News Bild Statement des DBK-Vorsitzenden, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, zum Kirchlichen Arbeitsrecht

Statement des DBK-Vorsitzenden, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, zum Kirchlichen Arbeitsrecht

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(pdr) Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, beim Pressegespräch zum Kirchlichen Arbeitsrecht am 28. Februar 2012 in Regensburg anlässlich der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz:

1. Seit einigen Monaten findet in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über die Grundlagen und Reichweite des kirchlichen Arbeitsrechts statt. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht der sogenannte Dritte Weg.

2. Im System des Dritten Weges werden die Arbeitsbedingungen nicht in Tarifverträgen, sondern in paritätisch besetzten Kommissionen ausgehandelt und beschlossen. Die Vertreter auf der Mitarbeiterbank in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen werden entweder direkt durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder indirekt von den Mitarbeitervertretungen gewählt. In den Kommissionen ist damit jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer vertreten, ohne dass die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verband oder einer Gewerkschaft erforderlich ist.

3. Der Dritte Weg geht von den Grundsätzen eines partnerschaftlichen und kooperativen Miteinanders von Arbeitnehmern und von Arbeitgeber aus. Er dient nicht dazu, etwaige Interessengegensätze zwischen Dienstgeber und Dienstnehmern zu verschleiern, sondern erhebt den Anspruch, die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im kirchlichen Dienst in einem konsensualen Verfahren zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

4. Alle kirchlichen Arbeitgeber sind an die in der Arbeitsrechtlichen Kommission ausgehandelten Ergebnisse gebunden. Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommissionen können – anders als Tarifverträge – nicht gekündigt werden. Änderungen in der Vergütungsstruktur können deshalb nur unter Mitwirkung der Dienstnehmer auf dem Verhandlungsweg erreicht werden.

5. Das System des Dritten Weges ermöglicht eine sehr hohe Tarifbindung kirchlicher Einrichtungen, die bei mindestens 80 Prozent liegt und auch die vielen kleineren und mittleren kirchlichen Einrichtungen erfasst. Damit liegt die Tarifbindung in den Einrichtungen der katholischen Kirche wesentlich höher als in den vergleichbaren Sektoren der weltlichen Sozialwirtschaft, wo ein beträchtlicher Teil der privat gewerblichen oder freigemeinnützigen Arbeitgeber keiner Tarifbindung unterliegt.

6. Unbestreitbar ist, dass in den vergangenen Jahren im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste eine verschärfte Wettbewerbssituation entstanden ist. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine Zunahme privat-gewerblicher Anbieter und den Rückzug vieler kommunaler Träger, insbesondere wegen unzureichender Refinanzierungsmöglichkeiten. Mit dieser Situation sehen sich auch kirchliche Einrichtungen zunehmend konfrontiert. Gleichwohl liegt das in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelte Vergütungsniveau in der Regel über dem, was im nichtkirchlichen Bereich aufgrund von Tarifverträgen oder von individuellen Verträgen gezahlt wird. Die Vergütung entspricht im Wesentlichen dem Niveau der Tarifverträge im öffentlichen Dienst, obwohl diese in weiten Teilen des sozialen Dienstleistungssektors keine „Leitwährung“ mehr darstellen.

7. Einige kirchliche Einrichtungen haben auf diesen verschärften Wettbewerbsdruck reagiert, indem sie Ausgründungen vorgenommen haben, um sich dem Dritten Weg mit seinem vergleichsweise hohen Vergütungsniveau zu entziehen. Diese regelwidrigen Abweichungen vom kirchlichen Tarifrecht stellen aber nicht die Regel dar, sondern beschränken sich auf wenige Einrichtungen.

8. Die Bischöfe haben sich in der Vergangenheit wiederholt gegen dieses regelwidrige Verhalten ausgesprochen und die konsequente Einhaltung der rechtlichen Vorgaben angemahnt. Um missbräuchlichen Ausgründungen entgegenzuwirken, hat die Deutsche Bischofskonferenz im Juni 2011 eine Änderung der „Grundordnung“ beschlossen. Die „Grundordnung“ ist die wichtigste Rechtsquelle des Arbeitsrechts der Katholischen Kirche. Ihre zehn Artikel bilden die Grundpfeiler der kirchlichen Arbeitsverfassung. Kirchliche Rechtsträger, die nicht der bischöflichen
Gesetzgebungsgewalt unterliegen, haben sich nach der Neufassung des Art. 2 „Grundordnung“ bis spätestens zum 31. Dezember 2013 zu entscheiden, ob sie die Grundordnung und damit auch den Dritten Weg übernehmen oder nicht. Sofern sie die Grundordnung nicht übernehmen, haben sie im Hinblick auf die Gestaltung der arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht am Selbstbestimmungsrecht der Kirche teil. Für diese Einrichtungen gilt dann im Ganzen das weltliche Arbeitsrecht, insbesondere auch das Streikrecht.

9. Eine weitere Umgehung des Dritten Weges stellt die dauerhafte und substituierende Leiharbeit dar. Auch dieses Instrument, das nach weltlichem Arbeitsrecht zulässig ist, wird von den Bischöfen für den kirchlichen Dienst abgelehnt. Im Rahmen der letzten Novelle der Mitarbeitervertretungsordnungen hat der kirchliche Ordnungsgeber deshalb ein Zustimmungsverweigerungsrecht der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern verankert, wenn diese länger als sechs Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden sollen. Damit können die Mitarbeitervertretungen vor Ort dauerhafte und substituierende Leiharbeit wirksam verhindern. Ein vergleichbares Recht kennen die weltlichen Mitbestimmungsordnungen nicht.

10. Auch im Bereich des Dritten Weges steht eine Änderung bevor: Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat Ende Januar in einer Richtungsentscheidung beschlossen, das Verfahren der Tariffindung in einer Hinsicht zu modifizieren. Nach bisheriger Rechtslage konnte eine dauerhafte Pattsituation in der Arbeitsrechtlichen Kommission durch eine Intervention des Diözesanbischofs im Wege seines
sogenannten Notverordnungsrechts aufgelöst werden.

Dieses Recht, von dem in der Praxis nur sehr selten Gebrauch gemacht wurde, soll nach dem Willen der Bischöfe in Zukunft durch ein verbindliches Schlichtungsverfahren ersetzt werden. Sollte sich eine Kommission in Zukunft auf keinen Regelungsvorschlag einigen, wird ein Vermittlungsausschuss, dem je ein Vorsitzender der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite vorstehen, versuchen, einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten.

Der Vermittlungsausschuss bleibt weiterhin paritätisch zusammengesetzt, wobei die Besonderheit besteht, dass die beiden Vorsitzenden nicht dem kirchlichen Dienst angehören und verpflichtet sind, einen gemeinsamen Vorschlag zu unterbreiten. Diese geplante Änderung im Verfahren verfolgt das Ziel, auch nur jeden Anschein der
Parteilichkeit zu vermeiden und die Bischöfe aus dem Prozess der Tariffindung herauszuhalten. Es liegt nunmehr ausschließlich an den gewählten Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen und in den Vermittlungsausschüssen eine angemessene Antwort auf alle Tariffragen zu finden.



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