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Prof. Kreiml über die Feier der heiligen Messe

Die Eucharistie als höchster Lebensvollzug der Kirche

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Regensburg, 10. April 2024

Jedem Gläubigen obliegt die Verpflichtung, die kirchliche Gemeinschaft zu bewahren und zu fördern. Welche Bedeutung die Eucharistie dafür hat, erklärt Domkapitular Prof. Josef Kreiml.

In seinem Schreiben über die Eucharistie in ihrer Beziehung zur Kirche vom Gründonnerstag 2003 gibt Papst Johannes Paul II. zu bedenken, dass die gesamte Sendung der Kirche auf das eucharistische Geheimnis hingeordnet ist (vgl. Johannes Paul II., Enzyklika „Ecclesia de eucharistia“ über die Eucharistie in ihrem Bezug zur Kirche [17. April 2003], herausgegeben von der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003).

Die Eucharistie als Mittelpunkt des kirchlichen Lebens

Papst Johannes Paul II. stellt mit großer Klarheit fest: „Jedes Bemühen um Heiligkeit, jede Tat, die auf die Verwirklichung der Sendung der Kirche ausgerichtet ist, jede Umsetzung pastoraler Pläne muss die notwendige Kraft aus dem eucharistischen Mysterium beziehen und auf dieses Mysterium als ihren Höhepunkt hingeordnet sein“ (Ecclesia de eucharistia, Nr. 60). Die Wahrheit, dass die Kirche von der Eucharistie lebt, drückt nicht nur „eine alltägliche Glaubenserfahrung“ aus, sondern enthält zusammenfassend den „Kern“ des Geheimnisses der Kirche (ebd., Nr. 1). In der heiligen Eucharistie erfreut sich das Volk des Neuen Bundes in einzigartiger Intensität der Gegenwart Christi. Seit dem Pfingsttag prägt dieses göttliche Sakrament unaufhörlich das Leben der Kirche. Johannes Paul II. zitiert in seiner Enzyklika das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über Dienst und Leben der Priester („Presbyterorum ordinis“, Nr. 5). „Die heiligste Eucharistie enthält ... das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben“ (Ecclesia de eucharistia, Nr. 1).

Der Blick der Kirche ist fortwährend auf den im Sakrament des Altares gegenwärtigen Herrn gerichtet. In diesem Sakrament entdecken die Gläubigen den vollkommenen Ausdruck der unendlichen Liebe Christi. Weil die Kirche aus dem österlichen Geheimnis hervorgeht, steht die Eucharistie als Sakrament des Ostermysteriums „schlechthin im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens“ (ebd., Nr. 3). Das eucharistische Opfer vergegenwärtigt nicht nur das Mysterium vom Leiden und Tod des Erlösers, sondern auch das Mysterium seiner Auferstehung, in der das Opfer seine Vollendung findet. Weil Christus beim Vater lebt, kann er sich in der Eucharistie als „Brot des Lebens“ geben (vgl. ebd., Nr. 14).

Geheimnisvolle Gleichzeitigkeit

Mit den Worten „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“ weist die Kirche auf Christus im Geheimnis seines Leidens hin und offenbart darin auch ihr eigenes Geheimnis.Auch wenn die Kirche ihre Existenz der pfingstlichen Gabe des Heiligen Geistes verdankt, so ist „ein entscheidender Moment ihrer Entstehung sicherlich die Einsetzung der Eucharistie im Abendmahlssaal. Ihr Fundament und ihre Quelle ist das gesamte Triduum paschale [= die drei österlichen Tage]. Dieses ... ist in der eucharistischen Gabe gewissermaßen gesammelt, vorweggenommen und für immer `konzentriert´. In dieser Gabe übereignete Christus der Kirche die immerwährende Vergegenwärtigung des Ostermysteriums. Mit ihr stiftete er eine geheimnisvolle `Gleichzeitigkeit´ zwischen jenem Triduum und ... allen Jahrhunderten“ (ebd., Nr. 5). Dieser Gedanke weckt in den Gläubigen ein großes, dankbares Staunen. Im Ostergeschehen und in der Eucharistie, die das Pascha-Mysterium durch die Jahrhunderte hindurch vergegenwärtigt, liegt ein enormes „Potential“ für die ganze Menschheitsgeschichte, der Gott seine Erlösungsgnade anbieten will. Wenn sich die Kirche zur Feier der Eucharistie versammelt, muss sie sich immer wieder vom Staunen über das Heilsangebot Gottes ergreifen lassen.

Verbindung von Himmel und Erde

Johannes Paul II. unterstreicht in seiner Enzyklika auch die universale, kosmische Dimension der Eucharistie: Bei der Feier der Eucharistie wird selbst der kleine Altar einer Dorfkirche zumAltar der Welt“. Die heilige Messe „verbindet Himmel und Erde. Sie umfasst und erfüllt alles Geschaffene. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um alles Geschaffene in einem höchsten Akt des Lobes dem zurückzuerstatten, der es aus dem Nichts geschaffen hat. Indem der ewige Hohepriester durch das Blut seines Kreuzes in das ewige Heiligtum eintritt, erstattet er dem ... Vater die ganze erlöste Schöpfung zurück. Das tut er durch das priesterliche Dienstamt der Kirche zur Ehre der heiligsten Dreifaltigkeit“ (ebd., Nr. 8). Die Tatsache, dass die aus den Händen des Schöpfers hervorgegangene Welt als von Christus erlöste Welt zu Gott zurückkehrt, gehört zum Geheimnis des Glaubens, das in der Eucharistie gegenwärtig wird.

Die Eucharistie und die Sendung der Kirche

Seit der Einsetzung der Eucharistie beim Letzten Abendmahl, bei dem die Apostel zum ersten Mal in sakramentale Gemeinschaft mit Christus traten, bis zum Ende der Zeit wird die Kirche durch die sakramentale Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, der sich für uns geopfert hat, auferbaut. Das Zweite Vatikanische Konzil hat daran erinnert, dass die Feier der Eucharistie im Zentrum des Wachstumsprozesses der Kirche steht. Nach der Aussage „Die Kirche ... wächst durch die Kraft Gottes sichtbar in der Welt“ („Lumen gentium“, Nr. 3), fügen die Konzilsväter hinzu: „Sooft das Kreuzesopfer, in dem Christus, unser Osterlamm, dahingegeben wurde (vgl. 1 Kor 5,7), auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung. Zugleich wird durch das Sakrament des eucharistischen Brotes die Einheit der Gläubigen, die einen Leib in Christus bilden, dargestellt und verwirklicht (vgl. 1 Kor 10,17)“ („Lumen gentium“, Nr. 3). Durch die Gabe des Heiligen Geistes werden in der Taufe die Gläubigen in den Leib Christi eingegliedert (1 Kor 12,13.27). Durch ihre Teilnahme am eucharistischen Opfer, vor allem durch ihre volle Teilnahme am Opfer in der sakramentalen Kommunion, wird diese Eingliederung ständig erneuert und gefestigt.

Sakrament für die Menschheit

Durch die eucharistische Vereinigung mit Christus verschließt sich das Volk des Neuen Bundes keineswegs in sich selbst. Es wird vielmehr zum „Sakrament“ für die Menschheit (vgl. „Lumen gentium“, Nr. 1), zum Zeichen und Werkzeug des von Christus gewirkten Heils. Die Sendung der Kirche führt die Sendung Christi weiter. Aus der Fortdauer des Kreuzesopfers in der Eucharistie und aus der Gemeinschaft mit dem Leib und dem Blut Christi schöpft die Kirche die notwendige geistliche Kraft, um ihre Sendung zu erfüllen. So erweist sich die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt der Evangelisierung, deren Ziel die Gemeinschaft der Menschen mit Christus ist (vgl. Ecclesia de eucharistia, Nr. 22). Die gnadenhafte Vereinigung der Gläubigen mit Christus bewirkt, dass sie in Christus auch zur Einheit seines Leibes, zur Kirche, zusammengefügt werden. Kraft des göttlichen Beistands wird die Kirche durch die Heiligung der Gläubigen in der Eucharistie gefestigt (ebd., Nr. 23).

Die Gabe Christi und seines Geistes, die wir in der eucharistischen Kommunion empfangen, erfüllt in überreichem Maß die menschliche Sehnsucht nach Einheit. Zugleich hebt sie die Erfahrung geschwisterlicher Gemeinschaft, die der gemeinsamen Teilnahme am eucharistischen Tisch innewohnt, auf eine Ebene, die weit über die bloße Erfahrung menschlicher Mahlgemeinschaft hinausgeht. Durch den Empfang des Leibes Christi dringt die Kirche immer tiefer in ihr Wesen ein, „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ („Lumen gentium“, Nr. 1) zu sein. Der Tendenz zur Entzweiung unter den Menschen, die – wie die menschliche Erfahrung in schrecklicher Weise immer wieder zeigt – aufgrund der Sünde tief in die Menschheit eingegraben ist, stellt sich die schöpferische Kraft der Einheit des Leibes Christi entgegen. Die Eucharistie, die die Kirche auferbaut, „schafft gerade dadurch Gemeinschaft unter den Menschen“ (Ecclesia de eucharistia, Nr. 24).

Die Eucharistie und die kirchliche Gemeinschaft

Die Kirche auf Erden ist aufgerufen, die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott wie auch die Gemeinschaft unter den Gläubigen zu bewahren und zu fördern. Zur Erreichung dieses Zieles sind der Kirche das Wort Gottes und die Sakramente gegeben, vor allem die Eucharistie, aus der die Kirche „immerfort lebt und wächst“ (Zweites Vatikanisches Konzil, „Lumen gentium“, Nr. 26) und in der sie zugleich ihr Wesen zum Ausdruck bringt. Die Eucharistie „erscheint als Höhepunkt aller Sakramente, weil sie die Gemeinschaft mit Gott Vater im Einswerden mit dem eingeborenen Sohn durch den Heiligen Geist zur Vollendung führt“ (Ecclesia de eucharistia, Nr. 34).

Freilich kann die Feier der Eucharistie nicht der Ausgangspunkt der kirchlichen Gemeinschaft sein. Vielmehr setzt die Eucharistie die Gemeinschaft, die sie stärken und zur Vollendung führen soll, voraus. Das Sakrament der Eucharistie drückt das Band der kirchlichen Gemeinschaft aus, „sowohl auf der unsichtbaren Ebene, die uns in Christus durch das Wirken des Heiligen Geistes mit dem Vater und untereinander verbindet, als auch auf der sichtbaren Ebene, welche die Gemeinschaft in der Lehre der Apostel, in den Sakramenten und in der hierarchischen Ordnung einschließt“ (ebd., Nr. 35). Die zwischen den unsichtbaren und den sichtbaren Elementen der kirchlichen Gemeinschaft bestehende enge Beziehung ist ein wesentlicher Aspekt der Kirche als Sakrament des Heils.

Leben der Gnade und Übung der Tugenden

Die stets im Wachsen begriffene unsichtbare Gemeinschaft setzt das Leben der Gnade sowie die Übung der göttlichen Tugenden (Glaube, Hoffnung und Liebe) voraus. Nur so besteht wahrhaft Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott. „Der Glaube genügt nicht; es ist vielmehr nötig, in der heiligmachenden Gnade und in der Liebe zu verharren“ (ebd., Nr. 36). Für die Christen, die voll an der Eucharistie teilnehmen wollen, besteht die moralische Pflicht, die Unversehrtheit der unsichtbaren Bande aufrecht zu erhalten.

In diesem Zusammenhang verweist Johannes Paul II. auch auf die enge Verbindung zwischen den Sakramenten der Eucharistie und der Buße (ebd., Nr. 37). Die Eucharistie ist „die höchste sakramentale Darstellung der Gemeinschaft der Kirche. Deshalb ist es notwendig, dass sie im Kontext der Unversehrtheit auch der äußeren Bande der Gemeinschaft gefeiert wird“ (ebd., Nr. 38). Weil die Eucharistie in besonderer Weise „die Vollendung des geistlichen Lebens und das Ziel aller Sakramente“ (Thomas von Aquin) ist, müssen die Bande der Gemeinschaft in den Sakramenten wirklich bestehen. Alle Gläubigen, besonders aber die Hirten der Kirche, sind verpflichtet, die kirchliche Gemeinschaft zu bewahren und zu fördern, v. a. im sorgsamen Umgang mit der Eucharistie, dem Sakrament der Einheit der Kirche (vgl. auch Walter Kardinal Kasper, Sakrament der Einheit. Eucharistie und Kirche, Freiburg 2004).

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml

(kw)



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