News Bild Person der Woche: Luitgard Biederer-Wutsios, Klinikseelsorgerin in St. Hedwig

Person der Woche: Luitgard Biederer-Wutsios, Klinikseelsorgerin in St. Hedwig

Wenn das Licht der Sternenkinder leuchtet

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Regensburg, 4. Oktober 2024

Weinen, hilflos sein, schweigen: Luitgard Biederer-Wutsios erlebt in ihrer Rolle als Seelsorgerin in der Regensburger Klinik St. Hedwig Eltern in Ausnahmesituationen. Wie sie die Familien durch Krisen und schwere Zeiten begleitet und was überhaupt helfen kann, wenn Eltern ihr Kind zu früh verlieren, erzählt sie im Interview.

Sie sind als Klinikseelsorgerin in der Klinik St. Hedwig tätig, der Kinderklinik der Barmherzigen Brüder. Mit welchen Themen werden Sie dort als Seelsorgerin konfrontiert?

Als Klinikseelsorgerin in St. Hedwig begleite ich Frauen und Kinder auf den mir zugewiesenen Stationen. Mein Ansatz ist ein offener, d.h., ich richte mich erstmal nicht konfessionell aus, sondern gehe zu all denen, die ein Gespräch wünschen, die gerade Krisen durchleben, deren Kind erkrankt ist oder die sogar um das Überleben ihres Kindes bangen. Dabei hilft mir die hervorragende interdisziplinäre Zusam­men­arbeit im Haus. Ich werde zuverlässig eingebunden und mitinformiert. Von mir wird erwartet, dass ich in den Begleitungen mein Profil als kirchliche Seelsorgerin einbringe, also auf die religiösen und spirituellen, aber auch existenziellen Fragen und Anliegen der Leute eingehe. Damit wird dem ganzheitlichen Ansatz unseres kirchlichen Hauses entsprochen. Einer meiner Schwerpunkte ist die Begleitung in Situationen von Fehl- und Totgeburten („Sternenkinder“) in enger Zusammenarbeit mit den Klinikpsycholo­ginnen.

Im Oktober bieten Sie einen „Sternenkinder-Gottesdienst“ an, im November einen „Tag für Eltern von Sternenkindern“. Nicht jeder weiß, worum es bei dem Begriff „Sternenkinder“ überhaupt geht, können Sie das ein wenig erklären?

Der Begriff „Sternenkinder“ ist kein gesetzlich streng geschützter Begriff, vielmehr eine poetische liebevolle Wortschöpfung von Eltern für ihre Kinder, die vor, während oder bald nach der Geburt gestorben sind: Kaum dass sie zu leben begonnen haben, haben sie den Himmel schon erreicht, von wo fortan ihr Licht den Familien leuchtet. Betroffene haben in diesem Bild immer schon Trost gespürt und Bedeutung erfahren, zumal es aufgrund besonderer Anforderungen der Personenstandsgesetzgebung für sehr klein Verstorbene (totgeboren unter 500 g oder vor der 24. Schwangerschaftswoche verstorben) lange keine Möglichkeit gab, das eigene kleine Verstorbene als Person in das Geburts- bzw. Sterberegister eintragen zu lassen.

Wie wichtig ist es für die Eltern und anderen Angehörigen von Sternenkindern, seelsorgerliche Begleitung zu bekommen?

Aus meiner Erfahrung äußerst wichtig und hilfreich. Wenn Eltern ihr Kind während der Schwangerschaft oder rund um den Zeitpunkt der Geburt verabschieden müssen, sind sie in einer absoluten Ausnahme­situation. Wenn ich zu ihnen ins Zimmer komme, geht es einfach nur ums „Zulassen dürfen“, den Emotionen Raum geben dürfen, weinen dürfen, hilflos sein dürfen, schweigen dürfen, klagen dürfen. In dieser „Ermöglichungsrolle“ werde ich als Seelsorgerin sofort verstanden und angenommen. Das hat mich schon oft überrascht, denn ich muss mich kaum erklären. Und die Frage, ob jemand religiös ist, christlich ist, muslimisch ist, ohne Glaubens ist oder gar antikirchlich eingestellt spielt erstmal kaum eine Rolle. Freilich im weiteren Verlauf kommen die Anliegen religiöser Art durchaus mit zur Geltung. Eltern sind oft dankbar für eine Segnung ihres kleinen toten Kindes in der Moses-Schale und erleben es als würdigen Moment des Innehaltens und dem Kind „eine Bedeutung Gebens“ vor Gott und in der Welt. Darin spüren sie Trost. Aber nicht alle wollen den religiösen Gestus. Auch ihnen möchte ich Stärkendes mit auf den Weg geben, reiche eventuell ein kleines Giveaway, widme dem Kind ein berührendes Gedicht oder begleite, wenn gewünscht, in den Raum der Verabschiedung.

Die Thematik ist sehr traurig. Wie kann man den Familien überhaupt Unterstützung geben? Was hilft in so einer Situation?

Ich denke, es ist einfach dieses „Dasein“ und die gegenwärtige Situation für Eltern im Zimmer mit aushalten. Mir hat eine Mutter einmal gesagt: „Als ich Sie gesehen habe, habe ich mich sicher gefühlt.“ Das war erstaunlich, denn da hatte ich erstmal noch gar nichts „getan“. Konkrete Hilfestellung und Unterstützung gebe ich dann bei all den Fragen rund um die Bestattung. Eltern müssen sehr schnell Entscheidungen treffen, zu denen sie noch gar nicht in der Lage sind. Sie brauchen Informationen und Unter­stützung. Da engagiere ich mich gerne, gerade auch für Menschen anderer Religio­nen und aus anderen Ländern.

Verständnisvolle, vertrauenerweckende Seelsorgerin

Luitgard Biederer-Wutsios leistet als Seelsorgerin in der Klinik St. Hedwig Familien Beistand. © Christina Döllinger

Welches Erlebnis ist Ihnen in Ihrer langjährigen Tätigkeit besonders im Gedächtnis geblieben?

Ich erinnere mich an eine Frau, die während der Schwangerschaft erfuhr, dass ihr Kind aufgrund einer genetischen Besonderheit keine Chance zum Überleben haben würde, ja, es womöglich nicht einmal bis zur Geburt schafft. Da die Eltern christlichen Glaubens waren, entschieden sie sich klar dafür, dem Kind die eigene Lebenszeit gewähren zu wollen, obwohl viele Fragen und Ängste mit dabei waren. Wir alle in der Klinik waren sehr bemüht um diese Eltern und unterstützten in vielfältiger Weise. Tatsächlich schaffte es das Kind bis zur Geburt und wurde im OP-Saal vom Klinikpater auch sogleich getauft, was voraus besprochen war. Ein paar Tage später, das Kind war bereits verstorben, verriet mir die Mutter im Gespräch den Grund der Namenswahl: „Wir haben unser Kind ‚Emanuel‘ getauft, Gott mit uns, weil diese schwierige Zeit von Schwangerschaft und Geburt auch eine Gotteserfahrung für uns war. Wir waren nicht allein und wir haben hier in der Klinik Herberge gefunden.“ Das hat mich sehr beeindruckt.

Interview: Katharina Winterlich

(kw)

Weitere Infos

Die jährlichen Sternenkinder-Gottesdienste in der Klinikkirche St. Hedwig gibt es seit 2004. Betroffene über die Klinik St. Hedwig hinaus sind alle Jahre im Oktober dazu eingeladen. Der Sternenkinder-Gottesdienst findet dieses Jahr am Donnerstag, 10. Oktober 2024, um 17 Uhr in der Klinikkirche St. Hedwig statt.

Seit 2019 gibt es außerdem den sogenannten Tag für Eltern von Sternenkindern, der heuer am Samstag, 23. November 2024 in der Jugendbildungsstätte Windberg stattfindet. Eine erfahrene Trauerbegleiterin gestaltet den Tag. Sie gibt Impulse zur Trauerbewältigung und ermöglicht wertvollen Austausch untereinander. Für den Tag können sich Eltern von Sternenkindern noch bis zum 9. Oktober anmelden.

Sehen Sie sich weitere Menschen unserer Diözese an, die wir Ihnen als Person der Woche vorgestellt haben.



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