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Zwei Stephanus-Sonderpreise an verfolgte Armenier

Vertreibung der Christen Bergkarabachs als Mahnung

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Bonn / Regensburg, 23. April 2024

Die Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen hat am Samstagabend in einem Festakt den im Exil lebenden armenischen Menschenrechtsverteidiger aus Bergkarabach, Gegham Stepanyan sowie die Salzburger Armenologin Jasmine Dum-Tragut mit dem Stephanus-Sonderpreis ausgezeichnet.

Stepanyan war der letzte Ombudsmann für Menschenrechte in Arzach – so heißt auf armenisch die autonome Region Bergkarabach, in der im letzten Herbst die christlichen Einwohner brutalster Vertreibung ausgesetzt waren. Stepanyan hat diese Vertreibung der Armenier aus Bergkarabach im vorigen Herbst miterlitten und ist seither unermüdlich weltweit im Einsatz, um für Solidarität mit den Überlebenden von Kriegsverbrechen, totaler Vertreibung und genozidaler Aggression zu werben.

Der Politikwissenschaftler Stepanyan hatte das das Amt des Ombudsmanns für Menschenrechte in der schwierigsten und letzten Phase übernommen, im März 2021. Er koordinierte unter anderem auch die Suche nach gefallenen Soldaten und verschwundenen Zivilisten. Nun fordert er stellvertretend für die Bevölkerung von Arzach die Freilassung hoher Repräsentanten ihrer ehemaligen autonomen Region, die von Aserbaidschan seit 2023 gefangen gehalten werden, sowie der Kriegsgefangenen, die seit 2020 festgehalten werden.

Bis zur vollständigen Vertreibung

Stepanyan, per Video zugeschaltet, berichtete: „Während dieser Tortur hat das Büro des Ombudsmanns in Arzach unermüdlich daran gearbeitet, diese Verstöße zu dokumentieren und der internationalen Gemeinschaft vorzulegen, Licht auf die Ungerechtigkeiten zu werfen, die unserem Volk angetan wurden, und dringende Interventionen zur Linderung unseres Leids zu fordern.“ Die Gräueltaten seien Teil der systematischen Kampagne mit dem Zweck der vollständigen Vertreibung gewesen.

„Was in Arzach geschah, wurde von mehreren angesehenen Experten, darunter dem Gründungsstaatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, als Völkermord bezeichnet.“ Seiner Forderung, dass Aserbaidschan für die begangenen Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden müssee, schließt sich die Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen an.

Armenisches Kulturerbe unter dem Schwert des Islam

Die habilitierte Sprachwissenschaftlerin Dum-Tragut, die auch historisch und archäologisch arbeitet, wird für ihren beispiellosen Einsatz bei der Erforschung der armenisch-christlichen Traditionen Bergkarabachs geehrt. „Das armenische Kulturerbe ist dort bedroht, nachdem aserbaidschanisches Militär durch monatelange Blockade und den Angriff am 19. September 2023 die armenische Bevölkerung – mehr als 100.000 Menschen – aus Bergkarabach vertrieb“, erklärte die Stephanus-Stiftung die Entscheidung. Dum-Tragut zeichne sich angesichts aggressiver Propaganda aus Aserbaidschan und der Türkei „durch beeindruckende Unbeirrbarkeit aus“.

Der Völkerrechtler Gurgen Petrossian von der Universität Erlangen-Nürnberg begründete die Auszeichnung für die Salzburger Wissenschaftlerin Dum-Tragut wie folgt: „Ihre Beiträge erstrecken sich weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus. Sie spielte eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung des armenischen kulturellen Erbes und leitete Projekte, die Licht auf wenig bekannte Aspekte der armenischen Geschichte und des Lebens warfen.“

1.700 Jahre Christentum – ausgelöscht

Sonderpreisträgerin Jasmine Dum-Tragut dankte mit den Worten: „Ich fühle mich geehrt, aber mehr noch zum Weitermachen angespornt.“ Im Hinblick auf das Schicksal der Vertriebenen, des unwiederbringlichen Verlustes einer christlichen Region sowie der drohenden Vernichtung und böswilligen Umwidmung des fast zwei Jahrtausende alten, christlichen Kulturerbes sei sie sehr besorgt: „Wir sollten auch beunruhigt sein wegen der Unberechenbarkeit des aserbaidschanischen Regimes, das den Blick auf Südarmenien geworfen hat.“

Arzach sei eine der frühesten Regionen der Weltgeschichte, in der das Christentum offiziell Fuß gefasst hatte und in Schulen gelehrt wurde. Mit dem Überfall am 19. September 2023 und der darauffolgenden Vertreibung wurden weit über 2.000 Jahre armenische Geschichte, davon 1.700 unter dem Kreuz Jesu Christi, von der Karte des Südkaukasus gelöscht, wie die Wissenschaftlerin betonte. Die Kultur des historischen Armeniens, die im heutigen Westen von Aserbaidschan liege, in Nachitschevan nämlich, sei bereits völlig ausgelöscht worden. 4.000 registrierte Kulturdenkmäler seien verwaist, ungeschützt und für die Armenier völlig unerreichbar.

Schlimmes Erbe aus der Sowjetzeit

Die Referentin für Osteuropa und Zentralasien der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Carmen Krusch-Grün sagte: „Das kleine christliche, ethnisch homogene Bergvolk wurde Spielball der großen Geopolitik und Opfer einer ethnischen Säuberung Aserbaidschans“. Die Politikwissenschaftlerin führte in die Geschichte des Konflikts ein. Sie erinnerte daran, dass Bergkarabach in der Zeit der Sowjetunion unter Stalin, das „fast zu 100 Prozent von Armeniern besiedelt war“, als autonomes Gebiet der aserbaidschanischen Sowjetrepublik zufiel.

Das armenische Siedlungsgebiet wurde lediglich aus bürokratischen Gründen zu Sowjetzeiten in mehrere Teile zerschlagen – mit fatalen Folgen. In der Zeit von Glasnost und Perestroika sahen die Armenier ihre Chance für eine völlig gerechtfertigte und historisch bestens begründete Wiedervereinigung. Es gab 1988 die größten Massenproteste in der Geschichte der Sowjetunion, mit denen die Spannungen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern wieder aufflammten. Die Preisträgerin Jasmine Dum-Tragut war damals Zeugin dieser historischen Ereignisse, dies wurde der Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn.

Text: Stephanus-Stiftung

(sig)



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