen. Niemand hat das Recht, Dich schlecht zu behandeln. Behandle auch Du die anderen Menschen gut. Du weißt, sie sind auch wertvoll.“
Ein paar Schüler nahmen das einfach so zur Kenntnis. Andere kämpften mit den Tränen. Sie fragten, wie es sein kann, dass sie einen so hohen Wert hätten, wo doch ihre Eltern ihnen so oft sagten, dass sie nutzlose Versager seien. Es entstanden gute Gespräche und viele Kinder nahmen sich vor, ihren Spiegel mit ihrer Botschaft an ihre Zimmerwand zu hängen, damit sie ihren gerade entdeckten Wert niemals vergäßen.
Ich sah das Mädchen aus dieser Klasse von damals an und dachte mir: „Krass, genau dafür ist Gott Mensch geworden. Seine Liebe kann tatsächlich Verletzungen heilen.“
Text: Andreas Schwemmlein
Foto: privat
(SSC)