Premiere der „Neuen Tirschenreuther Passion 2022“
Warum Passionsspiele den Glauben stärken
Tirschenreuth, 21. Oktober 2022
Am Freitag feierte die Neuinszenierung der „Tirschenreuther Passion“ im Kettelerhaus in Tirschenreuth vor rund 400 Zuschauern, Vertretern der Stadt und des Landkreises Tirschenreuth sowie Vertretern des Bistums Regensburg mit Bischof Rudolf Voderholzer ihre Premiere.
Bischof Rudolf beeindruckt von außerordentlich gelungener „Tirschenreuther Passion“
Bereits 2020 sollte die Neuinszenierung der „Tirschenreuther Passion“ im Kettelerhaus in Tirschenreuth auf die Bühne kommen. Kurz vor der Premiere wurden aufgrund der Corona-Pandemie alle Aufführungen abgesagt. Zweieinhalb Jahre danach fiel am vergangenen Freitag endlich der sprichwörtliche Vorhang. Vor einer nahezu ausverkauften Premiere zeigte das Ensemble, das überwiegend aus Laiendarstellern besteht, eindrucksvoll den Leidensweg Jesu Christi. Bei vollkommener Dunkelheit zogen die Darsteller – zum Teil mit einer Kerze in der Hand – von oben über die Zuschauertribüne mitten durch das Publikum bis hin zum gigantischen Theaterfelsen. Mit einem Gong wurden die diesjährigen Passionsspiele eröffnet. Bischof Rudolf zeigte sich ergriffen im Anschluss an die Premiere: „Das Warten hat sich gelohnt und ich bin sehr, sehr bewegt muss ich sagen. Ich kann nur staunen aber auch aus innerer Bewegung heraus ein großes Lob, einen großen Dank und Bewunderung aussprechen“. Die Umsetzung sei in vielfacher Hinsicht außerordentlich beeindruckend und gelungen.
Große Hingabe und schauspielerisches Talent
Vor allem lobte Voderholzer die besondere Interpretation des Judas. In der Rolle des Judas war Bernhard Neumann aus Erbendorf zu sehen. „Es war eine stimmige Interpretation dieses Mysteriums, eine Rolle mit großer Schuld, die nicht auflösbar sei, weswegen Judas auch neutestamentlich eine paradoxe Gestalt, eine widersprüchliche Gestalt, eine außerordentlich herausfordernde Gestalt ist“, so Voderholzer. Er habe schon andere Interpretationen gesehen, die ihn nicht so überzeugt hätten. Julian Mühlmeier aus Schwarzenbach bei Bärnau verkörperte auf authentische und eindrucksvolle Art und Weise die Person des Jesus. Mit großer Hingabe und schauspielerischem Talent machte der junge Mann deutlich, wie grausam und quälend der Leidensweg Jesu war.
Auch den Leidenswerkzeugen, also den Folterwerkzeugen, wie Kreuz, Dornenkrone, etc., die in direktem Zusammenhang mit dem Leidensweg Jesu stehen, verlieh die Inszenierung eine besondere Rolle in der Passion: Auf einer separaten Bühne stellten die Darsteller diese Werkzeuge, auch Arma Christi genannt, anhand von Bibelzitaten in den Mittelpunkt.
„Mei Bou is gstorm, mei Kind is doud“ – Mundart und die Rolle der Frauen um Jesus
Wie schon in den vergangenen Jahren wird auch die „Neue Tirschenreuther Passion 2022“ im Oberpfälzer Dialekt gespielt. Um einen Kontrast zu schaffen, sprechen alle Darsteller bis auf Jesus, die Römer und die vier Evangelisten in Mundart, so beispielsweise auch Maria, klagend in der Szene der Kreuzigung ihres Sohnes: „Mei Bou is gstorm, mei Kind is doud“.„Das ist auch in Ordnung so, weil es natürlich auch der Brückenschlag in die Gegenwart, der Brückenschlag ins Hier und Jetzt ist“, schilderte Voderholzer, „die Passion ist ja nicht nur ein historisch vergangenes Geschehen, sondern in gewisser Weise wiederholt sich das ja und wir sind alle auch Mitspieler.“ Die historische Einmaligkeit schließe nicht aus, dass es vergegenwärtigt werden kann und muss, insofern sei jedes Passionsspiel auch Interpretation, müsse aber der biblischen Überlieferung treu bleiben, so der Bischof weiter. Die Texttreue sei in der „Tirschenreuther Passion“ aber allemal gegeben. Neben den Jüngern und Jesus, die – wie in jeder Passion – sehr präsent sind, spielen in der Neuinszenierung auch die Frauen eine tragende Rolle. Die Figur der Maria Magdalena, die von Judith Mehler aus Tirschenreuth verkörpert wird, stelle ihrer Aussage nach sozusagen die Speerspitze der Frauen um Jesus dar und trete häufig in Interaktion. Auch in der Rahmenhandlung – den Evangelistenrollen – liegt eine Besonderheit. Für die Rollen der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes wurden zwei weibliche Darstellerinnen besetzt.
Die vier Evangelisten führten wie eine Art Erzähler durch das Stück und waren in jeder Szene präsent. Dies sei den Regisseuren besonders gut gelungen, würdigt Voderholzer, denn sie würden auf diese Art und Weise die Verankerung im biblischen Zeugnis immer wieder vor Augen stellen.
Passionsspiele als Medium der Glaubensvermittlung
Die Passionsspiele, die christlich-geistlichen Dramen um das Leiden und Sterben Jesu sind im Laufe der Geschichte entstanden und waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in ganz Europa verbreitet. Mit den Passionsspielen wurde das Neue Testament sichtbar dargestellt und eingängig gemacht. Die weltweit bekanntesten Passionsspiele finden alle zehn Jahre in Oberammergau statt. Heute fungieren Passionsspiele, so Voderholzer, als „ein Medium der Glaubensverkündigung, ein Medium der Glaubensweitergabe“. Darüber hinaus nimmt Voderholzer an, dass sich der Glaube bei den Mitwirkenden festige: „Jeder und jede, die mitgespielt haben, werden das in ihr Leben so integrieren, dass es sie auch verwandelt, dass es sie mitnimmt und diejenigen, die sich von diesem Spiel auch ergreifen lassen, werden etwas mitnehmen an Glaubensstärkung, an Trost“.
Zuschauer begeistert von der „komplett neuen Passion“
Auch bei den Zuschauern fand die Premiere großen Anklang. Hier wurden die eigens für die Neuinszenierung geschneiderten Kostüme hervorgehoben, die neue Licht- und Soundanlage sowie die Zuschauertribüne. Außerdem waren die Menschen „sehr beeindruckt“ von der schauspielerischen Leistung, der Bühnenkulisse, dem gigantischen Theaterfelsen. Zudem seien die Szenen „unheimlich ergreifend“ umgesetzt worden und die Verbindung aus Publikum und Akteuren habe „besonders viel Kraft entwickelt“. Kurzum eine „komplett neue Passion“.
„Die Neue Tirschenreuther Passion 2022“ auf der Höhe unserer Zeit
Die Neuinszenierung der „Tirschenreuther Passion“ erfolgte unter der Regie des Autors Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landestheaters Innsbruck, in Zusammenarbeit mit Regisseur Stefan Tilch, Intendant des Landestheaters Niederbayern. „Die Neue Tirschenreuther Passion 2022 beleuchtet das historische Geschehen aber mit einem zeitgenössischen Blick, insbesondere in Bezug auf die Figur des Judas und die überlieferte Rolle der Frauen um Jesus. Damit – und insbesondere auch durch die Erzählweise der vier Evangelisten – präsentiert sie sich im Kontext anderer wichtiger Passionsspiele auf der Höhe unserer Zeit“, so Regisseur Johannes Reitmeier. Die „Tirschenreuther Passion“ ist ein außerordentlicher, kultureller Schatz in der Kreisstadt, 1997 uraufgeführt und seit 2000 alle fünf Jahre gespielt.
Weitere Aufführungen und EUROPASSION 2027
Weitere Aufführungen der „Neuen Tirschenreuther Passion 2022“ finden am 28., 29. und 30. Oktober sowie am 01., 04. und 05. November im Kettelerhaus in Tirschenreuth statt. Tickets sind unter www.nt-ticket.de, www.okticket.de oder bei der Tourist-Information in Tirschenreuth erhältlich. Eine Eintrittskarte für die Passion ermöglicht 2022 auch den kostenlosen Besuch des Museums-Quartiers Tirschenreuth. Unter anderem findet dort ab 29. Oktober eine Ausstellung mit Bildern der Heiligen Familie von dem international bekannten Maler Jan Knap aus Planá (Tschechien) statt. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte „Die Neue Tirschenreuther Passion“ im Frühjahr 2020 nicht als EUROPASSION aufgeführt werden. 2027 soll dies nun nachgeholt werden.
Text: Corinna Hagn/jas, Fotos: Norbert Grüner