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Prof. Kreiml zum Marienmonat Mai

Maria zwischen Niedrigkeit und Herrlichkeit

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Regensburg, 2. Mai 2024

Von Maria kann man kein Teilbild entwerfen, sondern muss sie in ihrer Ganzheit begreifen: Prof. Josef Kreiml beschreibt das Verhältnis von Niedrigkeit und Herrlichkeit bei der Gottesmutter.

Hinsichtlich der Marienverehrung stehen sich zwei Richtungen gegenüber: Die eine folgt dem Grundsatz „Über Maria niemals genug“ (dem hl. Bernhard von Clairvaux zugeschrieben). Die andere Richtung macht sich den Grundsatz zu eigen: „Nur ja nicht zu viel von Maria“.

Die Liebe zur Mutter Christi

Bereits 1949 hat ein Theologe diese Zwiespältigkeit so beschrieben: „Vielen Seelsorgern erscheint eine betont marianische Frömmigkeit … als subjektive Liebhaberei auf Kosten der objektiven Heilsordnung, als unnütze Störung der heute so notwendigen Christozentrik im Glauben und im Leben“ (Paul Hitz, Zur Marienpredigt heute, in: Zeitschrift „Anima“ [1949], S. 211). Andere erblicken in einer solchen kritischen Einstellung gegenüber der Marienverehrung eine gefährliche Einseitigkeit. Angesichts dieser Sachlage wäre es – so Rudolf Graber, der spätere Bischof von Regensburg (1962-1982), der 1966 das „Institutum Marianum Regensburg“ gegründet hat, in einem Vortrag im Marianischen Jahr 1954 – ein großer Gewinn, „wenn sich diese beiden Strömungen im deutschen Katholizismus zusammenfänden in der Liebe zur gemeinsamen Mutter“ (R. Graber, Grundsätze der Marianischen Verkündigung, Leutesdorf am Rhein 1954, S. 6).

Maria in ihrer Niedrigkeit

Man kann – so Bischof Rudolf Graber (1903-1992) – zu der Ansicht gelangen, dass kühle Reserve und marianischer Überschwang nicht bloß subjektiv bedingt seien, je nachdem, ob man im Abstand zu Maria verharrt oder ein persönliches inneres Verhältnis zur Mutter des Herrn gewonnen hat, sondern dass sie letztlich auf die Offenbarung selbst zurückgehen. „Vielleicht hat man … zu wenig beachtet, dass die Aussagen der Heiligen Schrift über Maria die gleiche Polarität zum Ausdruck bringen, die das Leben Jesu bestimmt, nämlich das geheimnisvolle Verwobensein von Niedrigkeit und Herrlichkeit“ (ebd., S. 6; vgl. auch Bertram Stubenrauch, Mariologie bei Bischof Rudolf Graber, in: Josef Kreiml / Sigmund Bonk [Hg.], 100 Jahre Botschaft von Fatima. Mitverantwortung für das Heil der anderen, Regensburg 2017, 200-206). Heute rückt das Bestreben in den Vordergrund, all jene Aussagen der Heiligen Schrift besonders zu betonen, die Maria in ihrer Niedrigkeit zeigen. Bei dem Vorhaben, Maria als einfache Frau ihres Volkes in ihrer schlichten Niedrigkeit zu zeichnen, kann man sich auf eine Aussage der hl. Theresia von Lisieux berufen: „Man stellt uns Maria oft als unerreichbar vor, und man sollte sie doch vielmehr zeigen, wie wir ihr nachfolgen und sie nachahmen können. Sie ist weit mehr Mutter als Königin.“ Dies lässt sich durchaus vertreten, wenn „sofort hinzugefügt wird, dass diese einfache, bescheidene Frau die Mutter des Sohnes Gottes ist“ (R. Graber, Grundsätze der Marianischen Verkündigung, S. 7). Die katholische Marienverehrung muss sich an den beiden Aussagereihen der Heiligen Schrift orientieren, die im Magnifikat zusammengefasst sind: Gott hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut, an der er Großes getan hat.

Maria vom Geheimnis Christi her verstehen

Der erste Grundsatz der Marienverehrung lautet also: Wir dürfen von Maria – so Rudolf Graber – kein „Teilbild“ entwerfen, sondern müssen von ihr in ihrer „geoffenbarten Ganzheit“ sprechen. Marias einzigartige Stellung im Heilsplan Gottes – ihre Würde als Gottesmutter – bildet den „Ausgangspunkt der ganzen marianischen Lehrverkündigung“ (ebd., S. 8). Im Geheimnis der Menschwerdung liegt auch die Lösung aller angedeuteten Schwierigkeiten bei der Marienverehrung. Christus, der in der Menschwerdung „ganz der Unsrige geworden“ ist, vertritt uns beim Vater; andererseits steht er als Gott, als Erlöser und Richter „uns gegenüber“ (ebd.). Ähnliches ist von Maria zu sagen. Sie gehört ganz zur Kirche, aber aufgrund ihrer Gottesmutterschaft und ihrer anderen Vorzüge ist sie der Kirche auch „übergeordnet“. In Bezug auf die Spannung von Niedrigkeit und Herrlichkeit ist Christus das „Urbild“ für Maria. Rudolf Graber verweist auf den „Gleichklang“ der Worte über Christus im Philipperhymnus (Phil 2,5-11; Vers 7: „er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“) und über Maria im Magnifikat (Lk 1,46-55; in Vers 48 steht das Wort „Niedrigkeit“). An beiden Schriftstellen finden wir im Griechischen dasselbe Wort. Das Geheimnis Marias ist allein vom Geheimnis Christi her zu verstehen.

Die Herrlichkeit der Mutter Christi

Die Heilige Schrift schildert die Knechtsgestalt Christi. Aber diese Knechtsgestalt des Sohnes Gottes darf „nicht mit einem reinen Menschentum des Herrn gleichgesetzt“ werden. Die Knechtsgestalt des Herrn „verhüllt etwas“. Ähnlich ist es mit der Mutter Christi – wenngleich in gebührendem Abstand zur Hoheit Christi. Wie sich unter der Knechtsgestalt Christi „die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14) verbirgt, so verbirgt sich unter der „Magdsgestalt“ Marias all das, was Gott durch Gabriel und die Kirche ihr an „ehrenden Titeln“ (R. Graber, Grundsätze der Marianischen Verkündigung, S. 12) übertrug. Maria muss – in der Marienpredigt – „ganz in ihre Zeit“ hineingestellt werden; „aber dies muss so geschehen, dass der Zuhörer spürt, hier ist Größeres verhüllt“ (ebd.; vgl. auch Hubert Windisch, Das Gebet. Eine pastoraltheologische Perspektive unter besonderer Berücksichtigung des Mariengebetes, in: Josef Kreiml / Veit Neumann [Hg.], 100 Jahre Patrona Bavariae. Marienverehrung in Bayern, Regensburg 2017, 289-303). Die Marienpredigt muss die „Herrlichkeit der Mutter des Herrn zum Leuchten“ bringen.

Durch Maria zu Jesus Christus

Maria ist – so Rudolf Graber – „das lebendige Hin-zu-Christus“. In der marianischen Verkündigung muss zum Ausdruck kommen, dass Maria „die Pforte“ ist, durch die wir zu Jesus Christus gelangen, um dann im praktisch gelebten Glauben „das Reich Gottes auszubreiten“ (R. Graber, Grundsätze der Marianischen Verkündigung, S. 17). Papst Pius XII. hat das paulinische „Auf-Christus-hin“ tief erfasst, wenn er in seinem Weltweihegebet an das Unbefleckte Herz Mariens die Bitte ausspricht, dass Marias Liebe und Schutz den Triumph des Gottesreiches beschleunigen möge. Maria gehört wesentlich zur Frohbotschaft, „genau so, wie die Morgenröte zum Sonnenaufgang gehört, indem sie ihm vorausgeht“ (ebd., S. 18).

Maria, der „vollerlöste Mensch“

Maria gehört aber auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt ins Evangelium und in die christliche Verkündigung. Das Christusereignis wird nicht nur heilsgeschichtlich vorbereitet, sondern es wirkt sich auch in der Glaubenshingabe und Lebensumkehr des Menschen aus. Christi Tod und Auferstehung haben einen neuen, erlösten Menschen geschaffen. „Dieser neue, vollerlöste Mensch ist Maria“ (ebd., S. 20). Sie erfüllt nicht nur das Auf-Christus-hin des Völkerapostels Paulus, sondern auch den anderen zentralen paulinischen Gedanken des „In-Christus-Seins“. Maria ist die neue Schöpfung Gottes. Papst Leo XIII. hat die Welt dem Herzen Jesu geweiht. Welchen Sinn hat – so können wir fragen – die Weltweihe an die Gottesmutter? Maria ist dabei – so Bischof Rudolf Graber – „eigentlich nicht das letzte Endziel unserer Weihe, sie ist gleichsam nur das Medium, durch das wir uns Christus ganz hingeben. Maria ist … die lebendige Hingabe und Beziehung zu ihrem Sohn. Wenn wir uns Maria weihen, so geben wir uns Christus hin“ (ebd., S. 21).

Die Marienlehre des Zweiten Vatikanischen Konzils

Das Zweite Vatikanische Konzil hat der Marienlehre der katholischen Kirche neue Akzente verliehen. Die Konzilsväter haben beschlossen, den Marienglauben innerhalb der Lehre über die Kirche zu behandeln. Seine wesentlichen Aussagen über die Gottesmutter hat das Konzil im achten Kapitel der Kirchenkonstitution Lumen gentium vorgelegt. Papst Paul VI. (1897-1978), der das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende führte und am 14. Oktober 2018 heiliggesprochen wurde, „war seit jeher durch eine starke Marienverehrung geprägt“ (Jörg Ernesti, Paul VI., der vergessene Papst, Freiburg 2015, S. 190). Am 13. Mai 1967 hat er – aus Anlass des 50. Jahrestags der dortigen Marienerscheinungen – eine Pilgerreise nach Fatima unternommen. Sein Apostolisches Schreiben Signum Magnum („Das große Zeichen“), das für die ganze Kirche die Bedeutung der Marienverehrung unterstreicht, hat er am selben Tag veröffentlicht. In seiner Predigt in Fatima erbat Papst Paul VI. die Fürsprache der Gottesmutter „für eine geordnete Umsetzung des Konzils, das in der Kirche so viele neue Energien geweckt“ (J. Ernesti, Paul VI., S. 192) hat. Auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs deutete der Papst seine Reise nach Fatima vor allem als Mission für den Frieden in der Welt. Nach Paul VI. sind auch die Päpste Johannes Paul II. (1982, 1991 und 2000), Benedikt XVI. (2010) und Franziskus (2017) als Pilger nach Fatima gereist. Mit seinem – vor 50 Jahren veröffentlichten – Apostolischen Schreiben über die rechte Weise und Förderung der Marienverehrung Marialis cultus (2. Februar 1974) hat Papst Paul VI. auf der Basis der Marienlehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wichtige theologische Grundsätze der Marienverehrung formuliert.

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Vorsitzender des Institutum Marianum Regensburg

(kw)



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