bischof voderholzer und teilnehmer der tagung

Studientag „Renaissance“ der Gotik im Regensburger Herzogssaal

„Gotik – die Begeisterung für das Licht“


Regensburg, 22. November 2025 

Zu einem hochkarätig besetzten Studientag unter dem Titel „Die Renaissance der Gotik – Kathedral-Bau im 19. und 21. Jahrhundert als Konstruktion von Geschichte und Identität“ luden am vergangenen Samstag die Katholische Akademie in Bayern, die Katholische Erwachsenenbildung im Bistum Regensburg (KEB) sowie das Akademische Forum Albertus Magnus ein. Veranstaltungsort war der traditionsreiche Regensburger Herzogssaal, der im Schatten des Doms den würdigen Rahmen für einen Tag bot, der sich intensiv mit der historischen, kulturellen und politischen Bedeutung der gotischen Kathedralarchitektur auseinandersetzte.

Eröffnung im Zeichen des Lichtes

Dr. Achim Budde, Direktor der Katholischen Akademie, begrüßte ein kunsthistorisch interessiertes Publikum sowie renommierte Referentinnen und Referenten. Er erinnerte daran, dass der Anstoß zu diesem Studientag bereits vor zwei Jahren durch Regensburgs Bischof Dr. Rudolf Voderholzer erfolgt war. Neben ihm nahmen auch Dompropst Prälat Dr. Franz Frühmorgen und Domvikar Msgr. Dr. Werner Schrüfer im Jubiläumsjahr „750 Jahre Grundsteinlegung des Regensburger Domes“ teil.

Ein weiteres Grußwort sprach Wolfgang Stöckl, Bischöflicher Beauftragter für die Katholische Erwachsenenbildung und 1. Vorsitzender der KEB. Sein Dank galt insbesondere Dr. Robert Walser, der die organisatorische Hauptverantwortung trug.

Professor Dr. Sigmund Bonk, Direktor des Akademischen Forums Albertus Magnus, führte philosophisch in das Tagungsthema ein. Er hob die besondere Bedeutung des Lichtes in der gotischen Architektur hervor und zitierte den Kunsthistoriker Otto Georg von Simson: „Das Licht ist die Manifestation Gottes“. Die „Begeisterung für das Licht“ sei kennzeichnend für die Gotik und verweise auf das Erhabene und Vollkommene des göttlichen Schöpfers.

Impulse aus Köln, Regensburg und Paris

Der Vormittag bot drei profilierte Fachvorträge, die die Entwicklung und Rezeption gotischer Kathedralarchitektur im 19. und 21. Jahrhundert beleuchteten:

  • Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, ehemalige Dombaumeisterin zu Köln, sprach über „Und fertig wird er doch! Zur Vollendung des Kölner Doms im 19. Jahrhundert“.
  • Prof. Dr. Hans-Christoph Dittscheid, emeritierter Kunsthistoriker der Universität Regensburg, widmete sich dem Beitrag König Ludwigs I. zur Neugotik in Bayern: „König Ludwig I. und ‘seine’ Kathedrale: Die Bedeutung des Regensburger Doms für die Neugotik in Bayern“.
  • Dr. Nathalie-Josephine von Möllendorff (Universität Bamberg) bot in ihrem Vortrag „Notre Dame de Paris als moderner Mythos: Die Geburt des ‘historischen Monuments’ im 19. Jahrhundert“ einen Blick nach Frankreich und in die Gegenwart.

Am Nachmittag folgte ein Podiumsgespräch unter Moderation von Dr. Achim Budde. Unter dem Leitgedanken „Wer will welche Geschichte?“ diskutierten die Referentinnen und Referenten mit Prof. Dr. Hiltrud Kier vom Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn über die Frage, wie historische Narrative durch Architektur konstruiert und politisch gedeutet werden. Anschließend konnten die Teilnehmer bei thematischen Führungen den Regensburger Dom aus neuen Perspektiven erleben – unter dem Motto „Auf den Spuren der Erneuerung!“

König Ludwig I. und die Regensburger Kathedrale

Vor dem Hintergrund des 750-jährigen Jubiläums der Grundsteinlegung des Regensburger Doms rückte Prof. Dr. Dittscheid die engen Verbindungen von König Ludwig I. (1786–1868) zu diesem Bauwerk in den Fokus. Der Monarch betrat 1842 anlässlich der Eröffnung der Walhalla erstmals die Kathedrale und förderte deren Weiterbau fortan mit großem Engagement. Dazu gehörten unter anderem die Stiftung von acht Glasfenstern an der Westfassade sowie ein Grabmal für seinen akademischen Lehrer Johann Michael von Sailer in der heutigen Sakramentskapelle.

Selbst nach seinem Rücktritt im Jahr 1848 setzte Ludwig I. seine jährliche Zuwendung von 20.000 Gulden fort. Im Schlussstein der Vierung findet sich ein Hinweis auf seine Verantwortung für die Restaurierung – hier ist zu lesen: „Ludwig I. König von Bayern“. Ein weiteres historisches Zeugnis findet sich in der Schottenkirche St. Jakob: Die Grabfigur Bischof Ignatius von Senestreys hält ein Modell der zweitürmigen Domfassade in den Händen – ein Symbol dafür, wem man die Vollendung zuschrieb.

Zwischen Gotteshaus und politischem Symbol

Die Tagung verdeutlichte, dass große Kathedralen wie Notre-Dame de Paris (Grundsteinlegung 1163), der Kölner Dom (1248) und der Regensburger Dom (1275) ursprünglich als Gotteshäuser konzipiert waren. Im Lauf der Jahrhunderte wurden sie jedoch immer wieder politisch instrumentalisiert.

Der Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ (Victor Hugo, 1831) trug maßgeblich dazu bei, Notre-Dame im kollektiven Bewusstsein Frankreichs neu zu verankern – gerade nach den Zerstörungen der Französischen Revolution. Die umfassenden staatlichen Rekonstruktionsmaßnahmen nach dem Brand von 2019 zeigten die nationale Bedeutung eines Bauwerks, das in einem säkularen Staat dennoch eine identitätsstiftende Rolle spielt.

Ähnliche Entwicklungen fanden sich in Köln und Regensburg: Während das preußische Königshaus den Kölner Dom als Symbol einer nationalen Einheit verstand, war für das bayerische Haus Wittelsbach der Weiterbau des Regensburger Doms ebenfalls politisch aufgeladen. Die Frage: „Wer ist der Vollender des Domes?“ bildet bis heute eine historische Kontroverse.

Text und Fotos: Carl B. Prämaßing
(jas und SG)



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