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Vortragsabend mit Podiumsdiskussion über Gentechnik

Wie kann ein verantwortungsbewusster Umgang gelingen?

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Regensburg, 21. Februar 2024

Der Einsatz von Gentechnik hat in den letzten Jahrzehnten große Bedeutung erlangt, insbesondere in der Landwirtschaft, der Medizin und der Industrie. Trotz ihrer vielversprechenden Möglichkeiten gibt es Bedenken und ethische Fragen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Zu den Möglichkeiten und Risiken von Gentechnik und zu ethischen und religiösen Fragestellungen hat die Pressestelle des Bistums Regensburg in Zusammenarbeit mit dem Forum Albertus Magnus am Dienstag, 20. Februar zu einer Veranstaltung mit dem Thema: „Die Welt wartet nicht bis wir bereit sind - Verantwortungsbewusster Umgang mit der Gentechnik“ ins Diözesanzentrum Obermünster geladen.

Zu Vorträgen geladen waren Dr. Thomas Diefenthal, Geschäftsführer des BioPark Regensburg und Prof. Dr. mult. Nikolaus Knoepffler, der den Lehrstuhl für Angewandte Ethik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena innehat und Präsident des Global Applied Ethics Institute ist. Keynotes zu den Themen Tierversuche und Leihmutterschaft lieferten Stefan Rehder, Die Tagespost, und Cornelia Kaminski, Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle, (ALfA e.V.). Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Prof. Dr. Michael Nerlich, ehemaliger Klinikleiter für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg. Organisiert hatte die Veranstaltung Stefan Groß.

„Gentechnik ist aus Medizin, Pflanzenbau und Tierzucht nicht wegzudenken“

Dr. Thomas Diefenthal brachte den Zuhörern die Möglichkeiten der Gentechnik generell und die Schwerpunkte am Forschungsstandort Regensburg nahe. Im Bereich Arzneimittelherstellung sei die Zahl der gentechnisch produzierten Medikamente exponentiell gestiegen seit der Produktion des humanen Insulins vor 40 Jahren. „Gerade in der Krebsforschung hat die Gentechnik maßgebliche Meilensteine erzielt. In den nächsten 20 Jahren werden wir erleben, dass etwa 80 Prozent der Therapien gegen den Krebs aus der Gentherapie kommen werden. Mittels eines Screening-Verfahrens einer bekannten Pharmafirma mit Sitz u.A. in Penzberg südlich von München kann der Darmkrebs früh erkannt werden. Die Firma produziert auch eine erfolgreiche „personalisierte“ Antikörper-Therapie gegen Brustkrebs, bei der Menschen, die Träger des Brustkrebs-Gens sind, gezielt behandelt werden können“, so Diefenthal. Durch die sogenannte Genschere-Therapie (CRISPR/Cas9) könnten Pflanzen, Tiere, Bakterien und auch der Mensch Eigenschaften erhalten, die sie vorher nicht hatten oder Eigenschaften verlieren, die sie vorher hatten, beispielsweise eine Erbkrankheit. In Regensburg stünde sie bei der Heilung der Sichelzellanämie und beta-Thalassämie kurz vor der Zulassung, so der Referent. Nicht nachvollziehen kann er, wenn die Gentechnik in der Medizin bejubelt, in der Landwirtschaft aber abgelehnt wird. Was in der Pflanzenzucht mit der klassischen Züchtung 25 Jahre dauert, schaffe die Gentechnik in ein bis zwei Jahren. „Früher war die Angst sicherlich berechtigt, nicht zu wissen, was da passt. Heute ist die Technik viel weiter. Die Entwicklung von trockenresistenten Pflanzen etwa, die im Zuge des Klimawandels immer dringender wird, wird aus Zeitgründen nur mit der Gentechnik gelingen“, so der Geschäftsführer des BioParks. Auch in der Tierzucht käme man um die Gentechnik nicht herum, um die Nahrungsmittelknappheit einiger Länder zu lösen, und das käme gerade der biologischen Landwirtschaft zu Gute. „Gentechnik abzulehnen wäre konsequent, wenn wir die Produkte nicht importieren und konsumieren würden, aber Sie alle tragen ein Baumwollprodukt, das gentechnisch hergestellt wurde und wenn Sie außerhalb von Europa essen, essen Sie genetisch Verändertes“, so Diefenthal. Die Schattenseiten der gentechnischen Möglichkeiten verschweigt er nicht. In Zeiten der Globalisierung stimmten ethische Vorstellungen in Deutschland oder im westlichen Europa nicht unbedingt mit denen in anderen Teilen der Welt überein. Zudem könne man jede Technologie missbrauchen. „Denken Sie etwa an amerikanische Unternehmen, die aus Gründen der Mitarbeiterbindung ihren weiblichen Angestellten das Einfrieren ihrer Eizellen anbieten, damit diese länger arbeiten können oder an Versicherungen, die scharf darauf sind, zu wissen, ob Kunden mit einem Krebs-Gen ausgestattet sind.“

Die Offenheit für Gott bleibt von jeder Optimierung unberührt

Prof. Dr. mult. Nikolaus Knoepffler durchleuchtete die Frage nach der Gentechnik unter ethischen und religiösen Gesichtspunkten. Er nahm als ethischen Bezugsrahmen die Menschenwürde als international anerkanntes Prinzip, das das Recht auf Leben, zu Selbstbestimmung und Gerechtigkeit mit sich bringt. Im medizinischen Bereich bedeute dies: der Mensch hat einen Anspruch auf Fürsorge und einen Anspruch auf Nicht-Schaden im Sinne von einer Güterabwägung. Risiken müssten bewertet, ungefährliche Alternativen bevorzugt werden – und grundsätzlich muss der Nutzen einer Behandlung größer sein als der Schaden. Darüber hinaus sei der Einsatz von Gentechnik auch unter einem Gerechtigkeitsaspekt zu betrachten, wenn etwa Therapien, um refinanziert zu werden, exorbitant teuer sind. Was Tiere angeht, müsse der Tierschutz berücksichtigt werden und Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit ebenfalls. „Es ist eine sehr billige und falsche Möglichkeit, nur ja oder nur nein zur Gentechnik zu sagen“, so Knoepffler. Wie ist Gentechnik zum Zwecke der Optimierung zu bewerten, wie sie auf dem Schönheitsmarkt angeboten wird? Wie Eingriffe in die Keimbahn, die Auswirkungen auf künftige Generationen haben? Wie sind Experimente am frühen Embryo zu bewerten auch dann, wenn sie dem Zwecke dienen, schwere Erbkrankheiten zu identifizieren und beseitigen? In Jena werde am Fadenwurm C. elegans erforscht, welche Mechanismen Alzheimer auslösen, um geeignete Therapien zu entwickeln. Dabei sei es gelungen, die Lebensdauer des Wurms von 40 auf 200 Tage zu erhöhen. Diese Möglichkeit bestünde theoretisch auch beim Menschen und die spannende Frage sei: Darf ich ohne die Einwilligung meiner Kinder deren Lebensspanne verlängern? An diesem Beispiel könne man die große Dimension erkennen von Eingriffen in die Keimbahn. „Sie können eine Entscheidung für sich treffen und sagen, ich heirate nicht. Ende Gelände? Sie können aber auch für sich und für ihre Nachkommen entscheiden. Sie können es als Eltern entscheiden, Sie können als Gruppen entscheiden, als Staat.“ Die grundsätzliche anthropologische Frage sei: Was ist der frühe Embryo? Ist der frühe Embryo dasselbe wie der geborene Mensch oder der entwickelte Embryo? Knoepffler zieht Aussagen sowohl der Biologie als auch der drei großen Weltreligionen heran, um dieser Fragestellung auf die Spur zu kommen. Er endet mit dem Vorsichtsargument der katholischen Lehre. „Wir wissen es nicht genau, aber aus Vorsichtsgründen sollten wir annehmen, dass der Mensch als Mensch beginnt, wenn sich das Erbgut von Ei und Samenzelle vereinigt und darum sollten wir den frühen Embryo behandeln wie einen geborenen Mensch und damit haben wir ein grundsätzliches Tötungsverbot.“, so der Ethiker. Knoepffler schließt mit einem Gedanken von Jürgen Habermas: Das, was den Menschen ausmacht, ist die Offenheit für Gott, für das absolute, heilige, liebende Geheimnis und das sei von jeder Optimierung – weil nur eine vorläufige - unberührt. „Diese prinzipielle Offenheit, diese Fähigkeit, auf Gott zu hören, ist jetzt schon gegeben, ohne jede Optimierung.“

Sollten Tierversuche verboten werden?

Stefan Rehder diskutierte die Frage, ob Tierversuche verboten werden sollten. Er positioniert sich nicht gegen Tierversuche, fordert aber Rahmenbedingungen: Für Christen seien Tiere Mitgeschöpfe, die unserer Obhut und Sorge anvertraut sind. Im Unterschied zum Menschen seien sie nicht Ebenbild Gottes und besäßen daher nicht jene Würde, die dem Menschen zukommt. Die Fähigkeit des Menschen, sich als einziges Lebewesen moralisch zu verhalten zu können, begründe seinen herausgehobenen Status und verpflichte ihn zugleich zum Beispiel dazu, bei bestimmten Formen der Massentierhaltung oder des Fischfangs nach besseren Lösungen Ausschau zu halten und diese auch dann zu etablieren. Die Frage, ob man an Tieren forschen dürfe beantwortet Rehder mit einem „Es kommt auf das Wozu? und das Wie? an“. Die Rechtsprechung in Deutschland hält er für zufriedenstellend, denn Tierversuche würden in Deutschland nur dann genehmigt, wenn alternative Methoden bevorzugt werden, wenn nur die absolut notwendige Anzahl an Versuchen durchgeführt wird und wenn die Versuche so gestaltet werden, dass die Tiere so wenig wie möglich leiden. Außerdem müssten in Deutschland sämtliche Arzneien, die mit Hilfe von Tierversuchen entwickelt wurden, mit einem entsprechenden Hinweis auf der Packung versehen werden.

Leihmutterschaft ein riesiger, finanzgetriebener Markt

Cornelia Kaminski informiert über das Thema Leihmutterschaft und positioniert sich klar dagegen. Zum einen wegen der prekären Situation der Leihmutter, zum anderen wegen der Folgen für die Kinder. Auch wenn die Rechtsprechung in Deutschland eine andere sei, müsse man das Problem global betrachten: Mittlerweile sei ein riesiger, finanzgetriebener Markt entstanden, auf dem Jede und Jeder zur Leihmutterschaft greifen könne. Die Frauen, die sich als Leihmütter zur Verfügung stellen, würden genauestens durchleuchtet und unterlägen strengen Auflagen, die von der medizinischen Vorgeschichte über ihr psychologisches Befinden, ihr soziales Netzwerk, ihre Bildung bis zu möglichen Straftaten gehen. Sie müssten sich vertraglich mit Abtreibung einverstanden erklären, unabhängig vom Grund. „Wir haben eine ukrainische Leihmutter betreut, bei der sich die künftigen Eltern nicht mehr gemeldet haben – möglicherweise, weil der Krieg begonnen hatte. Die Agentur hat der Frau, die übrigens im vierten oder fünften Monat schwanger war, daraufhin gesagt, sie müsse abtreiben.“, so Kaminski. Auch mit einer Reduktion der Bezahlung müssten sich Leihmütter abfinden wenn das „Produkt“ fehlerhaft sein. Die Bestelleltern hingegen hätten ein Recht auf Anwesenheit bei Geburt, ein Recht auf Zustimmung bei bestimmten medikamentösen oder medizinischen Behandlungen, könnten den Aufenthaltsort der Frau bestimmen und ob sie reisen darf oder nicht und könnten ein Arbeitsverbot erwirken. „Mit anderen Worten, die Bestelleltern werden überhaupt nicht durchleuchtet und auch nicht, in was für eine Familie das Kind kommt.“ Die Folgen für die Kinder hält Kaminski für katastrophal: „Wir haben Tierschutzgesetze, die besagen, dass ein Welpe mindestens acht Wochen bei seiner Mutter bleiben muss. Bei einer Leihmutterschaft nehmen wir im Kreissaal das Neugeborene der Frau weg und wenn wir wissen, wie eng die Beziehung ist zwischen einem Baby im Bauch der Mutter und seiner Mutter ist, dann ist das für die Kinder hoch traumatisch.“

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion wurden die unterschiedlichen Aspekte kurz aber kontrovers diskutiert, bevor der Abend am Buffet ausklang.

Text: Silke Schötz

(SSC)



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