News Bild Projekt „hand.gemacht“ konserviert Geschichte des Franziskus-Marterls bei Wackersdorf
Projekt „hand.gemacht“ konserviert Geschichte des Franziskus-Marterls bei Wackersdorf

Widerstand mit Marterl

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Wackersdorf 25. September 2024

Der Widerstand gegen die geplante WAA bei Wackersdorf sorgte in den 1980er Jahren bundesweit für Aufsehen. Hunderttausende demonstrierten jahrelang gegen das Projekt. Im Zuge dessen wurde vor genau 40 Jahren das Franziskus-Marterl im Taxöldener Forst errichtet, welches als Symbol des friedlichen Widerstands gegen die WAA Wackersdorf gilt. Das derzeit am Freilandmuseum Oberpfalz laufende und vom Bayerischen Heimatministerium geförderte Projekt hand.gemacht hat nun das Kleindenkmal mit einem 3D-Scanner erfasst, um ein digitales Abbild davon bewahren und ortsunabhängig präsentieren zu können. In diesem Zuge hat das Projektteam auch mit federführenden Akteuren des Widerstands gegen die WAA, darunter Altlandrat Hans Schuierer, über den Bau und die Bedeutung des Marterls gesprochen.

v.l.n.r.: Michaela Stauber, Projektteam „hand.gemacht“, Wolfgang Nowak, Mitglied Bürgerinitiative Schwandorf, Hans Schuierer, Landrat a.D., Anton Eiselbrecher, Zeitzeuge, Luca Hajek, Projektteam „hand.gemacht“

Freilandmuseum-Team mit Zeitzeugen: v.l.n.r.: Michaela Stauber, Projektteam „hand.gemacht“, Wolfgang Nowak, Mitglied Bürgerinitiative Schwandorf, Hans Schuierer, Landrat a.D., Anton Eiselbrecher, Zeitzeuge, Luca Hajek, Projektteam „hand.gemacht“

 

In Eigenleistung erbaut

Im September 1984 beteiligten sich zahlreiche Freiwillige an der Errichtung des Marterls. Einer davon war Wolfgang Nowak, engagiertes Mitglied der Bürgerinitiative Schwandorf, der im Freilandmuseum Oberpfalz als Zeitzeuge berichtete. Er sei „Zulieferer von dem Marterl“ gewesen, denn er habe „zu Hause ein Haus gebaut und Sand, Steine, ein Wasserfass und einen Anhänger“ zur Verfügung gehabt. Am 30. September wurde das Marterl gesegnet. Der heute 74-jährige Wolfgang Nowak erinnert sich noch gut daran: „1000 Kücheln habe ich gekauft, Bänke haben wir aufgestellt, eine Feier gemacht, Musik hat gespielt, ,Sulzbacher Klarinettenmusi‘ – ohne Ende also gefeiert. Da haben wir uns gefreut.“

Dass ausgerechnet ein religiöser Kapellenbildstock gebaut wurde, ist kein Zufall. So wurde einerseits die lokale Protestbewegung wesentlich von der christlich geprägten bürgerlichen Mitte getragen. Andererseits bedurfte es für ein solches Kleindenkmal keiner Baugenehmigung, die ja von behördlicher Seite verwehrt werden hätte können – und auch Zusammenkünfte zu Andachtsfeiern durften hier ohne Anmeldung stattfinden.

das Fransiksus Marterl in Wackersdorf

Das Marterl als Treffpunkt und Anlaufstelle

Den enormen Stellenwert des Franziskus-Marterls innerhalb des Widerstands gegen die WAA Wackersdorf unterstrich Hans Schuierer im Gespräch mit dem Projektteam: „Das hat eine ganz wesentliche Bedeutung gehabt, denn wir sind natürlich angewiesen gewesen auf den Zulauf, dass Leute gekommen sind. Und dieser christliche Widerstand hat uns sehr viele Teilnehmer gebracht.“ Mehrere hundert Personen trafen sich dort jede Woche, um zuerst eine Andacht zu feiern und anschließend gemeinsam in Form der sogenannten „Sonntagsspaziergänge“ zum Bauzaun zu wandern. Wenn es der Dienstplan erlaubte, nahm auch Hans Schuierer daran teil – und zwar „fast jeden Sonntag“. Die starke Präsenz des Landrats, eines politischen Würdenträgers, sei der Anti-WAA-Bewegung sehr zu Gute gekommen, so Nowak.

Förderung von Selbstbewusstsein, Kreativität und Offenheit

Die Geschichte des Franziskus-Marterls zeigt, dass beim Widerstand Tatkraft, Kreativität und Offenheit für Neues gefordert waren. Das äußerte sich auch bei den Andachten. Hier musste man mit einem Mal aktiv werden und sich beispielsweise Fürbitten ausdenken. „Da sind wir schon selbstständig geworden“, erklärte Nowak. Statt lateinischer Werke wurden neue geistliche Lieder mit rhythmischen Klängen gesungen. Nicht zuletzt näherten sich die beiden Konfessionen im Zuge des Widerstands an.

Ein Objekt für eine virtuelle Sammlung

Das Projekt hand.gemacht hat es sich zum Ziel gesetzt, selbstgemachte Oberpfälzer Gegenstände und ihre Geschichten in Form von 3D-Modellen zu sammeln und zugänglich zu machen. Neben dem Marterl ist das Projektteam auf viele weitere Objekte gestoßen, die im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die WAA entstanden sind. Dazu zählen „Widerstandssocken“, Transparente oder Keramikanstecker. In virtualisierter Form findet dieses handgemachte Erbe der Proteste – und damit ein Stück Oberpfälzer Zeitgeschichte – nun Eingang in die Sammlung des Projekts hand.gemacht, deren Veröffentlichung für das Frühjahr 2025 geplant ist.

Julian Moder scannt das Franziskus Marterl

 

Text und Bilder: Freilandmuseum Oberpfalz

(to)



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