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Person der Woche - Interview mit Regionaldekan Markus Brunner

Die Vitalität der Kirche liegt zu einem Gutteil an uns

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Amberg, den 11. Juli 2024

Die Pressestelle hat Regionaldekan Markus Brunner in Amberg getroffen und darüber gesprochen, wie die Kirche wieder zu Menschenfischer werden kann. Aber auch die großen Herausforderungen, vor denen die Kirche derzeit steht sowie die Aktivitäten des Dekanats zum 1100. Geburtstag des Heiligen Wolfgang waren Thema des Gespräches.

Warum sind Sie Priester geworden?

Schon von Kindheit an wollte ich Pfarrer werden. Ich habe als so genannter Spätberufener zwar einen kleinen Umweg gemacht, aber letztlich war die innere Stimme immer da, die mir den Weg gewiesen hat - und sie ist es noch. Für mich war es also keine Abwägung, welcher Beruf mir entsprechen würde und ob ich mir vorstellen könnte, Priester zu werden. Es war letzten Endes die logische Antwort auf das, was mich schon immer bewegt hat.

Wie kann man aktuell junge Menschen für die Kirche gewinnen? Wie können wir wieder zu Menschenfischern werden?

Das ist eine enorme Herausforderung. Erster Ort der Glaubensvermittlung und des gelebten Glaubens ist die Familie. Aber das war einmal. Kinder und Jugendliche kommen meist nur noch durch die „Hauptamtlichen“ mit dem christlichen Glauben und der Kirche in Berührung, also in den Kindertagesstätten, im Religionsunterricht und durch die Angebote in den Pfarrgemeinden. Dort wird Wertvolles geleistet und so manche bzw. mancher, der zu Hause nicht mit dem kirchlichen Glauben in Berührung gekommen ist, zeigt ein beachtenswertes Engagement. Aber den Glauben für sich entdecken und pflegen muss jeder selbst. Wir können als Begleiter und Motivator nur ein gutes, vorbildliches Beispiel geben. Und da wären wir bei der Frage, wie wir Menschen für Gott gewinnen können. Da gibt es meines Erachtens einige Anhaltspunkte. Erstens: Wir müssen nahbar sein; in Gestus, Sprache und Habitus nicht abgehoben, sondern natürlich und zugänglich. Der zweite Punkt: Die Leute müssen spüren können, warum wir Priester geworden sind. Dazu gehört ein erkennbares Überzeugt-sein von seiner Berufung. In unserer medienaffinen und -geprägten Gesellschaft besteht die Gefahr, dass wir unbedingt ankommen wollen. Das ist zunächst nicht schlecht, sondern ein berechtigtes Erfordernis. Aber wenn der Priester zu sehr den Entertainer oder Showmaster gibt, kann er vordergründig durchaus die Menschen begeistern – aber für sich!  Ist das jedoch etwas Beständiges und Solides? Ich denke nicht. Um Menschen für Gott und seine Kirche gewinnen zu können, sollten wir uns dahingehend zurücknehmen, dass in der Art unserer Verkündigung und in unserer Lebensführung ER durchscheinen kann. Was nicht heißt, dass wir „der Welt entsagen müssten“. Bestimmt nicht. Wenn man Menschenfischer sein will, muss man erst recht mitten im Leben stehen, man darf nicht zu vergeistigt oder aus der Zeit gefallen wirken und zu versteift auftreten, aber auch nicht zu anbiedernd. Wir sollten, um das bisher Gesagte zusammenzufassen, einfach nur wahrhaftig sein, menschenfreundlich, gesprächsbereit, verlässlich, eifrig in dem Aufgabenbereich, der uns übertragen ist, und in allem eine feste Überzeugung ausstrahlen, warum wir glauben und warum wir als Menschen, die in der Nachfolge Christi stehen, unsere Mitmenschen für den Glauben begeistern wollen.

Welches sind die großen Herausforderungen, vor denen die Pfarreien stehen?

Am eklatantesten fallen die zurückgehenden Zahlen ins Auge. Es gibt immer weniger Priester, Diakone, Ordensleute und pastorale Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter. Es schmerzt besonders, dass unsere Kirchen immer leerer werden. Und schließlich geht auch die Bereitschaft zurück, sich ehrenamtlich einsetzen zu wollen. Das erfordert strukturelle Straffungen. Die pastorale Planung im Bistum versucht den verändernden Verhältnissen gerecht zu werden. Es kann und muss auch nicht so weiter gehen wie bisher, weil die Koordinaten, innerhalb derer wir uns bewegen, sich verschoben haben. Die neuen Bedingungen werden viel Geduld, Verständnis und Kompromissbereitschaft von den Seelsorgern und den Gläubigen abverlangen. Wenn man eins sein bzw. werden will, muss man sich zuerst einig sein. Es ist also unabdingbar, dass alle die Bereitschaft zu einem vernunftgeleiteten Miteinander vorweisen. Und schließlich müssten die Seelsorger zügig von seelsorgefremden Belastungen soweit als möglich entlastet werden. Wenn wir all das bedenken und danach handeln, können wir meines Erachtens den sich verändernden Verhältnissen in den Pfarreien adäquat begegnen.

Wie kann man das Ehrenamt stärken?

Eine wertschätzende Haltung gegenüber den Menschen in der Pfarrei wäre der erste Schritt. Sie müssen den Eindruck haben, dass sie als Person wahrgenommen werden. Dazu gehört eine offene Kommunikation, das Ringen um gute Lösungen für die sich ergebenden Fragestellungen und dass man das Gefühl vermittelt, dass jeder einzelne gebraucht wird. Der zweite Schritt wäre, die Leute anzusprechen. Die meisten warten darauf, dass der Pfarrer persönlich auf sie zugeht. Wenn sie dann spüren, dass sie tatsächlich gewollt sind, kann das zum gewünschten Erfolg führen. Der Vollständigkeit halber darf nicht unerwähnt bleiben, dass es immer schwieriger wird, Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern. Ungeachtet dessen soll man auf die schauen, die da sind und sich bereit erklären, Mitverantwortung zu übernehmen. Sie sind ein wertvolles Kapital für jede Gemeinde.

Welche Rolle spielt das Thema Neuevangelisierung? Welche Rolle spielen dabei die Sozialen Medien?

Ich tu mich offen gesagt etwas schwer mit dem Begriff Neuevangelisierung. Denn in der Seelsorge sucht man doch immer nach Wegen und Möglichkeiten, das Evangelium in die jeweilige Zeit hinein zu verkündigen. Das ist an sich nichts Neues. In den beiden Dekanaten der Region Amberg-Schwandorf wurden in den jeweiligen Dekanatskonferenzen unterschiedliche Konzepte zur Neuevangelisierung vorgesellt. Sie haben mich beide nicht überzeugt. Das eine erschien mir inhaltlich zu flach. Es orientiert sich an einer strukturellen, eher kirchenpolitisch motivierten Neuausrichtung der Kirche in Deutschland, wie wir es hinlänglich in der öffentlichen Diskussion kennen. Um Kirche als Glaubensgemeinschaft und Instrument der Glaubensvermittlung geht es da nur peripher. Das andere Konzept erschien mir ehrlich gesagt zu abgehoben. Konstrukte, die im anglo-amerikanischen Kulturkreis wurzeln und dort erfolgreich sein können, sind nicht unbedingt eins zu eins mit unserer Mentalität kompatibel und somit erfolgversprechend. Vordergründig mag Manches durchaus originell sein und toll wirken, weil es ungewohnt ist oder einen Festival- bzw. Eventcharakter besitzt. Ob es tatsächlich greift, zeigt sich erst in der Routine des Alltags. Und da macht man dann doch die Erfahrung, dass jeder nur mit Wasser kocht. Vielleicht bin ich bei dieser Thematik ein bisschen zu oberpfälzisch nüchtern. Meine Erfahrung ist, dass man einfach nur offen und aufmerksam sein muss – offen für die Menschen, unabhängig davon, ob sie glauben oder nicht, offen für neue Wege der Seelsorge. Schlimm wäre es, wenn wir stehen blieben und uns nur noch in eingefahrenen Gleisen bewegen würden. Ob unsere Bemühungen tatsächlich fruchten, hängt nur zur Hälfte von uns ab. Jedenfalls muss man all denjenigen Respekt zollen, die sich auf unterschiedliche Weise mit viel Phantasie und Einsatzfreude einbringen, um das Evangelium immer wieder neu in den Herzen der Menschen zu verankern. Die sozialen Medien werden für die Zukunft eine steigende Bedeutung gewinnen.

Was zeichnet die Kirche im 21. Jahrhundert aus? Was sind die großen Fragen, denen wir uns stellen müssen?

Über allem und in allem stellt sich die große Frage: Was will die Kirche, wie sieht sie sich? Geht es um eine rein strukturelle Ausrichtung, die das Institutionelle in den Mittelpunkt rückt, oder um eine inhaltliche Rück- oder treffender gesagt Neubesinnung, die sich am missionarischen Gründungsauftrag Christi orientiert? Dieses innerkirchliche Spannungsverhältnis beschäftigt die Kirche in unserem Land nachhaltig und droht zu einer inneren Spaltung zu werden, sollte kein Konsens gefunden werden, der den Wert des Glaubens in den Mittelpunkt aller Betrachtungen rückt.

Das Entscheidende ist, im Jetzt zu leben und zugleich das Augenmerk darauf zu legen, welche Kirche wir der nachfolgenden Generation hinterlassen. Hierzu das richtige Instrumentarium zu finden, wird das entscheidende Erfordernis für die Zukunft sein. Auch wenn wir als Kirche kleiner werden, wir sollten in der Entwicklung eine Chance sehen. Vielleicht braucht es eine Gesundschrumpfung, um sich wieder auf das Sein und Wesen der christlichen Botschaft zu besinnen. Von den drei Grundfunktionen der Kirche – Liturgie (Liturgia), Dienst am Nächsten (Caritas) und der Verkündigung des Glaubens (Martyria) - wird letzterer eine besondere Bedeutung zukommen.

Abschließend noch so viel: Die Vitalität der Kirche liegt zu einem Gutteil an uns. Die Voraussetzungen sind uns in den Schoß gelegt, weil wir aufbauen dürfen auf einem Fundament, das sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat. Kirche müssen wir nicht allein „machen“. Das können wir gar nicht, und dass müssen wir auch nicht. Wenn wir meinen, Kirche konstruieren zu wollen nach zeitbedingten Bauplänen, schleichen sich zwangsläufig Konstruktionsfehler ein, die nachfolgende Generationen wieder ausbessern müssen, insofern dies überhaupt noch möglich ist. Kirche-sein greift über das allein menschliche Wollen hinaus. Denn sie hat ihren Ursprung und ihr Ziel in dem, der sie ins Leben gerufen hat und der sie begleitet und führt als der gute Hirt. Will die Gemeinschaft der Gläubigen einer guten Zukunft entgegengehen, muss sie meines Erachtens drei Dinge beherzigen: das Sein, das Hören und das Gehen. Da ist zunächst das Sein beim Herrn. Wenn wir uns nicht als bloße Gesellschaftsgruppe mit religiöser Verbrämung sehen, sondern den Kern des Christseins praktizieren, indem wir Gott zur Mitte machen, sprich beim Herrn sind, werden wir Hörende für sein Wort, das er uns als Gesandte auf dem Weg durch die Zeit mitgibt. Das ist das Wichtigste für das solide Leben jedes einzelnen und für den Zusammenhalt der Christengemeinde. Mit dieser Überzeugung, mit der Botschaft des Evangeliums, können wir getrost und mutig hinausgehen und Zeugnis ablegen von dem, was wir glauben.  

Was planen Sie im Wolfgangsjahr an Veranstaltungen?

Im vergangenen Jahr haben wir „100 Jahre Wiedergründung der Pfarrei St. Georg“ gefeiert. Uns Seelsorgern war es ein Anliegen, den Schwung, der mit den unterschiedlichen Veranstaltungen in die Pfarrgemeinde gekommen war, weiterwirken zu lassen. Da kam uns das Wolfgangsjahr gerade recht! Vier Aktionen haben wir geplant. Die erste war eine Fußwallfahrt zur schönen, uralten Wolfgangskirche nach Atzmannsricht rund 15 Kilometer nördlich von Amberg. Die Marianische Männer-Congregation unternimmt eine Fahrt nach Regensburg zum Wolfangsschrein in St. Emmeram. Und im Herbst sind wir für ein Wochenende in St. Wolfgang am Wolfgangsee. „Glaube unterwegs“ heißt eine Familienwanderung im Oktober, bei der vor allem Kindern der heilige Wolfgang auf altersgerechte Weise nahegebracht werden soll.

Welche besonderen Feste feiern Sie im Kirchenjahr?

Da sticht ganz klar das Patrozinium unseres Pfarrpatrons St. Georg heraus. Am Sonntag nach dem Georgstag (23. April) kommt die bayrisch-katholische Lebensart ideal zum Zug. Zuerst wird natürlich ein festlicher Gottesdienst begangen. Danach wird in den herrlichen Pfarrgarten eingeladen, der wegen seiner besonderen Lage, eingerahmt von der mittelalterlichen Stadtmauer, dem barocken Jesuitenkolleg und der Stadtpfarrkirche, als schönster Biergarten Ambergs gilt. Und dann darf man die fünfte Jahreszeit in Amberg nicht vergessen, das Mariahilfbergfest Ende Juni/Anfang Juli. Da kommen nicht nur die Gläubigen aller Amberger Pfarreien zusammen, von überallher machen sich Fußwallfahrer auf zum Marienheiligtum über der Stadt. Beim Bergfest kann man durch die unterschiedlichen Gottesdienstformen besonders spüren, wie sehr der Glaube die Menschen verbindet und zusammenhält. Nicht vergessen darf man die Nachprimiz des Pastoralpraktikanten. St. Georg darf seit einigen Jahren Praktikumspfarrei für Priesteramtskandidaten sein, die sich in ihrem letzten Jahr vor der Diakonen- bzw. Priesterweihe befinden. Für die Pfarrangehörigen ist es eine besondere Erfahrung, sie auf dieser entscheidenden Etappe ihrer Berufung begleiten zu dürfen. Einige Pfarrangehörige nehmen bereits an der Priesterweihe und der Heimatprimiz des Neupriesters teil. Die Nachprimiz in der Praktikumspfarrei ist immer ein frohes Fest, bei dem man die Mitfreude an der Berufung des Primizianten mit Händen greifen kann.

Wie können Sie den Glauben in den Familien festigen, damit die Hauskirche lebt?

Eine schwierige Frage. Man kann hier nur säen, also einladen zum Mitglauben und zur aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben, also an den Gottesdiensten und weiteren Aktivitäten, die wir als Pfarrgemeinde anbieten. Wie beim Thema Neuevangelisierung gilt auch hier, stets Augen und Ohren offen zu halten, um sich zu fragen, was möglich und sinnvoll und leistbar ist. Im Grunde können wir nur vorleben und versuchen zu begeistern, den entscheidenden Schritt des Glauben-wollens muss jeder selbst tun.

Das Interview führte Dr. Stefan Groß
(SG / jas)

 

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