Regensburg, 9. August 2022
Beim Synodalen Weg der deutschen Bistümer geht es in bestimmten Texten, über die in der letzten Synodalversammlung (3. - 5. Februar 2022) abgestimmt wurde, auch um die Bedeutung des bischöflichen Lehramtes in der Kirche. Im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte waren führende Theologen zugleich Bischöfe, d.h. Träger des kirchlichen Lehramtes. Seit der Etablierung der Universitäten im Mittelalter stehen das Lehramt der Bischöfe und das der universitären Theologie in einem gewissen Spannungsverhältnis. Auf der gemeinsamen Basis des in der Heiligen Schrift und in der apostolischen Tradition grundgelegten Glaubens kommen den beiden Lehrämtern unterschiedliche, aber aufeinander bezogene Aufgaben zu. Die wissenschaftliche Theologie versucht vor allem durch historische Forschung und im Dialog mit anderen Wissenschaften den Glauben tiefer zu ergründen und jeweils neu zu erschließen. Das kirchliche Lehramt hingegen legt – auch im Licht der Erkenntnisse der theologischen Forschung – den Glauben jeweils neu als zu glauben vor und wacht darüber, dass dieser Glaube in Treue zum Ursprung und in seiner Substanz gewahrt bleibt.
Theologie muss eingebettet sein in den kirchlichen Gesamtvollzug des Glaubens, Lebens und Betens
Die beiden Lehrämter sind insofern auch personal aufeinander bezogen, als immer wieder akademische Lehrer der Theologie zu Bischöfen berufen werden. Mit Papst Benedikt XVI. saß sogar ein ehemaliger deutscher Universitätsprofessor auf dem Stuhl Petri. In der Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ spricht das Zweite Vatikanische Konzil auch davon, dass die Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt im Verständnis des überlieferten Glaubens kennt. Dabei wird die wissenschaftliche Theologie nicht eigens genannt, sondern allgemein unter „Studium“ miterfasst, wenn es in „Dei Verbum“ (Nr. 8) heißt: „Es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. Lk 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben.“ Die wissenschaftliche Theologie muss also immer eingebettet sein in einen kirchlichen Gesamtvollzug des Glaubens, Lebens und Betens.
Der in der Synodalversammlung im Februar 2022 in zweiter Lesung verabschiedete „Orientierungstext“ nimmt demgegenüber eine deutliche Kompetenzverschiebung vor, wenn die Aufgabe des bischöflichen Lehramtes auf den formalen Aspekt beschränkt wird, die Verbindlichkeit der Heiligen Schrift zu bezeugen. Damit wird dem bischöflichen Lehramt seine Bedeutung als Auslegungsinstanz und das Recht und die Pflicht bestritten, seine Auslegungsvollmacht im Namen der Kirche wahrzunehmen, wenn Theologen die Schrift gegen das Glaubensbekenntnis und die Kirche interpretieren.
Pluralismus der Theologie
Bischof Stefan Oster hat darauf hingewiesen, dass in den Texten des Synodalen Weges zumeist von „der Theologie“ im Singular die Rede ist. Damit wird eine Einheitlichkeit und Einhelligkeit in der theologischen Forschung suggeriert, die dem tatsächlichen Pluralismus der Theologie widerspricht. Der Eindruck einer Theologie im Singular wird freilich dadurch hervorgerufen, dass in den entsprechenden Foren des Synodalen Weges eine sehr einseitige Auswahl von Theologinnen und Theologen vertreten ist und anderslautende Stimmen nicht berufen wurden bzw. abweichenden theologischen Stimmen die wissenschaftliche Dignität abgesprochen wird. Es zeichnet sich dabei ab, dass das Lehramt der Bischöfe durch das Lehramt einer einseitigen deutschen Universitätstheologie abgelöst werden soll.
Lehre der Kirche als Fundament, nicht als Abstimmungsgegenstand
Es wäre überaus notwendig, dass – im Blick auf die biblische Anthropologie, die katholische Sakramentenlehre, die Lehre von der Kirche als einer „apostolischen“ und als solchen auch „synodalen“ Kirche – die gültige kirchliche Lehre zur Sprache gebracht wird. Nicht zuletzt im Blick auf die Gestaltung des Miteinanders von Mann und Frau müsste die „Theologie des Leibes“ angenommen werden, wie sie Papst Johannes Paul II. in deutlicher Weiterentwicklung der bisherigen kirchlichen Lehre formuliert hat.
Entgegen den immer wieder erhobenen Beteuerungen, beim Synodalen Weg ginge es um legitime „Weiterentwicklungen“, haben wir es – so Bischof Rudolf Voderholzer – „in den meisten Fällen mit regelrechten Brüchen“ zu tun. So betont auch Papst Franziskus, dass in synodalen Prozessen die Lehre der Kirche als Fundament und nicht als Abstimmungsgegenstand betrachtet werden muss. Die Satzung des Synodalen Weges sieht immerhin vor, dass die Bischöfe den Texten mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen müssen, damit sie als vom Synodalen Weg verabschiedet gelten können. So haben die Bischöfe noch immer die Möglichkeit, bei den zur Debatte stehenden Glaubensfragen durch entsprechendes Abstimmungsverhalten ihr Lehramt auszuüben.
Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml
(Ansprechpartner für den Synodalen Weg im Bistum Regensburg)