News Bild Vom "schwarzen" zum "weißen" Dom - die Außenrenovierung des Regensburger Doms (1989-2010)

Vom "schwarzen" zum "weißen" Dom - die Außenrenovierung des Regensburger Doms (1989-2010)

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Der Kunsthistoriker Dr. Achim Hubel ist emeritierter Professor für Denkmalpflege und kennt den Regensburger Dom wohl wie kein anderer. Er referierte am Dienstagabend, dem 22.10. 2019 im Regensburger Runtingersaal über die aufwendige Außensanierung des Regensburger Wahrzeichens, die an vielen Stellen ganz Verblüffendes zutage förderte.

Am Anfang war alles wüst und grau. Nein, das stimmt so nicht – im Mittelalter erstrahlte der Dom in schönstem Weiß. Doch dann kamen Kaminrauch, Industrialisierung, Eisenbahn, Abgase, der saure Regen und der Taubenkot. Dies alles setzte dem Dom so zu, dass er mit den Jahren ganz grau und schwarz wurde. Seit dem späten 19. Jahrhundert war der Regensburger Dom derart ergraut, dass bei der Generalsanierung der beiden Turmspitzen, die in den 1950er Jahren unabdingbar wurde, dem verwendeten weißen Kunststein graues Granulat beigemischt werden musste. Ganz einfach aus dem Grund, damit sich die neuen Spitzen nicht zu sehr von dem Dunkel der Kathedrale abheben.

 

Ungeschminkte Wahrheiten: Der Dom trägt eine Gipsmaske

Dass die Außenfassade immer dunkler wurde, ist zunächst ein ästhetisches Problem. Doch wie so oft liegt erst unter der hässlichen schwarzen Kruste des Pudels Kern. Und dieser lautet Zersetzung. Die Schadstoffe aus der Luft prasseln auf den Kalkstein ein und bilden einen Film aus Kalziumsulfat auf dem Stein. Bei Regen wird zwar ein Teil dieser Kruste wieder weggewaschen, doch gelangt kein Regen auf den Stein, so bildet sich eine schwarze Gipskruste auf dem Stein. Diese Gipskruste ist sehr viel härter als der Stein, den sie umschließt. Bei Temperaturschwankungen dehnen sich Stein und Kruste unterschiedlich aus. Die Gipskruste platzt ab, der weiche Kalkstein im Inneren wird dauerhaft geschädigt und verliert an Substanz. Mit dem Resultat, dass der ursprünglich so kunstvoll bearbeitete Kalkstein seine Oberflächenstruktur verliert und all die schönen Figuren und Reliefs für immer zerstört sind.

Rotieren und Sanieren

In den 1980er Jahren wurde es der staatlichen Dombauhütte dann zu bunt. Oder besser: zu schwarz. Nach der Innenrestaurierung des Doms (1985-88) widmete man sich von 1989 an der Außenrestaurierung, was aber gar nicht so einfach war. Der an vielen historischen Bauten früher so oft bemühte Sandstrahler kam nicht in Frage. Zu grob, er würde noch mehr Schaden anrichten. Stattdessen vertraute man einem neuen Verfahren, das die Gipskruste schonender zu entfernen versprach: Das Rotationswirbelverfahren, das mit Wasser und Mikrogranulat dem schädlichen Gips zu Leibe rücken und den ursprünglichen Stein wieder zum Strahlen bringen sollte. Geeignet war dieses Verfahre jedoch nur bedingt. Vornehmlich glatte und größere Oberflächen konnten damit wieder zum Strahlen gebracht werden. Was aber sollte man mit der Westfassade und ihrem kunstvollen Hauptportal anstellen? Zu filigran und zahlreich waren die Figuren und Reliefs. Das Rotationswirbelverfahren würde all die kunstvollen die Figuren an Schärfe verlieren lassen.

 

Schwarz, Weiß, Bunt – Verjüngung durch Schönheitsbehandlung

In Bamberg, der Hochburg für Restauration und Denkmalpflege, wurde ein neues Verfahren erdacht: Mit Kohlenstofftrioxid versehene Kompressen, die auf die hartnäckigen Gipskrusten der Figuren gelegt wurden. Sieben Tage Einwirkzeit und die Kompressen konnten vorsichtig abgenommen werden. Jetzt geschah das Wunderbare oder einfach nur eine chemische Reaktion: Mit den Kohlenstofftrioxidkompressen verschwand die Kruste und das schädliche Sulfat und förderte den ursprünglichen Stein zutage. Und der war nicht immer weiß. Die im schönen oder weichen Stil gefertigten Figuren aus dem frühen 15. Jahrhundert erschienen wie marmorn und waren teilweise sogar bunt bemalt. Die ursprüngliche Farbgebung kam zutage. Der Heilige Petrus im Hauptportal etwa war ganz bunt bemalt. Teile seiner Insignien waren sogar vergoldet. Mit dem schonenden Verfahren gelangten die 170 Figuren im Hauptportal wieder zu ihrer ursprünglichen Schönheit. Tatsächlich brachte erst diese aufwendige Reinigung des Doms die hervorragende Bildhauereikunst und damit seinen wahren Wert ans Licht. Man entdeckte zahlreiche hervorragend komponierte Szenen wie die Geburt und den Tod Mariens, die Inthronisation der Muttergottes mit aufwendigen Details und Symbolen. Auch kuriose Tiere, heitere Szenerien sowie der Dombaumeister Wenzel Roritzer selbst und seine Frau sind im Portal zu erkennen.

Grünweißer Flickenteppich und schwarze Schlieren

Schwarz, Weiß, Bunt. Schön und gut, aber warum sind nach der Reinigung an vielen Stellen noch grüne Steinquader in der Fassade? Auch das erklärte Hubel ausführlich. Tatsächlich ging im 15. Jahrhundert der Kalkstein aus. Nun musste an einigen Stellen mit Grünsandstein weiter gebaut werden. Manchmal wurde er mit weißer Farbe übertüncht, die sich allerdings bis heute nicht erhalten konnte. Daher die einzelnen grünen Flecken. Die Turmgeschosse des Nordturmes aber waren ursprünglich ganz in grün gebaut. Da sich der Sandstein aber schneller zersetzte, als der weiße Kalkstein, musste er seit den 1880er Jahren sukzessive wieder durch Kalkstein ersetzt werden. Heute erscheint der Nordturm daher wieder heller.

Der Dom ist wieder so, wie er einmal war, die schwarzen Gipskrusten gehören der Vergangenheit an und saurer Regen ist Geschichte. Er kann keinen Schaden mehr anrichten. Ist das nun das glückliche Ende der Geschichte? Leider nein, denn seit der Beendigung der Restaurierung (2010) wird ein neues Problem sichtbar: Vornehmlich an der Südseite bilden sich schwarze Schlieren auf dem weißen Stein. Es handelt sich hierbei um Reifenabrieb, Feinstaub und Schadstoffe, die dem regen Autoverkehr um den Dom zuzuordnen sind. Hubel postuliert daher vehement eine autofreie Zone rund um die Kathedrale – so wie es in allen Städten mit bedeutenden Bauwerken schon längst der Fall ist.

 

Exkurs nach St. Jakob

An dieser Stelle endete der eigentliche Vortrag von Dr. Hubel. Doch er wäre kein waschechter Denkmalpfleger, wenn er nicht noch auf ein weiteres Regensburger Sorgenkind aufmerksam gemacht hätte: Das Schottenportal von St. Jakob. Die Gipskruste an dem figurenreichsten Portal Deutschlands muss schnellstens entfernt werden. Bereits 1984 war das Problem hinlänglich bekannt. Es war Hubel selbst, der auf die Korrosion des Kunstwerkes aufmerksam machte. Zwar wurde eine Vorhalle zum Schutz des Portals errichtet, doch seitdem hat sich der Zustand des Denkmals wieder stark verschlechtert. Jetzt müsse schnell gehandelt werden, forderte Hubel zuletzt. Dann wird das Portal mit dem Dom um die Wette strahlen.



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