Thomas Rigl steht vor einem Baum.

Person der Woche: Dr. Thomas Rigl, Leiter der Fachstelle Weltkirche

Weltkirche als gelebte Realität


Regensburg, den 31. Oktober 2025

Die Pressestelle des Bistums Regensburg hat sich mit Dr. Thomas Rigl zum Interview getroffen. Wie der Leiter der Fachstelle Weltkirche in der Diözese Regensburg betonte, ist es seine „Vision, dass die Weltkirche in unserem Bistum nicht nur als ferne Idee, sondern als gelebte Realität erfahrbar bleibt“.

Herr Dr. Rigl, die Fachstelle Weltkirche versteht sich als Brücke zwischen der Diözese Regensburg und der globalen Kirche. Wie würden Sie diese Brückenfunktion in wenigen Sätzen charakterisieren?

Die Zusammenarbeit mit den kirchlichen Hilfswerken bildet einen zentralen Schwerpunkt meiner Arbeit. Sie prägen mit ihren Aktionszeiträumen den Jahreslauf der Kirche und strukturieren gewissermaßen auch meine Aufgaben. Im Advent beginnt alles mit der Weihnachtsaktion von Adveniat, anschließend folgen die Sternsinger im Januar. Während der Fastenzeit steht die Misereor-Aktion im Mittelpunkt, zu Pfingsten die Initiative von Renovabis, und im Herbst schließlich der Weltmissionsmonat, für den Missio München verantwortlich zeichnet.

Die Zusammenarbeit mit kirchlichen Hilfswerken ist zentral für Ihre Tätigkeit. Wie koordinieren Sie diese Kooperationen, um effektiv und nachhaltig zu wirken?

Gerade jetzt, im Oktober, steht Missio im Fokus unserer diözesanen Arbeit. In diesen Tagen erwarte ich Schwester Ailyn Binco aus den Philippinen, die auf Einladung von Missio München in unser Bistum kommt, um gemeinsam mit weiteren Gästen aus ihrer Heimat über die Situation der Kirche und die Arbeit der Projekte zu berichten, mit denen Missio dort zusammenarbeitet. Solche Besuche machen deutlich, dass Weltkirche nicht nur aus Spenden und Strukturen besteht, sondern aus Begegnung, Erzählung, gegenseitigem Lernen und Gebet.

Mit den Hilfswerken bin ich jedoch nicht nur während ihrer Aktionszeiträume verbunden, sondern auch über die jeweiligen Gremien, in denen ich als Vertreter der Diözese Regensburg mitarbeite. Dort bringe ich die Anliegen und Perspektiven unserer Diözese ein und bin gleichzeitig Teil der inhaltlichen Abstimmung und strategischen Vernetzung der Werke.

Ein weiteres Feld ist die Begleitung von Missionarinnen und Missionaren aus der Region. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei, wenn Menschen aus dem internationalen Dienst zurückkehren?

Diese Aufgabe verändert sich stark, da die Zahl der Missionare aus natürlichen Gründen zurückgeht. Das Durchschnittsalter unserer Missionskräfte liegt inzwischen bei über achtzig Jahren. Nur selten kehren sie nach Deutschland zurück – meist aus Alters- oder Gesundheitsgründen. Viele bleiben bis zu ihrem Lebensende in dem Land, in dem sie jahrzehntelang gewirkt haben, und werden dort auch bestattet.

Diese Entwicklung markiert einen tiefgreifenden Wandel: Die große Epoche der europäischen Mission scheint an ihr Ende zu kommen – und darf es wohl auch. Denn die Ortskirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika, also in jenen Regionen, in denen unsere Missionare lange Zeit tätig waren, sind heute in der Lage, aus eigener Kraft zu bestehen. Sie verfügen über ausreichend Personal, über Strukturen und Eigenständigkeit. Damit hat sich das Verhältnis verändert: Unsere Unterstützung ist weniger personell, sondern zunehmend partnerschaftlich, begleitend und solidarisch.

Wie gelingt es, in einer Zeit der Säkularisierung das Bewusstsein für weltkirchliche Solidarität in den Pfarreien aufrechtzuerhalten?

Eine große Herausforderung besteht heute darin, das Bewusstsein für weltkirchliche Solidarität in unseren Pfarreien lebendig zu halten. In einer Zeit zunehmender Säkularisierung ist das kein leichtes Unterfangen. Gleichzeitig erleben wir, dass Weltkirche in gewisser Weise zu uns gekommen ist: Viele Priester aus Indien oder aus afrikanischen Ländern sind in unseren Pfarreien tätig. Durch sie wird Weltkirche konkret erfahrbar. Sie bringen ihre eigenen pastoralen Erfahrungen ein, erzählen von ihren Heimatländern und sammeln nicht selten Spenden für Projekte in ihren Diözesen oder Ordensgemeinschaften.

Dort, wo aktuelle persönliche Verbindungen fehlen, leben alte Partnerschaften zwischen Pfarreien fort, die oft schon vor Jahrzehnten entstanden sind – etwa durch Missionare aus der jeweiligen Gemeinde oder durch frühere persönliche Beziehungen. Diese Partnerschaften bilden bis heute ein stabiles Netz der Verbundenheit. Aber auch hier zeigt sich, dass kirchliches Engagement, ähnlich wie in anderen Bereichen, rückläufig ist. Der allgemeine Rückgang von kirchlicher Bindung und Engagement macht sich auch in der weltkirchlichen Arbeit bemerkbar.

Weltkirchliche Projekte sind oft von globalen Krisen betroffen. Wie reagiert die Fachstelle auf plötzliche humanitäre Notlagen in Partnerländern?

Wenn es um akute Krisen und humanitäre Notlagen in Partnerländern geht, verfüge ich selbst nicht über eigene finanzielle Mittel. Es gibt jedoch den Katastrophenhilfefonds der Diözese, der ursprünglich für inländische Notsituationen geschaffen wurde, inzwischen aber auch in internationalen Kontexten eingesetzt wird. So konnten in den letzten Jahren wiederholt Hilfen geleistet werden – etwa für die Ukraine, die uns allen sehr nahesteht, oder auch für Myanmar.

Mit Myanmar verbindet uns eine lange Geschichte: Seit fast 25 Jahren unterhält unsere Diözese ein Stipendienprogramm in dem asiatischen Land. Als es dort im Februar dieses Jahres zu einem schweren Erdbeben kam, konnte sehr schnell Hilfe aus dem Katastrophenfonds bewilligt werden – zusätzlich zu früheren Unterstützungsaktionen während der Bürgerkriegssituation. Solche raschen Reaktionen sind wichtig, weil sie zeigen, dass Solidarität nicht an Landesgrenzen endet.

Viele Menschen verbinden Weltkirche vor allem mit finanzieller Unterstützung. Wie vermitteln Sie, dass es dabei auch um kulturellen Austausch und gegenseitiges Lernen geht?

Weltkirche wird oft zuerst mit finanzieller Unterstützung assoziiert. Doch sie ist weit mehr als das: eine Gemeinschaft des Teilens, des Lernens und des Gebets. Der solidarische Aspekt ist sichtbar im materiellen Geben, aber das Herzstück der Weltkirche bleibt die Begegnung. Begegnung bedeutet Austausch, Zuhören, gegenseitiges Lernen.

Wenn Gäste wie Schwester Ailyn aus den Philippinen unsere Diözese besuchen, dann geht es nicht nur darum, über Projekte zu sprechen oder Spenden zu sammeln. Sie besuchen etwa den Frauenbund, nehmen an Gottesdiensten teil, sprechen in Pfarreien und in diözesanen Einrichtungen. Dabei entsteht echter Dialog. Diese Begegnungen führen dazu, dass beide Seiten voneinander lernen: Wir hören von der Situation der Kirche im globalen Süden, und unsere Gäste erleben die Realität unserer Kirche in Deutschland. So entsteht ein geistiges und geistliches Band, das durch Gebet, gegenseitige Wertschätzung und das Teilen von Erfahrungen gestärkt wird.

Welche Visionen und Ziele treiben Sie persönlich an, um die Weltkirche in Regensburg auch in den kommenden Jahren lebendig und wirksam zu gestalten?

Meine persönliche Motivation für diese Arbeit speist sich aus meinen eigenen Erfahrungen. Ich hatte das Glück, über fünf Jahre hinweg von der Diözese beurlaubt worden zu sein, um selbst in der Weltkirche tätig zu werden. In Kambodscha arbeitete ich für eine Hilfsorganisation des Jesuitenordens – in einem der ärmsten Länder der Erde. Diese Zeit hat mein Verständnis von Kirche und Menschsein nachhaltig geprägt. Die unmittelbare Begegnung mit Armut, mit Glauben und mit Lebensmut in einem völlig anderen kulturellen Kontext hat meinen Blick geschärft und mein Engagement für die Weltkirche vertieft.

Diese Erfahrungen fließen heute in meine tägliche Arbeit ein – sei es in der Zusammenarbeit mit den Hilfswerken, in der Begleitung unserer Gäste oder in der Vergabe von Projektmitteln, über die ein diözesaner Vergabeausschuss entscheidet. Wir verfügen über begrenzte finanzielle Ressourcen, um Projekte in der Weltkirche zu unterstützen, und versuchen, diese Mittel so einzusetzen, dass sie dort Wirkung entfalten, wo sie gebraucht werden.

Es bleibt jedoch eine wachsende Herausforderung, in einer Zeit schwindender Kirchlichkeit das Bewusstsein für die Anliegen der Weltkirche wachzuhalten. Doch gerade das ist mein Antrieb: dazu beizutragen, dass die globale Dimension des Glaubens sichtbar bleibt – dass wir uns als Teil einer weltweiten Gemeinschaft verstehen, die füreinander Verantwortung trägt.

Meine Vision ist es, dass Weltkirche in unserem Bistum nicht nur als ferne Idee, sondern als gelebte Realität erfahrbar bleibt. Sie ist lebendig dort, wo Menschen einander begegnen, voneinander lernen und miteinander glauben. Das ist das Fundament, auf dem alles aufbaut – und das, was diese Arbeit für mich so wertvoll macht.

Das Interview führte Stefan Groß
Foto: Stefan Groß
(chb)

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