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Zum Hochfest Christi Himmelfahrt

Die endgültige Anwesenheit Christi in der Welt

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Regensburg, 15. Mai 2023

„Himmelfahrt“ bedeutet, dass in Christus der Mensch auf eine unerhörte Art eingetreten ist in das Innere Gottes. Der Mensch findet für immer Heimat in Gott. „Der Himmel ist nicht ein Ort über den Sternen, er ist etwas viel Kühneres und Größeres: das Platzhaben des Menschen in Gott, das in der Durchdringung von Menschheit und Gottheit im gekreuzigten und erhöhten Menschen Jesus seinen Grund hat“ (Joseph Ratzinger, Christi Himmelfahrt, in: ders., Dogma und Verkündigung, Donauwörth 5. Aufl. 2005, 359).

Der Himmel ist eine Person

Christus, der Mensch, der in Gott ist, der ewig eins ist mit Gott, ist zugleich das immerwährende Offenstehen Gottes für uns Menschen. Christus selbst ist so das, was wir „Himmel“ nennen. Denn Himmel ist kein Raum, sondern eine Person, die Person dessen, in dem Gott und Mensch für immer untrennbar eins sind. Und wir gehen in dem Maß auf den Himmel zu, ja, in den Himmel ein, in dem wir zugehen auf Jesus Christus und eintreten in die Gemeinschaft mit ihm. Insofern kann „Himmelfahrt“ ein Vorgang mitten in unserem Alltag sein. Nur von daher ist es zu begreifen, wenn der Evangelist Lukas am Ende seines Evangeliums berichtet, die Jünger seien von der Himmelfahrt „in großer Freude“ (Lk 24,52) nach Jerusalem heimgekehrt.

Zeugnis geben für Christus

Sie verstanden das Geschehene nicht als Abschied; denn in diesem Fall hätten sie kaum „voll Freude“ sein können. Für die Jünger war Himmelfahrt und Auferstehung ein und dasselbe Ereignis: die Gewissheit, dass der Gekreuzigte lebte; dass der Tod, der den Menschen von Gott – dem Leben – abschneidet, besiegt war; dass das Tor des ewigen Lebens für immer geöffnet ist. So bedeutete „Himmelfahrt“ für die Jünger und Jüngerinnen Jesu nicht das, als was wir sie gewöhnlich missverstehen: die einstweilige Abwesenheit Christi von der Welt. Sie bedeutete ihnen vielmehr die neue, endgültige Form seiner Anwesenheit. Jesus sagt den Jüngern, dass sie den Heiligen Geist empfangen und seine Zeugen sein werden bis an die Grenzen der Erde. Sie sollen nicht in die Zukunft starren, nicht grübelnd warten auf die Stunde seiner Wiederkunft. Sie – und auch wir – sollen vielmehr erkennen, dass er gar nicht aufhört, immerfort bei ihnen zu sein; sie sollen erkennen, dass er – durch sie – immer intensiver in der Welt sein will: Die Gabe des Heiligen Geistes und die Aufgabe des Zeugnisses, der Verkündigung, der Mission sind die Weise, wie Christus jetzt und immer – bis zum Ende der Welt – auf Erden anwesend bleibt.

Der segnende Christus

Noch eine Notiz des Evangelisten Lukas scheint wichtig zu sein: Lukas sagt, dass Jesus die Hände ausbreitete und die Jünger segnete. Im Segnen entschwand er. Sein letztes Bild sind die ausgebreiteten Hände, die Gebärde des Segnens. Die Himmelfahrts-Ikone des christlichen Ostens, die im Kern bis in die früheste Entwicklung der christlichen Kunst zurückreicht, hat diese Szene zur eigentlichen Mitte des Ganzen gemacht. „Himmelfahrt ist Gebärde des Segnens“ (Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger, Der Beginn einer neuen Nähe, in: ders., Gottes Glanz in unserer Zeit. Meditationen zum Kirchenjahr, Freiburg 2005, 101). Die Hände Christi werden zum Dach, das uns schützt, und zugleich zur öffnenden Kraft, die die Tür der Welt nach oben hin auftut. Im Segnen geht er, aber auch das Umgekehrte gilt: Im Segnen bleibt er. Das ist fortan die Art seiner Beziehung zur Welt und zu jedem von uns: Jesus Christus segnet, er ist selbst Segen für uns geworden. So kann gerade dieses Wort am ehesten die Mitte des Ereignisses aufschließen und den seltsamen Widerspruch eines Abschieds klären, der große Freude hervorruft: Das Ereignis, das die Jünger erfahren hatten, war Segnung, und als Gesegnete gingen sie wieder weg, nicht als Verlassene. „Sie wussten, dass sie für immer Gesegnete waren und unter segnenden Händen standen, wohin immer sie gingen“ (ebd.).

Eine Bewegung nach oben

Christi Himmelfahrt ist also nicht ein bloß äußeres Schauspiel für die Jünger, sondern ein Vorgang, in den sie selbst, in den wir selbst hineingenommen sind. Es ist ein „Sursum corda“ („Erhebet die Herzen!“), eine Bewegung nach oben, in die wir alle hineingerufen werden. Die Himmelfahrt sagt uns, dass der Mensch nach oben hin leben kann, dass er der Höhe fähig ist. Die Höhe, die das eigentliche Maß des Menschseins ist, ist die Höhe Gottes selbst. Auf dieser Höhe kann der Mensch leben; nur von dieser Höhe her verstehen wir ihn richtig. Wir können den Menschen – uns selbst – nicht verstehen, wenn wir nur fragen, woher wir kommen. Wir verstehen den Menschen erst, wenn wir auch fragen, wohin er gehen kann. Erst von seiner Höhe her wird vollkommen klar, was der Mensch in der Tiefe seines Wesens ist; erst von daher wird klar, wer wir selbst sind. Nur wenn wir diese Höhe wahrnehmen, „erwächst uns eine unbedingte Ehrfurcht vor dem Menschen“ (ebd., 104). Nur von dieser großen Berufung des Menschen her wird es für uns möglich, uns selbst und den anderen Menschen wirklich zu lieben. Der Glaube bewahrt uns vor dem Vergessen. Er weckt in uns die Erinnerung an unseren Ursprung: Wir kommen von Gott her. Und der Glaube fügt die neue Erkenntnis hinzu, die sich mit der Himmelfahrt Christi ausspricht: dass der eigentliche Platz unserer Existenz bei Gott ist und dass wir immer von dorther die Berufung des Geschöpfes Mensch verstehen müssen.

Die Erinnerung an die Größe des Menschen

Unser christlicher Glaube legt das positive Grundmaß des Menschen wieder frei; und die Kenntnis dieses Grundmaßes ist der wirksamste Schutz gegen jede Verachtung und Versklavung des Menschen. Wir alle kennen unzählige Beispiele dafür, dass die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird. Die wirksamste Gegenkraft gegen die Geringschätzung des Menschen liegt in der Erinnerung an seine Größe, im Bewusstsein unserer Berufung vor Gott. Der Glaube an die Himmelfahrt Christi lehrt uns die Ehrfurcht vor dem Menschen. Dieser Glaube schenkt uns immer wieder neu die Freude, ein Mensch zu sein. In Christus steckt eine ungeheure Bewegung nach oben. Nur indem wir selbst aufblicken zu ihm, erkennen wir, wer Christus wirklich ist. Wenn wir die Kirchenväter lesen, wird da allerdings noch etwas Wichtiges hinzugefügt: „Das rechte Aufsteigen des Menschen geschieht gerade da, wo er in der demütigen Zuwendung zum anderen sich sehr tief zu bücken lernt, bis zu den Füßen herunter, bis zur Gebärde der Fußwaschung“ (ebd., 106 f). Gerade die Demut, die sich bücken kann, bringt den Menschen nach oben. Diese besondere Dynamik des Aufstiegs will uns die Himmelfahrt Jesu lehren.

Die Freude der Gesegneten

Kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück: Die Himmelfahrt hat die Jünger froh werden lassen. Sie wussten, dass sie Gesegnete waren. Dieses Wissen möchte die Kirche in den vierzig Tagen nach Ostern auch uns einprägen. Sie möchte, dass es auch für uns ein Wissen des Herzens werde, damit auch uns jene große Freude ergreife, die den Jüngern damals niemand mehr rauben konnte. Am 1. April 2005, einen Tag vor dem Heimgang Papst Johannes Pauls II., hat Joseph Kardinal Ratzinger in Subiaco einen Vortrag über das christliche Erbe Europas gehalten. Er hat diesen Vortrag mit folgenden Worten beendet: „Was wir in diesem Moment der Geschichte vor allem brauchen, sind Menschen, die Gott durch einen erleuchteten und gelebten Glauben in dieser Welt glaubhaft machen. … Wir brauchen Menschen, die den Blick geradewegs auf Gott richten und von dort die wahre Menschlichkeit begreifen. Wir brauchen Menschen, deren Verstand vom Licht Gottes erleuchtet und deren Herz von Gott geöffnet wird, so dass ihr Verstand zum Verstand der anderen spricht und ihr Herz die Herzen der anderen öffnen kann“ (zitiert nach: Die Tagespost vom 14. Mai 2005, 9).

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml

Bild: Andreas Praefcke

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