Bayerisches Wappen an einer orgel

Ludwig I. und der Benediktiner Bonifaz Wimmer

Wie ein bayerischer Mönch die USA eroberte


Regensburg, 15. Mai 2025

Ludwig I., um den sich die Bayerische Landesausstellung 2025 dreht, spielt eine Rolle bei der Entstehung der ersten Benediktinerniederlassung in den USA: der Erzabtei St. Vincent, die von Bonifaz Wimmer gegründet wurde.

Am 24. Oktober 1846 traf der in Thalmassing bei Regensburg geborene Benediktinermönch Bonifaz Wimmer (1809‑1887) aus der Abtei Metten mit einer stattlichen Gruppe von Gefährten nach einer mehrwöchigen Schiffsreise im Städtchen Latrobe bei Pittsburgh in Pennsylvania ein. Die dortige Pfarrei St. Vincent hatte ihm ein größeres Grundstück für die geplante Gründung einer benediktinischen Niederlassung in Aussicht gestellt. Er gründetet damit die erste Benediktinerniederlassung in ganz Amerika. 

König Ludwig I. hat den Benediktiner Bonifaz Wimmer von Anfang an und mithilfe des von ihm gegründeten Ludwigmissionsvereins (heute missio München) finanziell und ideell unterstützt. So hat das Kloster ein eigenes Kunstmuseum, dessen Grundbestand auf Schenkungen Ludwigs I. zurückgeht. Deshalb verwundert es nicht, dass die Erzabtei St. Vincent in ihrem Wappen auch die weiß-blauen Rauten trägt. Das Haus Wittelsbach ist bis heute der Kongregation eng verbunden. Mittlerweile ist St. Vincent als Erzabtei Zentrum einer weltweit ausstrahlenden Benediktinerkongregation mit Abteien in ganz Amerika und Asien.

171 Jahre später auf den Tag genau besuchte mit Bischof Rudolf Voderholzer erstmals ein Regensburger Bischof diesen Ort – im Verlauf einer Vortragsreise durch die USA.

Wir dokumentieren hier den Text „Bonifaz Wimmer (1809-1887). Erzabt von St. Vincent” von Marianne Popp aus „Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg Bd. 23/24 II.”

Der „niederbayerische Bonifatius“, so wurde Bonifaz Wimmer einmal genannt und dies mit Recht. Zum einen abgeleitet von seinem Herkunftsort, zum ändern von seiner späteren und reiche Frucht tragenden Missionstätigkeit in Nordamerika. Geboren wurde er am 14. Januar 1809 in Thalmassing bei Regensburg als Sohn des Tafernwirtes Peter Wimmer und dessen zweiter Ehefrau Elisabeth, einer geborenen Lang aus Langenerling, und auf den Namen Sebastian getauft. Es war eine unheilvolle Zeit, in der Wimmer das Licht der Welt erblickte. Der Sturm der Säkularisation zu Beginn des Jahrhunderts hatte in die bayerische Klosterlandschaft tiefe Wunden gerissen, Klöster und Stifte, die ältesten Träger christlicher Kultur, waren zerschlagen. Und nun zogen die Truppen Napoleons über Bayern hinweg. Der kleine Sebastian Wimmer war gerade drei Monate alt, als Franzosen und Österreicher in unmittelbarer Nähe seines Geburtsortes am 22. April 1809 bei Eggmühl aufeinanderstießen und den österreichischen Truppen eine vernichtende Niederlage zugefügt wurde. Aus den Erzählungen der Alteren wird er diese dramatischen Ereignisse in sich aufgesogen haben.

In einer Zeit, die dem Glauben und religiösen Eifer wenig wohl gesinnt war, hatte Wimmer das Glück, in einem tieffrommen Elternhaus aufzuwachsen, das seine Erziehung formte und seinen späteren Lebensweg vorzeichnete. Da er in den geistlichen Stand treten wollte, schickten ihn seine Eltern auf das Gymnasium nach Regensburg, wo er die besten Zeugnisse erhielt. So heißt es in einem: „Die Natur hat ihn mit vorzüglichen Geistesgaben ausgestattet... In seinen mündlichen Antworten zeigt er Besonnenheit und Reife des Verstandes . . . Seine Sitten sind unverdorben, sein äußeres Benehmen ist offen, ungezwungen und gesetzter, als man es von seinen Jahren erwarten dürfte.“ Nach Abschluß des Gymnasiums studierte er 1826 bis 1827 am Lyceum - wie damals die Hochschule genannt wurde - in Regensburg Philosophie und trat dann an die Universität in München über, wo er u. a. Görres, Döllinger und Schelling hörte. Doch das freie Leben eines „Stadtstudenten“ schien ihm zu imponieren; vor allem seit er in das „Corps Bavaria“ eingetreten war, beschäftigte ihn seine studentische Verbindung und die Kneipe mehr als das Studium. Wie so viele andere Studenten mußte er am Ende des Semesters nicht nur bedeutende Lücken im Geldbeutel, sondern in den zum Examen nötigen Kenntnissen feststellen. Er dachte daran, die Theologie daranzugeben und statt dessen Rechtswissenschaft zu studieren. Mehr noch, seit sich 1821 die Griechen gegen die Türkenherrschaft erhoben hatten, ging eine Woge des „Philhellenismus“ durch die Länder, und Wimmer hatte sich zweimal gemeldet, als Freiwilliger am Befreiungskampf teilzunehmen. Allerdings schlugen diese Versuche fehl.

Daß Wimmer doch wieder zum Studium der Theologie zurückfand, lag in zwei Fakten begründet. Schon zu Beginn seines Studiums in München hatte er sich um eine Freistelle im herzoglichen „Georgianum“ beworben, jedoch ohne Erfolg. Im Januar 1827 starb sein Vater, und damit dürften die finanziellen Zuwendungen noch spärlicher geflossen sein. Vielleicht aus diesem Grund kam ganz überraschend die Zusage, daß er doch einen Seminarplatz im Georgianum erhalte, dessen Stiftungszweck es ja war, Freistellen für bedürftige Studenten der Theologie zu schaffen. Wimmer nahm diese Chance, wenn auch anfänglich zögernd, wahr und trat in das Georgianum ein. Damit war die Entscheidung gefallen, er bereitete sich auf den Priesterberuf vor. In seinem letzten Studienjahr kehrte er nach Regensburg in das Klerikalseminar zurück „wo er in Regens Georg Michael Wittmann“ - dem späteren heiligmäßigen Bischof von Regensburg - „einen von ihm hochverehrten Seelenführer fand“. Am 1. August 1831 erhielt er durch Bischof Wittmann im Regensburger Dom die Priesterweihe. Zu dieser Zeit hatte die Diözese Regensburg mehr Priester als Seelsorgstellen, eine überraschende Feststellung, wenn man an die schweren Sorgen denkt, die nur dreißig Jahre später der Priestermangel Bischof Senestrey bereitete. Dagegen herrschte im Bistum Passau im Jahre 1831 eklatanter Priestermangel. So wurde Wimmer mit sieben weiteren Neupriestern in die Nachbardiözese entsandt. Zunächst kam er als Kurat an die Wallfahrskirche in Altötting, gleichzeitig mußte er in benachbarten Pfarreien Aushilfen leisten. Aber hier, in dem altbayerischen Gnadenort, fühlte er in sich die Berufung zum Ordensstand aufkeimen. 1832 trat er zusammen mit Gregor Scherr, dem späteren Erzbischof von München und Freising, in das erst 1830 von König Ludwig I. wiederhergestellte Benediktinerkloster Metten ein. Nach einem Jahr des Noviziats legte er am 29. Dezember 1833 die Ordensgelübde ab und erhielt den Ordensnamen Bonifatius.

In den folgenden Jahren hat er zahlreiche Stationen durchlaufen. Zunächst, von 1833-1835, war er Kooperator in der Pfarrei Edenstetten, die von Metten aus pastoriert wurde. Im Oktober 1835 wurden einige Patres von Metten, darunter auch Boni- faz Wimmer, an das neu gegründete Benediktinerkloster St. Stephan in Augsburg ab­ geordnet, um dort an dem geplanten Vollgymnasium Unterricht zu halten. Zu Beginn des Septembers 1836 kehrte Bonifaz Wimmer von Augsburg nach Metten zurück und hier setzte er sich kräftig gegen die von der Regierung ausgehenden Bestrebungen ein, alle Häuser der bayerischen Benediktiner der neuen Abtei St. Stephan in Augsburg zu unterstellen und Metten zu einem Priorat herabzuwürdigen. Nach seiner Rückkehr übernahm Wimmer wieder die Seelsorge in Edenstetten. Ein Jahr später wurde er Pfarrer in Stephansposching. 1838 eröffnete das Kloster Scheyern wieder seine Pforten. Prior Rupert Leiss erbat sich von Metten einen praktischgesinnten Mönch, der die zeitlichen Güter in der neuen Kommunität verwalten konnte. Prior Gregor Scherr sah nur in P. Bonifaz Wimmer eine dieser Aufgabe gewachsene Persönlichkeit. So zog er ihn von der Pfarrei Stephansposching ab und Wimmer ging für ein Jahr nach Scheyern. 1840 hatte König Ludwig I. in München das nach ihm benannte „Ludwigs-Gymnasium“ errichtet und sein dringender Wunsch war es, daß Patres aus Metten den Unter­ richt übernehmen sollten. Im Sommer 1840 verließ Bonifaz Wimmer Scheyern, um an dem neugegründeten Münchener Gymnasium Latein und Griechisch zu lehren, zugleich war er Präfekt an dem Internat „Hollandeum“, dem späteren „Albertinum“.

Wimmers hellwacher Geist brachte viele neue Ideen und Anregungen hervor, so daß seine Mitbrüder ihn schon scherzhaft den „Planmacher“ oder „Projektemacher“ nannten. Zu diesen Projekten gehörte auch, die Gebäude des säkularisierten Benedik­ tinerklosters Mallersdorf wieder zu erwerben und dort eine Lateinschule für den klösterlichen Nachwuchs einzurichten. Dies scheiterte jedoch an dem Vorhaben des Königs, die Klöster Weltenburg und Andechs wiederaufzurichten, und an der Neugründung von St. Bonifaz in München.

Ein Gedanke, den Wimmer während seiner Münchener Tätigkeit gefaßt hatte, nahm je länger, je mehr Gestalt an und sollte seinen künftigen Lebensweg bestimmen, die Auslandsmission. Bereits 1822 war in Lyon ein Missionsverein errichtet worden, 1829 kam es in Wien zur Gründung des Leopoldinenvereins, nicht zuletzt aufgrund der ergreifenden Schilderungen des damaligen Generalvikars von Cincinnati und späteren Bischofs von Detroit, Friedrich Rese. In Bayern gelang ihm zunächst nicht mehr als die Bewilligung einer einmaligen Kirchensammlung. Aber der Funke hatte gezündet. 1838 wurde unter dem persönlichen Protektorat des Königs der Ludwig-Missionsverein gegründet. Sein Hauptaugenmerk richtete sich auf die Notlage der deutschen katholischen Einwanderer in Nordamerika. Arm, ohne die Sprache des Landes zu kennen, ohne Schutz und Recht, waren sie in die Neue Welt, das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ gezogen, in der Fioffnung, hier die goldene Freiheit, Geld und Glück zu finden. Deutsche katholische Priester fehlten fast vollständig, einige Weltgeistliche als Missionare konnten nur wie der Tropfen auf den heißen Stein wirken, die Gefahr war groß, daß sich die Neuankömmlinge, bar jeder geistlichen Führung, irgendwelchen obskuren Sekten anschlossen.

Zwei Ereignisse festigten in Bonifaz Wimmer die Überzeugung, daß seine Berufung in der Missionsarbeit lag. Da war zum einen der Wiener Kanoniker Josef Salzbacher, der Anfang der vierziger Jahre eine Informationsreise durch Nordamerika unternommen hatte und seine Beobachtungen und Erkenntnisse in einem 1845 erschienenen Buch niedergelegt hatte. Hierin schildert er die Lage der deutschsprachigen Einwanderer in den düstersten Farben. Nicht nur, daß sie verstreut in kleinen Gruppen lebten, mehr noch, daß sie oft über ein Jahr hinweg keinen Priester sahen. Den zweiten Ausschlag gab die Ankunft von P. Peter Lemke, der sich im Auftrag des Bischofs von Pittsburgh, Michael O ’Connor, auf seiner Bettelreise durch Europa befand. Lemke stammte aus Mecklenburg und war ursprünglich protestantischer Theologe gewesen, ehe er in Regensburg bei dem späteren Kardinal Diepenbrock konvertierte. Seit 1834 arbeitete er in der Mission von West-Pennsylvania. Lemke kam im Mai 1845 in München an. In seiner Selbstbiographie berichtete er später über diesen Aufenthalt: „Eines Tages saß ich bei den Mettener Benediktinern, die ein Gymnasium versehen, zu Mittag. Da wurde natürlich viel von Amerika und den dortigen kirchlichen Zuständen gesprochen und ich fragte gleichsam scherzweise, ob keiner von den Patres Lust hätte, mitzugehen." Bonifaz Wimmer war der Einzige, der sich zutiefst dafür interessierte, und Pater Lemke gab ihm den Rat: „Gehen Sie nicht als einzelner Missionär, sondern als Benediktiner! Sehen Sie zu, daß Sie noch etliche Ordensbrüder anwerben und suchen Sie um Erlaubnis und Bevollmächtigung nach, drüben ein Benediktinerkloster errichten zu dürfen . . . Ich habe drüben die Seelsorge über einen großen Distrikt und besitze privatim viel Land, so daß ich im Stande bin, Sie gehörig anzusiedeln.“

Als erstes mußte Bonifaz Wimmer für sich selbst die Erlaubnis erwirken, nach Amerika ausreisen zu dürfen. Und, dies war gar nicht so leicht. Abt Gregor Scherr stand den Missionsplänen sehr skeptisch gegenüber, ja, er hielt sie für Phantastereien. Auf Vermittlung des Münchener Nuntius Morichini wandte sich Wimmer zu Anfang des Jahres 1845 an die Congregatio de Propaganda Fidei in Rom, die oberste Missionsbehörde. Aber auch dort fand er kein Gehör. Kardinal Franzoni, der Präfekt der Propaganda, lehnte schlichtweg seine Bitte ab mit der Begründung, „er solle in Bayern bleiben, einmal wegen des Nutzens, den er seinem Kloster bringen könne, dann, weil ihn seine Oberen nur ungern ziehen sähen, ferner weil der Priestermangel in Amerika doch nicht so groß sei, daß man das noch junge Kloster Metten eines unentbehrlichen Mitgliedes berauben müsse“ . Nun, Wimmer selbst sah sich gar nicht als so unentbehrlich, im Gegenteil glaubte er durch seinen ständig vorgetragenen Wunsch, in die Mission gehen zu wollen, eher Unruhe unter seinen Mitbrüdern zu stiften. Allerdings brachte ihn die Absage der Congregatio de Propaganda Fidei, mit deren Zustimmung er so fest gerechnet hatte, in schwere Bedrängnis, hatte er doch in dem ihm befreundeten Benefiziaten Schiller sowie sechs jungen Männern als Laienbrüder und vier Studenten als Klerikernovizen Weggenossen in die Neue Welt gefunden, die bereit waren, seine Pläne in die Tat umzusetzen, dazu war im ganzen bayerischen Unterland längst bekannt geworden: Pater Bonifaz Wimmer will in Amerika ein Benediktinerkloster gründen. In die etwas aufgeheizte Atmosphäre erschien am 8. November 1845 in der Augsburger Postzeitung ein anonymer Artikel „Uber die Missionen“ , als dessen Verfasser nur unschwer Bonifaz Wimmer zu erkennen war. In beredten Worten, aber trotzdem nüchtern und sachlich legte er dar, daß der Orden der Benediktiner von seinem geschichtlichen Hintergrund am besten geeignet wäre, die Missionsarbeit in Nordamerika zu übernehmen. Dabei war er längst von seinem ursprünglichen Plan, ein Missionshaus in Bayern zu errichten, das aufgrund seiner Kapazität befähigt sein sollte, Missionare nach Ubersee zu schicken, abgewichen. Nur durch die Errichtung von einem Kloster, besser noch, wenn es die Verhältnisse erlaubten, von mehreren Klöstern, in der Neuen Welt, die Pflanzstätten für einen einheimischen Klerus werden sollten, der mit der Zeit die europäischen Missionare überflüssig mache, konnte der seelsorglichen Not gesteuert werden.

Der Artikel in der Augsburger Postzeitung fand in Bayern viel Beachtung. Plötzlich wandten sich die Dinge zugunsten von Bonifaz Wimmer, plötzlich war er nicht mehr ein „Abenteurer mit genialen Ideen“ , wie König Ludwig I. es einmal lächelnd formulierte. Große Unterstützung fand Wimmer durch den Ludwig-Missionsverein und hier im besonderen durch Hofkaplan Joseph Ferdinand Müller, den Mitbegründer des Vereins. Eine langjährige Freundschaft verband beide, und Müller gehörte zu jenen Stillen, „die jedem Großen in der Geschichte zur Seite gehen, die, ohne viel nach außen hervorzutreten, doch nötig sind, um Ideen anzuregen, Pläne zur Reife zu brin­ gen und Unternehmungen zum Gelingen zu führen“ .

Nachdem sowohl der päpstliche Nuntius Morichini als auch der bayerische König sich ermunternd für das von Wimmer geplante Unternehmen ausgesprochen hatten, konnte Abt Gregor Scherr nicht mehr zögern, seinen Mitbruder über den Ozean ziehen zu lassen. Mitte Juli waren die Vorbereitungen soweit gediehen, daß man an die Abreise denken konnte. Vier Studenten, dazu fünfzehn Handwerker und Bauern hatten sich Wimmer angeschlossen, und am 10. August 1846 ging die kleine Schar in Le Havre an Bord des Dreimast-Seglers „Iowa“ . Nach 38 Tagen auf See erreichte man glücklich und ohne größere Zwischenfälle New York, aber die Ankunft war alles andere als ermutigend. Peter Heinrich Lemke hatte sie nicht, wie versprochen, in Empfang genommen, und was Bonifaz Wimmer in New York von deutschen Priestern, die schon längere Zeit in Amerika lebten und eine gewisse Erfahrung hatten, hörte, war deprimierend. So riet man ihm dringendst von seinem Vorhaben ab, ein Kloster zu errichten. Verschiedentlich seien schon solche Versuche unternommen worden und stets fehlgeschlagen. Das beste wäre, seine Begleiter gleich zu entlassen, die Studenten in eines der bischöflichen Seminarien zu schicken und für sich selber eine deutsche Seelsorgsstation zu übernehmen. Zudem wurde er vor Peter Heinrich Lemke gewarnt, der ihm für teures Geld sein schlechtes Land verkaufen wolle.

Trotzdem machte sich Bonifaz Wimmer auf den Weg - nun war er soweit gekommen, nun wollte er nicht klein beigeben. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe machte die kleine Gruppe sich auf die Reise nach Carrolltown, das Lemke bei seinem Münchener Aufenthalt in so leuchtenden Farben geschildert hatte. Am 19. September verließ sie New York, um am 30. September endlich nach Carrolltown zu kommen. Doch was erwartete sie dort! Ein enges Tal, ringsum von Bergen eingeschlossen, an dessen nördlichem Ende eine Scheuer, ein Bauernhaus und nahe dabei ein anderes, noch nicht ausgebautes Wohnhaus, das war Carrolltown oder S. Joseph, wie Lemke es genannt hatte. Die Kirche lag zudem eine Wegstunde von der armseligen Siedlung entfernt. Pater Bonifaz sah schon bei seiner Ankunft, daß dort seines Bleibens nicht sein konnte. Die weltabgeschiedene Lage in dem engen Tal war für die Errichtung eines Klosters denkbar ungeeignet, zudem waren ihm in New York über Lemke keine bösartigen Gerüchte zugetragen worden, vielmehr verlangte dieser nun einen wesentlichen höheren Preis für ein zum größten Teil noch nicht urbar gemachtes Land, als schriftlich vereinbart worden war. Alles in allem, Carrolltown war „bei weitem nicht das, für was Lemke es ausgegeben hatte“.

Auch Bischof O ’Connor von Pittsburgh, dem Wimmer sich vorgestellt und seine Atteste übergeben hatte, erkannte, daß Carrolltown keinerlei Zukunftsaussichten hatte. So bot er Wimmer die davon zwanzig Stunden südwestlich gelegene Gemeinde St. Vincenz samt den dazugehörigen zwei Pfarrgütern unentgeltlich an, mit der Bedingung, hier seine Klosterpläne zu verwirklichen und die Pfarrseelsorge zu über­ nehmen. Auch nach der Besichtigung von St. Vincenz war Wimmer im Zweifel. Den Ausschlag gab eine von 58 Familienvätern der Gemeinde Unterzeichnete Bittschrift, zu ihnen zu kommen. Die wenig ersprießlichen Verhandlungen mit Lemke wurden abgebrochen, und am 20. Oktober 1846 hielt Bonifaz mit seiner Schar Einzug in St. Vincenz. Die Anfänge waren sehr bescheiden. Wohl war der Bischof von Pittsburgh persönlich gekommen, um die neuen Ordensleute zu begrüßen und Wimmer als Pfarrer zu installieren. Dieser wiederum nahm als „P. Superior der bayerischen Benediktinermission“, wie er sich fortan nannte, die Einkleidung der Studenten und Brüderkandidaten vor. „Da die nötige Anzahl von Habiten fehlte, wurde die Einkleidungszeremonie immer an sechsen vollzogen, die dann in der Sakristei ihre Laienkleider wieder anzogen, damit die nächsten sechs eingekleidet werden konnten.“

Damit war das erste Benediktinerkloster in Nordamerika errichtet. Im Februar erschien in der Augsburger Zeitschrift „Sion“ ein Bericht von Wimmer, der das Leben in der jungen Klostergemeinschaft in lebhaften Farben schildert. Die Gebäulichkeiten waren wohl ärmlich und platzmäßig kaum ausreichend, aber das focht die Männer nicht an. Die Tagesordnung wird treulich eingehalten, und so kann Wimmer an Erzbischof Reisach berichten: „Ich zweifle, ob es dermalen irgendwo ein Kloster gibt (Trappisten ausgenommen), wor.in pünktlicher nach der Regel des hl. Benedikt gelebt wird, als meines.“ Jeder arbeitete nach seinem Können, aber auch die vier Studenten, die mit geistiger Arbeit vollauf beschäftigt gewesen wären, wurden zu körperlicher Beschäftigung herangezogen. „Aber“ , so Wimmer, „es ist die Leitung nicht schwer, weil alle willig folgen, brüderlich zusammenstehen und Zusammenhalten, gern arbeiten und nicht unbeschäftigt sein können.“

Pater Bonifaz lebte sich, so gut es ging, in die amerikanischen Verhältnisse ein, aber sollte St. Vincenz als erste benediktinische Niederlassung in Nordamerika weiter aufblühen, so konnte nicht nur auf materielle, sondern auch auf personelle Hilfe aus der Heimat nicht verzichtet werden. Ein treuer Freund und eifriger Helfer war ihm Hofkaplan Müller, der in den bayerischen Klöstern unermüdlich für den Missionsgedanken warb. So konnte am 21. Mai 1847 die zweite bayerische Benediktinermission unter Führung von Pater Petrus Lechner, dem damaligen Prior des Benediktinerklosters Scheyern, Reise nach Übersee antreten. Mit 18 Brüderkandidaten traf er am

17. August 1847 in St. Vincenz ein, von Pater Bonifaz lang ersehnt und von ihm und den Seinigen herzlichst begrüßt. Nun wurde immer nachhaltiger der Ruf laut, endlich ein ordentliches Klostergebäude zu errichten. Es fehlte der jungen Ordensfamilie nicht an kräftigen Armen und kunstfertigen Händen; was Bonifaz Wimmer zögern und sogar in ihm den Plan reifen ließ, war die ungesicherte Rechtslage. Vor dem kirchlichen und weltlichen Gesetz war der jeweilige Pfarrer von St. Vincenz nur Nutznießer des zur Kirche gehörenden Landgutes, und Pater Bonifaz war eben bislang nur Pfarrer auf Ruf und Widerruf. Pater Bonifaz trachtete danach, geordnete Rechtsverhältnisse zu schaffen, d. h. Pfarrei und Pfarrgüter den Benediktinern von St. Vincenz zu inkorporieren. Der Widerstand dagegen kam völlig unerwartet von Bischof O ’Connor. Er stellte Forderungen, wie z. B. ebenso viel irische Studenten zu erziehen wie deutsche, einen irischen Weltpriester als Präfekten anzustellen, die Wimmer nicht annehmen konnte, wollte er seiner sich selbst gestellten Aufgabe nicht untreu werden. Erst als er ernstlich Anstalten machte, St. Vincenz aufzugeben, lenkte der Bischof ein. Am 6. Dezember 1847, nach anderer Überlieferung am 15. Februar 1848, unterschrieb er die Inkorporationsurkunde ohne alle Bedingungen bezüglich des Knabenseminars, im Gegenteil, er übernahm einen Teil der Pfarrschulden auf seine Kasse. Nun fehlte nur noch die Bestätigung durch den Hl. Stuhl, die am 23. Juli 1848 erteilt wurde, jedoch durch die Wirren der Zeit erst 1850 nach St. Vincenz gelangte.

Mit der kanonischen Errichtung des Klosters begann das Leben in St. Vincenz noch mehr aufzublühen. Schon 1849 hatte man dort eine Lateinschule errichtet, die zunächst von 13 Schülern besucht wurde, deren Zahl 1851 auf 30 und zwei Jahre später bereits auf 90 gestiegen war, denn, wie Wimmer schon in Deutschland erkannt hatte, die Zukunft der amerikanischen Kirche hing von der Bildung eines einheimischen Klerus ab. Doch gab er sich mit dem Erreichten nicht zufrieden. Im Herbst 1850 reiste Pater Bonifaz zum erstenmal in seine Heimat zurück, um hier für sein Kloster zu werben, neue Geldmittel und Hilfskräfte zu gewinnen. Er wurde in seinen Hoffnungen nicht getäuscht, denn in Bayern fand er offene Herzen und Hände. König Ludwig I., mit dem er seit 1849 in Briefwechsel stand, dem er laufend Bericht über den Zustand, das Leben, aber auch die Schwierigkeiten seiner Ordensniederlassung gab - 56 Stücke des Briefwechsels sind noch erhalten - , schenkte ihm 10 000 Gulden, dazu Bücher und Kirchengeräte. Wimmers Reise ging über die verschiedenen bayerischen und österreichischen Diözesen bis nach Ungarn. Am 7. Juni 1851 kehrte er mit 21 Ordenskandidaten, darunter sieben Klerikern, wieder nach seinem geliebten St. Vincenz zurück.

Ein dringlicher Wunsch, den er dem König vorgetragen hatte, war, St. Vincenz möge zur Abtei erhoben werden, nicht um für sich persönlich Ehren und Würden zu beanspruchen, sondern mit der Unabhängigkeit des Klosters auch dessen Bestand zu sichern. Der König verschloß sich dem Wunsche nicht und nahm umgehend durch den bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl die nötigen Schritte bei der Congregatio de Propaganda Fidei auf. Doch die Reaktion auf diese Vorstellungen war in Rom frostig, zumal Beschwerden eingelaufen waren, daß Pater Bonifaz nach typisch altbayerischer Sitte in St. Vincenz eine Brauerei errichtet habe, womit er unter den rigorosen Puritanern Anstoß errege, die „daraus sogar Waffen gegen die Katholiken schmieden wollten“ . Nun, Wimmer war keineswegs der Mann, der sich von einem wohldurchdachten Plan durch Hindernisse abschrecken ließ. So faßte er 1855 den Entschluß, Rom persönlich aufzusuchen, um die Angelegenheit voranzutreiben. Er wurde keineswegs mit offenen Armen, weit eher zurückhaltend empfangen. Doch fand er in dem General-Prokurator der Cassinenser Kongregation, dem Abt Pescetelli, einen einflußreichen und wortgewandten Fürsprecher, der klug alle Gegenargumente zu widerlegen wußte. Als auch König Ludwig I., der sich gerade in Rom auf­ hielt, den Plan positiv unterstützte, stand dem glücklichen Ausgang des Unternehmens nichts mehr im Wege. Am 24. August 1855 wurde durch Breve Papst Pius5IX. St. Vincenz zur Abtei erhoben und am 17. September Pater Bonifaz Wimmer „in Anbetracht dessen, was er zum Gedeihen dieses Klosters ruhmvoll gewirkt“, zunächst für drei Jahre zum Abt ernannt. Von Rom aus begab sich Wimmer zunächst nach München und besuchte von dort aus die bayerischen Benediktinerklöster, ehe er am 25. Oktober 1855 die Rückreise in seine zweite Heimat antrat und am 6. Dezember glücklich nach St. Vincenz zurückkehrte. Ein enthusiastischer Empfang wurde ihm bereitet, denn längst war auch dorthin die Kunde gedrungen, daß das Ziel der Wünsche erreicht war: St. Vincenz war exemte Abtei und Pater Bonifaz ihr erster Abt.

Mit der Erhebung zur Abtwürde schien Wimmers Arbeitseifer noch zu wachsen. Seine Devise war: „Wir müssen vorwärts, wir müssen zugreifen und uns ausbreiten, selbst ehe wir noch Zeit haben uns auf einem Punkt recht zu befestigen.“ Geistliche und Weltliche drängten ihn, dort zu helfen, wo sonst niemand zur Hilfe vorhanden oder willig war. Die erste von St. Vincenz ausgegangene Tochtergründung, die sich später zur selbständigen Abtei entwickelte, war St. Johns Abbey in Minnesota. 1856 war Pater Demetrius, ein geborener Graf Marogna, mit zwei Neupriestern und einer kleinen Schar von Laienbrüdern aufgebrochen in das ferne Land, das erst kurz zuvor für die Einwanderung geöffnet worden war. Zur gleichen Zeit zogen drei Patres, unter ihnen Pater Lemke, der seinerzeit den Anstoß für die Auswanderung Wimmers gegeben hatte und inzwischen selbst in den Benediktinerorden eingetreten war, nach Kansas, und ließen sich zunächst in Doniphan nieder, um später in das weit mehr versprechendem Atchison umzusiedeln. Bereits 1857 ging Abt Bonifaz auf Visitationsreise nach Minnesota und Kansas. Voll Begeisterung berichtete er nach München, wie prächtig sich gerade die Niederlassung in Doniphan in so kurzer Zeit entwickelt hat. Die Antwort war wie die vielzitierte „kalte Dusche“. So schreibt ihm sein Freund, der Hofkaplan Müller: „Ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, auch Se. Excellenz erhielt den seinen. Er ist ungehalten über Sie, weil Sie gar zu viel anfangen und sich in eine ungeheure Schuldenlast hineinstürzen.“ Nun, zu dieser Zeit war bereits Gregor Scherr, vordem Abt von Metten und Ordensoberer des Bonifaz Wimmer, Erzbischof von München und Freising, und, wie erinnerlich, stand er dem Missionsgedanken von Wimmer und der Durchführbarkeit einer klösterlichen Niederlassung in Nordamerika von allem Anfang an skeptisch gegenüber. Aber er kannte die Verhältnisse in Amerika nicht. Vor 1848 war die Zahl der katholischen Einwanderer aus Deutschland noch vergleichsweise gering. Zwischen 1850 und 1860 wanderten 950000 Deutsche ein, davon mindestens 237000 Katholiken, im folgenden Jahrzehnt bezifferte man die katholischen Einwanderer auf wenigstens 268000 Seelen. Pater Bonifaz mochte selbst „oft und oft ein böses Gewissen gehabt haben“, denn er hatte bei den Leuten Kredit in hohem Maße, da sie bei ihm „große Reichtümer und in Bayern reiche Gönner und Freunde“ vermuteten. Daß aber manchesmal die Passiva bei weitem höher standen als die Aktiva, daß er nicht selten in den roten Zahlen steckte, wußte er selbst nur allzu genau, aber bei der Flut der Einwanderer und deren Not gab es für ihn eben nur ein Wort und dies hieß „zupacken“. St. Mary in Newark im Staate New-Jersey war die dritte Gründung Wimmers, die noch zu seinen Lebzeiten zur Abtei erhoben wurde. Bereits 1841 hatte dort ein Benediktiner von St. Peter in Salzburg eine Pfarrkirche errichtet, doch als die Bevölkerungszahl ständig wuchs, ging er Bonifaz Wimmer um Hilfe an. Obwohl dieser grundsätzlich gegen die Übernahme von Gemeinden in größeren Städten war und lieber auf dem flachen Land wirkte, konnte er sich dem Hilferuf eines Mitbruders nicht verschließen. 1856 übertrug Bischof Baley, der spätere Erzbischof von Baltimore, die Kirche von St. Mary förmlich den Benediktinern von St. Vincenz mit dem Wunsch, bei der Kirche ein Kloster und ein Kolleg für höhere Studien zu errichten. Wenig Zukunftschancen gab man der in Belmont in North- Carolina 1876 errichteten Niederlassung, vielmehr prophezeite ihr alle Welt ein sicheres Mißlingen, da die Einwanderungsquote in diesem Staat besonders niedrig und die Zahl der Katholiken gering war. Aber gerade wegen ihrer „Armuth und Verlassenheit“ nahm Wimmer die Mission in Angriff, die bald reiche Früchte trug. 1884 wurde „Mary Help“ zur Abtei erhoben. Zu dieser Abtei gehörte die 1874 durch französische Benediktiner errichtete Negerschule in Isle of Hope und eine Ackerbauschule auf der Insel Skidaway im Staate Georgia, doch eine Gelbfieberepidemie raffte zwei Jahre später die Mehrzahl der Patres und Fratres hinweg. Ersatz aus Frankreich kam, aus welchen Gründen auch immer, nicht, so erging an Abt Bonifaz der Ruf um Hilfe. Die Armut der Neger und die Hoffnung, sie zu guten Christen und Ackerbauern zu erziehen, ließ ihn alle Gefahren vergessen und er sandte sofort Priester und Laienbrüder.

Das letzte Werk, das Bonifaz Wimmer drei Jahre vor seinem Tod in Angriff nahm, war die Errichtung eines böhmischen Priorats in Chicago. Schon dreißig Jahre früher hatte er für die dort lebenden Deutschen das Priorat St. Joseph gegründet, aber es schien ihm notwendig, einen Zentralpunkt für die slawischen Einwanderer zu schaffen. So schickte er fünf der sprachgewandten Priester nach St. Prokop in Chicago, mit der Auflage, eine Lateinschule für slawische Studierende einzurichten, eine Institution, die in den folgenden Jahren die religiösen Verhältissen wesentlich besserte.

Die Liebe zu seinem Orden, aber auch die Sorge um die Erziehung der weiblichen Jugend veranlaßten Pater Bonifaz schon während seines Besuches in Bayern 1851, Kontakte mit den Benediktinerinnen von St. Walburg in Eichstätt aufzunehmen und sie für ein Missionsunternehmen in Amerika zu begeistern. Der positive Widerhall war größer, als er erhofft hatte. Schon 1852 verließen zwei Chorfrauen und eine Laienschwester Eichstätt und kamen am 15. Juli in St. Vincenz an. Wimmer siedelte die Neuankömmlinge in St. Mary an, in dem gleichen ärmlichen Holzhäuschen, das vordem die Armen Schulschwestern bewohnt hatten. Sogleich nahmen die Benediktinerinnen den Schulunterricht auf, und ihren Mut und ihre Tapferkeit belohnte König Ludwig I. durch die Übersendung von 8000 Gulden. Erste Vorsteherin des Klosters war Frau M. Benedikta Riepp, und unter ihrer energischen Führung zählte die Niederlassung bereits 21 Schwestern und Novizinnen sowie 7 Kandidatinnen. Zwei Jahre später war man in der Lage, die erste Tochtergründung in Erie zu wagen. Wohl wünschte Pater Bonifaz allen Orden, welche die schwere Arbeit der Mission auf sich nahmen, Blühen und Gedeihen und wenn es notwendig war, so half er auch auch mit Rat und Tat. Daß Dominikanerinnen vom Kloster Hl. Kreuz in Regensburg nach Amerika zogen, ging auf eine Anregung von Bonifaz Wimmer anläßlich seines ersten Heimaturlaubs zurück. Mit Begeisterung nahm die damalige Priorin, M. Benedikta Bauer, die später selbst in die Neue Welt ging, diesen Vorschlag auf, und bereits am 25. Juli 1853 reisten vier Schwestern nach Amerika. In Williamburg, dem heutigen New Yorker Stadtteil Brooklyn, ließen sie sich nieder und nach wenig mehr als einem Monat nahmen sie bereits den Unterricht auf. Pater Bonifaz darf man mit Recht den Mitbegründer dieser ersten Niederlassung der Dominikanerinnen nennen; trotzdem, „er wollte dort, wo seine Leute wirkten, vor allem den weiblichen Zweig seines eigenen Ordens nicht vermissen“.

Nach 1855 reiste Abt Bonifaz Wimmer noch dreimal nach Rom. 1865 drängte es ihn, über sein fast zwanzigjähriges Wirken Rechenschaft abzulegen, zudem gab es Fragen zu klären und gewisse Schwierigkeiten hinwegzuräumen, die fast zwangsläufig in einer so jungen, aber ebenso schnell wachsenden Kommunität auftauchen. Sein Romaufenthalt war für ihn und St. Vincenz ein voller Erfolg. Nicht nur, daß die Niederlassung in Minnesota zur Abtei erhoben wurde, Wimmer selbst wurde auf Lebenszeit zum Abt von St. Vincenz und Präsidenten der amerikanischen Benediktiner-Kongregation bestellt. Bereits bei der Abtwahl 1862, bei der Wimmer nahezu alle Stimmen seiner Mitbrüder auf sich vereinigen konnte, hatte man mit Sicherheit gerechnet, von Rom käme die Bestätigung auf Lebenszeit, aber von Rom kam nur „ad beneplacitum Apostolicae Sedis“, also auf unbestimmte Zeit. Aber mit Stolz erfüllte Wimmer die Gründung eines Studienhauses in Rom, auf dem die blühende Benediktiner-Studienanstalt Sant’ Anselmo erwuchs, an der hauptsächlich Benediktiner von St. Vincenz und Beuron dozierten. Wimmer konnte zur Errichtung dieses Instituts 40000 Lire zeichnen - so sehr hatte sich unter seiner Führung das armselige St. Vincenz aus den Gründertagen gekräftigt.

Am 1. Oktober 1869 trat Wimmer in Begleitung zweier seiner Mitbrüder die Reise nach Rom zum I. Vatikanischen Konzil an. Mit an Bord waren die Bischöfe John B. Miege von Kansas, Ignatius Mrak von Marquette und Augustine Verot von Savannah. In Rom traf er mit Abt Utto Lang von Metten zusammen und wie dieser führte er über die einzelnen Sessionen minutiös Tagebuch, aber er schickte auch Berichte an die deutsche Wochenzeitschrift „Wanderer“, herausgegeben in St. Paul, Minnesota. Und ebenso wie Abt Utto Lang beklagte auch er die ermüdend langen Debatten, die nur allzu oft bereits Bekanntes und Gesagtes wiederholten. 1880 fuhr Wimmer zum letztenmal nach Europa. Anlaß war die 1400-Jahrfeier des hl. Benedikt, des Stifters seines Ordens. Doch bei keiner seiner Reisen versäumte er es, seine alte Heimat aufzusuchen.

1883 feierte Bonifaz Wimmer sein fünfzigjähriges Profeßjubiläum. Aus diesem Anlaß zeichnete ihn Papst Leo XIII. am 29. Dezember mit der Cappa Magna und dem Titel eines Erzabtes aus, eine wohlverdiente Ehrung, die wohl auf Initiative ehemaliger Alumnen von St. Vincenz, die in Amerika als Priester und Bischöfe wirkten, zurückg e hAtl‘s Erzabt Bonifaz Wimmer am 8. Dezember 1887 in St. Vincenz starb, war ein Leben reich an Arbeit, Mühe und Sorgen, aber auch voll Segen erloschen. Sein Tod war ein herber Verlust, nicht nur für den Benediktinerorden, sondern für die ganze katholische Kirche in Nordamerika. Fünf Bischöfe, fünf Äbte, dazu 100 Priester standen an seiner Bahre. Auf ihn und sein Werk kann man getrost das evangelische Gleichnis vom Senfkorn anwenden, denn reich war die Ernte seines Lebens und Wirkens.

 


Q U E L L E N :

Bonifaz Wimmer O .S .B und König Ludwig I. von Bayern. Ihre Briefe als Beitrag zur G eschichte der katholischen Kirche und des Deutschtums in den Vereinigten Staaten Nordam erikas, hrsg. von W. Mathäser, München 1938.

L I T E R A T U R :

O . Moosmüller, Bonifaz Wimmer, Erzabt von St. Vincent in Pennsylvanien. Ein Lebensbild unserer Zeit, 1891. - B. Lesker, Erzabt Bonifaz Wimmer. Das Bild eines deutschen Mannes in Amerika, in: Frankfurter zeitgemäße Broschüren N F 12 (1891) 397-425. - W. Mathäser, König Ludwig I. von Bayern als Förderer des Deutschtums und des Katholizismus in Nordamerika, in: Gelbe Hefte 2 (1925) 616-649. - D ers., König Ludwig I. von Bayern und die Gründung der ersten bayerischen Benediktinerabtei in Nordamerika, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 43 (1925) 132-182; ebenso in: Beiträge zur Geschichte des Deutschtums in den Vereinigten Staaten (1925) 123-182. - D ers., König Ludwig I. von Bayern und die deutschen Katholiken in Nordamerika, in: Der Ausländsdeutsche 9 (1926) 317-320. - D ers., Die Anfänge der katholischen Missionsbewegung in Bayern und das Auslandsdeutschtum in Übersee zur Zeit Ludwigs I. von Bayern, in: Klerusblatt 9 (1928) N r. 43 -50 . - D ers., Atchison, Kansas im Jahre 1860, in: Central-Blatt and Social Justice 10 (1928) 257-360. - D ers., Der Ludwig-Missionsverein in der Zeit König Ludwigs I. von Bayern, München 1939. - D ers., Erzabt Bonifaz Wimmer, in: M. Buchberger (H g.), Zwölfhundert Jahre Bistum Regensburg. Festschrift zur Zwölfhundertjahrfeier, Regensburg 1939, 263-264. - D ers., Zur Hundertjahrfeier der Erzabtei St. Vincent, Pa., in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 60 (1946) 233-371, darin: Erzabt Bonifaz Wimmer im Spiegel seiner Briefe, 234-302, San José in Texas, 309-330. - D ers., Erzabt Bonifaz Wimmer, in: Benediktinische Monatsschrift (1946) 145-152. - J. Oetgen, An American Abbot. Boniface Wimmer, O .S.B . 1809-1887, 1976. - W. W. Weber, Erzabt Bonifaz Wimmer, in: Alt und Jung Metten Heft 1-4 (1977/78) 8 -13 , 138-144; Heft 1, 3 (1979/80) 21 -26 , 229-235; Heft 3 (1980/81) 208-211; Heft 1 (1981/82) 24 -31 .


(kw)



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