Pressekonferenz: Meldungen von Opfern sexuellen Missbrauchs an das Bistum Regensburg

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Zwischenbericht

Ich darf Sie alle begrüßen zum Zwischenbericht des Bistums Regensburg. Vor zwei Wochen hatten wir Sie eingeladen mit unserer ersten Stellungnahme. Aufgrund der aktuellen Berichterstattung über sexuellen Missbrauch hatten sich auch bei uns Menschen gemeldet, die in Einrichtungen der Kirche Leid und Unrecht erlitten hatten. Nach den ersten Gesprächen erkannten wir den dringenden Wunsch der Opfer, über diese Straftaten zu sprechen, auch wenn sie teilweise bis in die direkte Nachkriegszeit zurückreichen und manche Täter von damals angezeigt, vor Gericht gestellt, verurteilt und bestraft wurden. Damals wurde versäumt, das Leiden der Opfer in den Blick zu nehmen und das Unrecht, das sie erlitten hatten, aufzuarbeiten.

Wir versprachen bei der letzten Pressekonferenz, systematisch die Fragen zu beantworten: Welche Missbrauchsvorkommnisse gab es in der Diözese Regensburg, wer waren die Täter und wer waren die Geschädigten?

Dabei verfolgen wir drei Ziele:

  1. Gerechtigkeit und Hilfe für die Opfer

  2. Strafrechtliche und kirchenrechtliche Verfolgung der Täter

  3. Verhindern zukünftiger Straftaten

Um diesen Zielen gerecht zu werden, setzte das Bistum drei Fachleute ein:

Frau Dr. Birgit Böhm, als Beauftragte zur Klärung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs,

Frau Angelika Glaß-Hofmann, als Beauftragte zur Klärung von Vorwürfen der Körperverletzung,

Herrn Rechtsanwalt Dr. Andreas Scheulen mit dem Auftrag, die Straftaten der 50er, 60er und 70er Jahre zu recherchieren und Vorwürfe der Körperverletzung strafrechtlich abzuklären.

Die Beauftragung Frau Glaß-Hofmanns wurde notwendig, weil uns die Anrufe mit Vorwürfen der Körperverletzung zeigten, dass hier oft ein ganz anderer Tätertyp auftrat, dass auch die Opfer häufig andere Bedürfnisse äußerten und dass beide Straftatsbestände getrennt voneinander zu betrachten sind, wenn man den Opfern gerecht werden will. Der größte Teil der Anrufe im Bereich Körperverletzung konzentrierte sich dabei auf das Grundschulinternat in Etterzhausen, das bisher häufig als institutionelle Einheit mit den Einrichtungen der Domspatzen genannt wurde. Beide Einrichtungen unterscheiden sich in der Administration, im Ort, im Lehrkörper, in den Aufsichtsgremien und in der Trägerschaft. Sie haben so viel gemein wie etwa der Bayerische Rundfunk und das ZDF. Dieses Feld wird zurzeit intensiv aufgearbeitet und wir werden dazu ausführlich informieren, sobald wir auf belastbare Informationen zurückgreifen können.

Die Informationen, die wir Ihnen heute vorstellen, beschäftigen sich mit Straftaten sexuellen Missbrauchs.

Dabei werden wir Ihnen unterschiedliche Gruppen Geschädigter vorstellen. Grundsätzlich möchten wir uns bei allen Opfern für das Vertrauen bedanken, mit dem sie sich an uns wandten. Die Arbeit der vergangenen 14 Tage zeigte uns schweres Unrecht, dass Geistliche und kirchliche Mitarbeiter begingen. Unser ganzes Mitgefühl gilt den Opfern dieser Untaten und ihren Familien. Wir bedauern zutiefst, was Geistliche und kirchliche Mitarbeiter diesen Kindern und Jugendlichen antaten und bitten an ihrer Stelle um Vergebung.

Wenn der Beschuldigte verstorben ist …

Eine Gruppe Geschädigter wendet sich an uns mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs, die sie gegen bereits verstorbene Geistliche vorbringt. Die jüngste vorgeworfene Tat geht auf das Jahr 1975 zurück, alle anderen Vorwürfe beziehen sich auf die Zeit zuvor. Unsere ganze Aufmerksamkeit gilt den geschädigten Personen, die sich gemeldet haben und vielleicht noch melden. Wir nehmen die Schilderungen sehr ernst und verweisen auch auf Möglichkeiten zur Therapie. Auch nach Jahrzehnten der Verdrängung und des Traumas gibt es gute Möglichkeiten aufzuarbeiten. Mittlerweile ist die therapeutische Aufarbeitung von Traumatisierungen gut erforscht. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, welche Verfahren wirksam sind. Durch bildgebende Verfahren kann man sogar an der Gehirnstruktur die Wirkung nachweisen. So möchte ich auf jeden Fall unter Traumatisierungen Leidende ermutigen, sich in Therapie zu begeben. Sie können dadurch zu einer guten Lebensqualität kommen.

Wir versuchen, auch nach Jahrzehnten durch interne Recherchen Licht ins Dunkel zu bringen und den Betroffenen dadurch zu helfen. Wir schauen Akten durch und befragen mögliche Zeitzeugen.

Wir sind im Moment zurückhaltend, die Namen der beschuldigten, verstorbenen Geistlichen zu veröffentlichen, solange nicht eine gewisse Sicherheit für die Tat vorhanden ist und solange die Geschädigten es nicht wollen.

Wenn der/die Beschuldigte noch lebt …

Derzeit haben sich sieben Personen gemeldet, die Vorwürfe gegen sechs lebende Personen wegen sexuellen Missbrauchs erheben.Fünf der sechs vorgeworfenen Taten liegen vor Mitte der 70er Jahre, eine mutmaßliche Tat war 1984. Das zeigt, wie lange es dauern kann, bis die Geschädigten den Mut finden, sich zu melden. Das Thema „Sexualität“ und noch einmal mehr der „sexuelle Missbrauch“ wird in unserer Gesellschaft sehr stark tabuisiert. Wenn ein Kind körperliche Übergriffe erlebt, weiß es zunächst womöglich gar nicht, was ihm geschieht und dass es unrecht ist. Es traut vielfach seinen Gefühlen nicht, die ihm sagen, dass das nicht richtig ist, dass es unangenehm oder ekelhaft ist.Wagt es doch, damit auf Bezugspersonen zuzugehen, stößt es häufig auf taube Ohren, Nicht-Glauben oder sogar Ablehnung. Mir haben Betroffene erzählt, sie hätten Schläge von Mutter oder Vater bekommen, als sie ihnen darüber berichteten. So schwiegen sie wieder und zweifelten an sich und ihrer Wahrnehmung.Außerdem gehören fast immer zu Traumatisierungen auch Schuldgefühle. Die Kinder fühlten sich grundlos mit schuld am Geschehen und schwiegen aus Scham.Nach Jahrzehnten berichteten erste Betroffene, die vielleicht durch einen therapeutischen Prozess soweit gekommen waren oder durch ein aktuelles Ereignis dazu angeregt waren. Da litten die anderen Betroffenen wieder verstärkt unter ihren Belastungen und äußerten ihr Erleben ebenfalls – sie sind jetzt auch keine hilflosen Kinder mehr.Die beschuldigten Personen sind:

- ein Pfarrer, zwei Ordensgeistliche und ein ehemaliger Ordensmann. Drei der vier Priester wohnen außerhalb unserer Diözese, die Diözesen wurden bereits informiert.

- zwei Ordensschwestern. Beide Schwestern - sie gehören unterschiedlichen Gemeinschaften an, eine davon wohnt in unserer Diözese - sind dement und kaum ansprechbar.

Das weitere Vorgehen sprechen wir in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft ab.

Meldungen gegen verurteilte Geistliche

Gegen Geistliche, die wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schon verurteilt wurden, gab es drei neue Meldungen von Geschädigten. Zwei dieser Personen wandten sich ausschließlich an die Medien. Ein weiteres wandte sich an uns.

 

- zwei Opfer von Friedrich Z., der 1958 verurteilt wurde

- ein Geschädigter von Georg Z.

Georg Z. wirkte 1959 acht Monate als Direktor der Domspatzen. Nach Recherchen Dr. Scheulens sind für diesen Zeitraum bisher keine Straftaten nachgewiesen. Georg Z. wurde 1969 zu einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die Geschädigten waren Jungen im kindlichen und jugendlichen Alter. Die Taten geschahen, soweit wir es bisher absehen können, in und um Eslarn, nicht in Regensburg. Dafür spricht auch der Sitz des damals zuständigen Landgerichts Weiden. Die Übergriffe stehen in Zusammenhang mit der Tätigkeit von Georg Z. für das von ihm gegründete Jugendmusikcorps in Eslarn. Ein weiteres Opfer aus dem familiären Umfeld in Eslarn hat sich jetzt über eine Zeitung gemeldet.

Die Einsicht in die Gerichtsakten von Friedrich Z. und Georg Z. haben wir beantragt.

Schilderungen der Arbeit von Fr. Dr. Böhm

Bei mir haben in den letzten Wochen sehr viele Menschen angerufen oder sich per mail gerührt. Es fanden auch eine Reihe persönlicher Kontakte statt. Ich möchte den Menschen auf diesem Wege für Ihr Vertrauen danken und Ihnen als Medienvertreter und –vertreterinnen, dass Sie meinen Vertrauensaufruf so gut nach außen transportiert haben.

Sie werden sich nun wundern, wie aus den vielen Kontakten doch relativ wenige Tatvorwürfe wurden. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Selbstverständlich ist ein Übergriff bereits einer zuviel.

Die Menschen nehmen oft sehr vorsichtig Kontakt auf; sie überlegen genau, ob sie etwas sagen. Sie fragen mich, wer ich bin, wie meine Rolle definiert ist, und was ich in welcher Form weitergebe.

Aus Ängsten und Misstrauen heraus sind die Kontaktaufnehmenden häufig unkonkret bzgl. Täter und/oder Tatvorwurf. Zum Teil sind sie sich auch nicht sicher, wie der Täter oder die Täterin geheißen hat. In diesem Fall unterstütze ich die Menschen mit Namenslisten und Fotos.

So gab es für fast jeden der geschilderten Tatvorwürfe mehrere Kontakte mit mir. Dazu kommt, dass in einer Reihe von Kontakten noch kein konkreter Tatvorwurf geäußert und kein konkreter Täter benannt wurde.…

Meldung an die Staatsanwaltschaft

Konkrete Hinweise auf mögliche Straftaten geben wir an die Staatsanwaltschaft weiter - unabhängig von Verjährungsfristen. Diese zu befinden ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Dies ist bisher im Fall gegen den beschuldigten Geistlichen Sturmius W. und in der Beschuldigung durch Maria P. (Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“) geschehen. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft ist eine Weitergabe nicht sinnvoll, wenn der Beschuldigte schon verstorben ist, da dann eine strafrechtliche Verfolgung nicht mehr möglich ist. Wenn der oder die Geschädigte eine Weitergabe entgegen unserer Empfehlung ausdrücklich nicht möchte, stehen wir vor einer Güterabwägung: auf der einen Seite die Schweigepflicht der Therapeutin und auf der anderen Seite der Schutz möglicher anderer Opfer vor dem Täter. Im Zweifelsfall werden wir diese Abwägung mit der Staatsanwaltschaft besprechen.

Kirchenrechtliche Folgen

Bei einem konkreten Hinweis auf sexuellen Missbrauch durch einen Geistlichen oder einen kirchlichen Mitarbeiter werden wir diesen für die Dauer der Untersuchungen vom Dienst suspendieren oder beurlauben. So sehen es die Bischöflichen Leitlinien vor.

Falls die Staatsanwaltschaft die Unschuld des Beschuldigten feststellt und die anschließende kirchenrechtliche Untersuchung sich dem voll anschließt, wird der Geistliche oder der Mitarbeiter wieder ganz normal eingesetzt.

Wenn das weltliche Gericht die Beschuldigung als erwiesen sieht, wird die Diözese dies als Grundlage für die kirchenrechtlichen Folgen sehen.

Wenn die Staatsanwaltschaft den Vorwurf nicht weiter verfolgt, kann die Diözese gemäß dem Kirchenrecht dennoch Auflagen oder Kirchenstrafen verhängen. Auf Antrag der Diözese hebt die Glaubenskongregation in der Regel sogar die kirchenrechtliche zehnjährige Verjährung von sexuellem Missbrauch Minderjähriger vollständig auf, so dass die Diözese auch lange zurückliegende Beschuldigungen gegen lebende Geistliche und Mitarbeiter noch verfolgen und ahnden kann, bei Klerikern normalerweise mit der Entlassung aus dem Klerikerstand („Laisierung“), wie kürzlich mit Peter K. geschehen.

Was wir künftig angehen

Geschehenes Unrecht ahnden, künftiges verhindern - dazu müssen wir unsere Präventionsmaßnahmen verstärken. Einen Verhaltenskodex für alle Einrichtungen, die in der Kirche mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, werden wird beraten, verabschieden und dienstrechtlich verankern. Dadurch wollen wir sündhaftes, übergriffiges und distanzloses Verhalten zurückdrängen, selbst in Fällen, deren Ahndung die Strafjustiz nicht vorsieht. In gleicher Weise brauchen wir in den kirchlichen Einrichtungen und Gruppierungen, in denen Kinder und Jugendliche sind, Erstansprechpersonen, an die sich Betroffene wenden können und die Hilfe weitervermitteln. Diese Maßnahmen müssen begleitet werden durch ein angemessenes Bildungsangebot für Geistliche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.  



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