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Prof. Kreiml über das theologische Verständnis der Engel

Engel als Gefährten und Freunde des Menschen

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Regensburg, 27. September 2024

Am 29. September feiert die Kirche das Fest der heiligen Erzengel Michael, Gabriel und Raphael, am 2. Oktober den Gedenktag der heiligen Schutzengel. Aufgrund der Verehrung der heiligen Engel an diesen beiden Gedenktagen ist es naheliegend, sich die Frage nach der theologischen Bedeutung der Engel zu stellen. Romano Guardini (1885-1968), ein herausragender Theologe des 20. Jahrhunderts, hat in seinem kleinen Buch „Engel. Theologische Betrachtungen“ über die Existenz der Engel nachgedacht.

Engel als Beschützer des Menschen

Der in Verona geborene Theologe Romano Guardini stellt die ursprüngliche biblische Bedeutung der Engel heraus und will die christliche Lehre von den Engeln einer sentimentalen Verharmlosung entreißen. Der Autor präsentiert eine feinsinnige Betrachtung über den „Engel des Herrn“ (vgl. Buch Genesis 32,23-33), der im Kampf mit Jakob in Erscheinung tritt. Mit dem „Engel des Herrn“ ist hier nicht ein Geschöpf gemeint, sondern Gott selbst, der „sich in die Geschichte einlässt“.

In seiner Ansprache „Die Engel der Kinder“ betont Guardini, dass „das christliche Wissen um den Schutzengel“ in erster Linie an die Christusworte des Evangelisten Matthäus (Mt 18,1-6.10) anknüpfen muss. Gottes Schöpfung enthält nicht nur das „bisschen Erde“, sondern auch übermenschliche, mit Freiheit ausgestattete Wesen. Nicht nur dem Kind, sondern jedem Menschen stellt Gott einen Engel als Beschützer zur Seite.

Neben seinen Betrachtungen, die dem Dienst der Engel im Handeln Gottes in der innerweltlichen Geschichte gewidmet sind, thematisiert Romano Guardini in seinem Vortrag „Die Engel am Throne Gottes“ (vgl. Offb 4,6-11) auch den Dienst der Geschöpfe im Raum der Ewigkeit. Dieser besteht in der Anbetung Gottes.

Gottes Nähe zu Bewusstsein bringen

In seiner Predigt zum Schutzengelfest („Der Engel des Menschen“) stellt Guardini fest, dass der heutige Mensch „zu seinem Engel keine Beziehung mehr hat“. In der Heilsgeschichte haben die Engel jedoch eine „große Bedeutung“. Sie sind gewaltige Wesen, die dem Menschen „Gottes Nähe zu Bewusstsein bringen“. Den Schutzengeln bzw. – wie Guardini sie bevorzugt nennt – den „Engeln der Menschen“ hat Gott einen besonderen Dienst im Leben jedes Menschen zugewiesen.

Eine unvoreingenommene Analyse zeigt, dass der Mensch ein „seltsames“ Wesen ist. In ihm sind „große Kräfte“, aber auch Armseligkeiten und Böses. Da er der ständigen Gefahr unterliegt, „wie Gott sein zu wollen“, stellt der Schöpfer jedem Menschen einen Engel als „Gefährten“ und „Freund“ an die Seite, der sein „Eigentliches“ schützt: das Ich des Menschen, das nur in seiner Gottesbeziehung Bestand hat. Der von Gott „ins Einvernehmen der Vorsehung“ gezogene Engel kennt den ihm anvertrauten Menschen „bis in den innersten Grund“. Sofern der Mensch jedoch in seiner von Gott geschenkten Freiheit den Anruf Gottes missachtet, kann der Engel nur hilflos und in unbegreiflichem Schmerz daneben stehen. Im Vertrauen auf das Wort Jesu (vgl. Mt 18,10) können für den Menschen die Stunden der Einsamkeit einen „neuen Sinn“ gewinnen. Selbst in der tiefsten Einsamkeit darf sich der Mensch der Solidarität seines Engels, der ein Mitgeschöpf ist, gewiss sein.

Gnade und Freiheit

Als Ausgangspunkt eines weiteren Vortrags (R. Guardini, Engel. Theologische Betrachtungen, Mainz 2016, 71-92) wählt Guardini die dritte Bitte des Vaterunsers, in der „das Geheimnis der Gnade in ihrem Verhältnis zur Freiheit“ zum Ausdruck kommt. Gegen rationalistische, d. h. in einseitiger Weise auf eine bestimmte Form der Vernunft bauende Theologen führt Romano Guardini ins Feld, dass Menschen, die im Blick auf ihre Religiosität als hochrangig angesehen werden müssen, die Wirklichkeit der Engel in unbestreitbarer Weise erfahren haben. Der wirkliche Sinn und der eigentliche Ernst des Daseins bestehen darin, dass der Schöpfergott seinen Geschöpfen (Engeln und Menschen) in unbegreiflichem Großmut die Gabe der Freiheit geschenkt hat. Die Engel sind als personale Wesen mit Einsicht, Freiheit und Verstand ausgestattet. Sie „stehen vollkommen im Willen Gottes“.

Den Willen Gottes erfüllen

Die Aussagen der Bibel über die Engel berühren uns heute „fremdartig“. Die Heilige Schrift betont, dass der Mensch weder ein bloßer „Teil der Natur“ noch ein vollkommen autonomer, d. h. allein durch seine eigene Selbstbestimmung geprägter „Herr seiner selbst“ ist. Immer ist der Mensch in Gefahr, seine Würde und Verantwortung zu vergessen oder zu übersteigern bzw. seine Person an undurchschaubare Mächte zu verlieren. In dieser Gefahr ist der Mensch von seinem Engel umgeben, der ihm hilft, seine Verantwortung zu tragen. Erst in der Erfüllung des Willens Gottes wird der Mensch „wirklich Mensch“. Er ist kein verlassenes Wesen, sondern existiert im Bund mit Gott. Romano Guardini verschweigt nicht, dass der Mensch ein „umkämpftes“ Wesen ist. Neben den guten Engeln, die den Menschen beschützen, existieren auch „abgefallene“ Engel, die den Menschen aus dem heiligen Willen Gottes herausreißen wollen.

Gemeinschaft und Verantwortung füreinander

In seinen theologischen Betrachtungen über die Engel legt Romano Guardini überzeugende Argumente vor, die für die Existenz übermenschlicher Wesen sprechen. Er macht einsichtig, dass Gott den personalen Wesen seiner Schöpfung – Engeln und Menschen – das Prinzip der Gemeinschaft und der Verantwortung füreinander eingestiftet hat. Von diesem theologischen Grundverständnis ausgehend, entfaltet Guardini mit innerer Logik die Beziehungen zwischen Engeln und Menschen. Es wäre höchst bedenklich, wenn die Theologie die Lehre von den Engeln für bedeutungslos erklären würde (vgl. auch Karl Rahner, Über Engel, in: ders., Schriften zur Theologie. Bd. 13, Zürich 1978, 381-428). In zutreffender Weise hat der evangelische Theologe Karl Barth davon gesprochen, dass für die moderne Theologie ein Engelverständnis „des Achselzuckens“ charakteristisch ist. Romano Guardini gibt in diesem Zusammenhang auf wichtige Fragen überaus anregende theologische und spirituelle Antworten.

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Leiter der Hauptabteilung Orden und Geistliche Gemeinschaften im Bistum Regensburg

(kw)



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