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Weltflüchtlingstag: Nika Krausnick von der Migrations- und Flüchtlingsberatung der Caritas im Interview

Es wird nicht weniger, sondern mehr

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Regensburg, 20. Juni 2023

Ende 2022 waren weltweit 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht: so viele wie nie. Schätzungen des UNHCR gehen davon aus, dass die Zahl dieses Jahr bereits auf 110 Millionen angestiegen ist. Wie können wir die Menschen integrieren, die bei uns ankommen? Eine Anlaufstelle: Die Migrations- und Flüchtlingsberatung der Caritas. Ein Interview mit Referatsleiterin Nika Krausnick.

Frau Krausnick, Sie leiten das Referat Migration und Integration der Caritas Regensburg. Wie lange machen Sie das schon und welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrer Arbeit?

Ich arbeite seit 2015 als Beraterin im Referat und habe dessen Leitung erst letztes Jahr im Februar von dem bisherigen langjährigen Leiter Josip Smoljo übernommen. In den Referaten werden fachspezifische Dienstleistungen vorgehalten, die Teilbereiche des Fachbereichs koordiniert und Spitzenverbandsaufgaben für die angeschlossenen Kreis-Caritasverbände übernommen. Ich fungiere sowohl als Leiterin des Referats Migration und Integration als auch als Expertin in diesem Fachbereich. Als Fachreferentin beim Diözesan-Caritasverband bin ich Ansprechpartnerin für alle, die in der Diözese in den und rund um die Migrationsberatungen arbeiten, sowohl zu Themen rund um die Abwicklung der Förderprogramme und deren inhaltliche Ausrichtung und Umsetzung als auch für fachliche Fragen rund um die Beratung. Außerdem stehe ich dem gerade neu entstehenden Team für psychosoziale Versorgung von Migranten und Migrantinnen mit fachlichem Rat zur Seite. Und dann leite ich natürlich das Regensburger Team.

Was gehört alles zu dem Referat Migration und Integration?

Zu dem Referat gehört die fachliche Betreuung aller Migrationsberatungsstellen in der Diözese, die Asylverfahrensberatung, die Flüchtlings- und Integrationsberatung und die Migrationsberatung für Erwachsene der Caritas Regensburg. Wir arbeiten vor Ort in zwei verschiedenen Beratungsstellen. Es gibt zum einen das Beratungszentrum des Referats selbst, dort sind drei Beraterinnen in der Asylsozialberatung für Menschen im Asylverfahren oder negativ beschiedenem Asylverfahren zuständig. In der Migrationsberatung für Erwachsene ab 27 Jahren arbeiten hier vier Mitarbeiterinnen, die Menschen mit Aufenthaltserlaubnis, EU-Bürger/innen und Spätaussiedler/innen beraten. Zum anderen existiert die Außenstelle in der Ankereinrichtung, der Erstaufnahmeeinrichtung der Caritas: dort beraten drei Flüchtlingsberater und -beraterinnen in einem gemeinsamen Team mit den Johannitern die Menschen, die hier untergebracht sind. Die Einrichtung hat eine Kapazität von 1600 Menschen. Außerdem gehört die Caritas-Kinderbetreuung im Anker Regensburg für die dortigen Kindergarten- und Vorschulkinder zu uns.

Wie unterstützt die Caritas zum Beispiel bei uns gerade angekommene Flüchtlinge? Wie hilft sie denen, die um ihr Aufenthaltsrecht bangen?

Viele Menschen kommen neu in Regensburg an, weil sie in Deutschland Asyl beantragen müssen und der Erstaufnahmeeinrichtung zugeteilt wurden. Diese Menschen kommen gerade erst von der Flucht und sie sehen sich mit einem großen bürokratischen Apparat konfrontiert. Die Menschen brauchen erstmal Orientierung in dieser neuen Welt. Genauso wichtig ist es aber auch, dass sie sich schnell soweit stabilisieren und informieren können, dass sie die Anhörungen im Asylverfahren bewältigen können. Unsere Beratungsstelle ist direkt in der Ankereinrichtung. Die Beratenden sind die ersten Ansprechpartner und helfen ganz praktisch. Sie informieren, helfen koordinieren, wenn es Schwierigkeiten gibt, suchen Lösungen bei speziellen Problemen, zum Beispiel bei besonderen Formen von Verfolgungsschicksalen, bei Problemen gesundheitlicher Art oder wenn die Familie über verschiedene Orte verteilt ist. Genauso wichtig wie der Einsatz für die Klienten durch Erklären und Anfertigen von Schreiben, durch Telefonate oder die Suche nach Rechtsbeiständen ist dabei das Verständnis, das Beistehen in dieser sehr schwierigen Lebensphase. Die Kinderbetreuung ist für die Kleinsten ein sicherer Ort, wo sie positive Erlebnisse haben können.

Im nächsten Schritt gilt es, die Menschen dabei zu unterstützen, sich zu integrieren: ihnen beim Zugang zur Sprache zu helfen, die Kinder in Schulen und Kindergärten zu vermitteln, alltägliche Probleme und Fragen aus der Welt zu räumen. Die Menschen, die im Asylverfahren zunächst keine positive Antwort erhalten haben, unterstützen wir dabei, den weiteren Rechtsweg zu beschreiten oder dabei, alternative Lebensentwürfe für sich zu finden. Die Menschen, die eine Anerkennung erhalten haben, haben neue wichtige Schritte vor sich: Wir unterstützen beim Familiennachzug, helfen im Umgang mit Sozialleistungen und auf dem Weg in Bildung und Arbeit. Während der Flucht musste alles andere zurückstehen. Sobald klar ist, dass die Menschen bleiben können, brechen oft ungeahnte Schwierigkeiten auf. Wir sind in dieser Zeit oft noch die erste und einzige Anlaufstelle für die Menschen.

Immer geht es dabei darum, die Menschen durch sozialpädagogische Beratung in die Lage zu versetzen, ihre Situation zu verstehen und mehr und mehr selbst meistern zu können.

Junge Frau stützt nachdenklich den Kopf auf die Faust

Nika Krausnick, Referatsleiterin der Migrations- und Flüchtlingsberatung der Caritas Regensburg.

Für dieses Jahr schätzt der UNHCR eine weltweite Flüchtlingszahl von jetzt schon 110 Millionen - mehr als jemals zuvor. Bemerken Sie diesen Trend auch in Ihrer Arbeit vor Ort?

Schon seit letztem Herbst merken wir deutlich, dass sehr viele Menschen nach Deutschland kommen. Zusätzlich verschärfen sich äußere Faktoren wie Wohnungs- und Fachkräftemangel, Nachwirkungen aus der langen Coronazeit, überlastete Behörden. Die Problemlagen werden zusehends komplexer. Wir haben schon jetzt weit mehr Beratungsgespräche als 2015 und befürchten angesichts der Lage auf der Welt, dass es eher mehr statt weniger werden wird. Die Berater/innen arbeiten permanent am Limit.

Viele Flüchtlinge kommen natürlich zurzeit aus der Ukraine, mit ein Grund, warum die Zahlen derzeit so steigen. Wie macht sich das bei der Flüchtlingsberatung der Caritas bemerkbar?

In Regensburg ist in den letzten Jahren eine vielfältige Unterstützungslandschaft entstanden. Der Krieg hat dieses Hilfesystem in Regensburg natürlich völlig unvorbereitet getroffen und in den ersten Monaten musste erstmal unglaublich viel organisiert und koordiniert werden, um die größtmögliche Hilfe auf die Beine stellen zu können. Daneben musste die Versorgung aller anderen zu Beratenden aufrecht erhalten bleiben. Inzwischen hat sich das eingespielt und die aus der Ukraine geflohenen Menschen sind auf uns unterschiedliche Beratungsstellen im Netzwerk aufgeteilt und fragen unsere Dienste nach.

Deutlich bemerkbar war, dass in diesem Fall alle Seiten besonders bemüht waren, so gut wie irgend möglich mit anzupacken: Zivilgesellschaft, Politik, Behörden. Einiges, das für andere nicht funktioniert, wurde hier möglich. Wir Flüchtlingsberater/innen sehen uns bestätigt: manches könnte für Migranten und Migrantinnen und die Gesellschaft besser laufen, wenn für alle Menschen, egal woher sie kommen, die Restriktionen niedriger und der Einsatz gleich hoch wäre.

Im Feld der Migration gibt es immer wieder sehr plötzlich große Veränderungen, sei es aus schrecklichen Gründen wie Katastrophen, die Fluchtbewegungen auslösen, oder aus positiven, weil die Menschen immer mobiler werden und sich neue Möglichkeiten auftun. Dass alles immer im Fluss ist – Menschen, Entwicklungen, Gesetze – ist ein sehr herausfordernder Teil unserer Arbeit, aber auch ein sehr spannender.

Interview: Katharina Winterlich

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