Neue Ruhestätte für Herzogin Gisela - „document niedermünster“ – Ort 2000-jähriger Kulturgeschichte
2011 ist es soweit: Mit dem „document niedermünster“ wird ein einzigartiges Geschichtsdokument auf rund 600 Quadratmetern neu präsentiert. Derzeit werden die archäologischen Ausgrabungen unter der Dompfarrkirche Niedermünster in großem Umfang restauriert. Die steinernen Zeugnisse aus der Römer- und Völkerwanderungszeit sowie des frühen und hohen Mittelalters werden gesichert und für den Besucher eindrücklich erlebbar gemacht. Welche Bedeutung der Niedermünsterkirche in der Geschichte innerhalb der Stadt und des Landes zukam, zeigen neben dem Grab des hl. Erhard vor allem die Gräber der bayerischen Herzogsfamilie. Diese ottonischen Begräbnisorte und -situationen nahezu originalgetreu wiederherzustellen: Das ist eines der besonderen Anliegen der neuen Konzeption. Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner begleitete am gestrigen Dienstag die Umbettung der Herzogin Judith (gestorben um 987). Der Sarkophag der Herzogin Gisela (gestorben 1006) wurde nun wie ursprünglich vor der südlichen Hauptapsis der romanischen Kirche bestattet. „Den Verstorbenen, die in unserem Gedächtnis ‚in memoria’ weiterleben, gilt heute im Besonderen unser Gebet“, hob Dr. Gegenfurtner zu diesem Anlass hervor.
Von 1963 bis 1969 wurde in der Niedermünsterkirche eine der größten Kirchengrabungen Deutschlands durchgeführt. Die Befunde reichten vom römischen Lager über die Pfalzkirche der bayerischen Herzöge bis hin zur ottonischen und karolingischen Niedermünsterstiftskirche. Dieser historisch zentrale Ort wird zur Zeit saniert sowie wissenschaftlich und didaktisch neu erschlossen, um den Besuchern Geschichte in Zukunft noch lebendiger präsentieren zu können. „Hier wird erlebbar, was Erbe wirklich bedeutet“, sagt Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner, der gestern einen besonderen Moment der laufenden Maßnahmen leitete. Die Gräber der bayerischen Herzogsfamilie wurden nach den aktuellen archäologischen Befunden neu geordnet.
Die früheste Niedermünsterkirche war ein Bau auf herzoglichem Grund: die Pfalzkapelle, ein rund 20 mal 10 Meter großer Saalbau mit einem Rechteckchor. Im 9. Jahrhundert wurde er zu einer Stiftskirche umgebaut. 866/889 wird das adelige Damenstift „monasterium inferioris“ urkundlich erstmals genannt. Herzog Heinrich I., ein Bruder Ottos des Großen, und seine Frau Judith veranlassten die Neuerrichtung von Kirche und Stift Niedermünster. Der große, nun dreischiffige Kirchenbau besaß ein östliches Querhaus mit drei Apsiden. Bei Heinrichs Tod 955 war dieser bereits so weit fertiggestellt, dass der Herzog in einem Kalksteinsarkophag vor dem Hauptchor beigesetzt werden konnte. Seine Frau Judith, eine Tochter Herzog Arnulfs, wurde an seiner Seite in einer gemauerten Grabkammer bestattet. Daneben fand ein weiteres Familienmitglied in einem zweitverwendeten römischen Sarkophag seine letzte Ruhe. Durch diese herzogliche Familiengrablege war das Niedermünster vor allen anderen Regensburger Kirchen herausgehoben. Judith wird heute noch als Neubegründerin des Niedermünsterstiftes, dem sie bis zu ihrem Tod um 987 als Äbtissin vorstand, geehrt. Ihr Grab wurde bei den Ausgrabungen in den 60er Jahren gesichert, ihre Gebeine in einen neuen steinernen Sarkophag gelegt. Nun konnten sie wieder in das historische Ossuar umgebettet und neben dem Grab ihres Gatten Heinrich I. bestattet werden.
Landeskonservator Dr. Klaus Schwarz, der die damaligen Ausgrabungen leitete, fand vor der südlichen Seitenapsis auch das Grab der Herzogin Gisela. Sie war die Schwiegertochter Heinrichs und Judiths, die Ehefrau von deren Sohn Heinrich II., des Zänkers. Gisela hatte aber auch zwei berühmte Kinder: Herzog Heinrich IV., der Deutscher König wurde, sowie Königin Gisela von Ungarn. An der gefundenen Grabstelle muss ursprünglich auch das Giselakreuz gestanden haben. Das mit Goldblech verkleidete und mit Perlen und Edelsteinen besetzte Kreuz hatte die ungarische Königin für das Grab ihrer verstorbenen Mutter gestiftet. Seit der Säkularisation befindet es sich in der Schatzkammer der Münchner Residenz. Da das südliche Ausgrabungsareal 1970 für die Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden konnte, wurde der Sarkophag Giselas in die Reihe der herzoglichen Familiengräber im Mittelschiff eingefügt. Gestern nun konnte er, zusammen mit der steinernen Knochenkiste einer unbekannten Familienangehörigen, wieder in der Nähe der ursprünglichen Grabstelle bestattet werden.
Die Eröffnung des „document niedermünster“ ist für das Frühjahr 2011 geplant. Der Besucher bewegt sich dann überwiegend in den Baugruben des heute erhaltenen romanischen Kirchenbaus. Eindrucksvoll vermittelt das Untergeschoss das Anwachsen historischer Schichten und Bauten auf 5 m Mächtigkeit. Hauptakzent des attraktiven Präsentationskonzepts von archäologischen Zeugnissen aus 2000 Jahren europäischer Kulturgeschichte wird eine innovative Beleuchtung sein, die den Besucher mit verschiedenen Farbtönen durch die Jahrhunderte führt. Computersimulationen veranschaulichen den Wandel der Bebauung in den Epochen. Träger der Maßnahme ist das Bistum Regensburg, das auch den Hauptanteil der Kosten leistet. Das Projekt wird gefördert unter anderem mit Mitteln des Investitionsprogramms nationale UNESCO-Welterbestätten, der Landesstelle für nichtsstaatliche Museen, der Bayerischen Landesstiftung, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Stadt Regensburg.