Regensburg, 13. April 2023
Die "Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen" stellt allmonatlich Märtyrer unserer Zeit in Porträts vor, die wir gerne hier veröffentlichen. Im Monat April 2023 geht es um den niederländischen Jesuitenpater Frans van der Lugt, der am 7. April 2014 von Dschihadisten im belagerten Homs (Syrien) ermordet wurde.
„Es darf nicht wahr sein, dass die Welt nichts tut. Wir wollen leben!" - Der niederländische Jesuitenpater Frans van der Lugt veröffentlichte Anfang 2014 aus der umkämpften westsyrischen Großstadt Homs Videos, die er mit seinem Mobiltelefon aufgenommenen hatte. Er versah sie mit Botschaften und sandte sie auch an Kontakte im Ausland. In den Jahren 2011 und 2012 wurde die -kulturhistorisch bedeutende - drittgrößte Stadt Syriens zum Schauplatz von erbitterten Kämpfen zwischen einerseits Regierungstruppen und regierungstreuen Milizen und andererseits radikalislamischen Rebellen. Die dortige Zivilbevölkerung litt massiv unter dem Artillerie- und Luftwaffeneinsatz sowie der Belagerung.
Pater van der Lugt harrte in der Jesuitenniederlassung im inneren Kern der Stadt aus, die für eine Reihe von Zivilisten zur Zufluchtsstätte geworden war. Durch das Hilfswerk seines Ordens leistete er mit zwei Mitbrüdern, die im äußeren, von der Armee kontrollierten Ring eingesetzt waren, einen aufopferungsvollen Dienst. Sie verteilten Lebensmittel und Medizin an rund 6000 Familien - ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit. Während des Bürgerkriegs in Syrien versuchte Pater van der Lugt zudem, zwischen den Rebellen und der syrischen Regierung zu vermitteln.
Im September 2013 erhielt das Hilfswerk der Jesuiten den Stiftungspreis der Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen. Damit sollte die Standhaftigkeit der Patres in dieser Lage der Bedrängnis gewürdigt werden. Pater Ziad Hilal nahm den mit 5000 Euro dotierten Preis in Frankfurt am Main stellvertretend für seine Mitbrüder Frans van Lugt und Ghassan Saloui entgegen, die nicht von der Seite der Notleidenden weichen wollten.
Pater harrte erneut in Homs aus
Die Lage spitzte sich Wochen später dramatisch zu, weil kaum noch Hilfe durchdringen konnte. Ende 2013 starben in Homs erstmals Menschen den Hungertod. Damals lautete die Videobotschaft des Jesuiten: „Die Menschen werden wahnsinnig vor Hunger. Sie bekommen Panikattacken, Paranoia, psychotische Schübe. Die Gesichter der Menschen in den Straßen sind fahl, ihre Körper kraftlos!"
Pater van der Lugt entschloss sich erneut, bei den wenigen Dutzend Bewohnern zu bleiben, die noch in den Trümmern der Altstadt lebten. „Ich habe die Menschen hier in Homs in all ihrer Großzügigkeit erlebt", sagte er in einer seiner letzten Videobotschaften. „Ich habe mit ihnen die guten Zeiten geteilt, nun teile ich den Schmerz mit ihnen."
Einen Monat, bevor die Stadt von Regierungstruppen eingenommen wurde, drangen bewaffnete Männer am 7. April 2014 morgens gegen 9.30 Uhr in die Jesuitenkommunität ein, schlugen den Pater und ermordeten ihn mit Kopfschüssen. Vermutlich handelte es sich um Angehörige der dschihadistischen Al-Nusra-Front. Papst Franziskus verurteilte den Mord an dem knapp 76-Jährigen und forderte, den Bürgerkrieg zu beenden: „Seine brutale Tötung erfüllt mich mit tiefem Schmerz, und sie lässt mich an die vielen Menschen denken, die in diesem gemarterten Land leiden und sterben."
Bei seinem goldenen Priesterjubiläum 2009 hatte Pater Frans van der Lugt seine eigene Berufungsgeschichte geschildert: „Als ich eines Tages in die Kapelle kam, sah ich den gekreuzigten Jesus. Beim Betrachten verstand ich, dass das Kreuz fleischgewordene Liebe Gottes ist, die kein Ende hat."
Sein Ziel: Menschen zusammenbringen
Im Nachruf der „Jesuiten in Zentraleuropa“ heißt es: „Geboren wurde Frans van der Lugt am 10. April 1938 in einer Bankiersfamilie in Amsterdam. 1959 trat er nach dem Abitur in den Jesuitenorden ein. Bereits 1964 lernte er im Libanon Arabisch und war 1966 zum ersten Mal in Syrien. Nach dem Studium der Theologie und Psychologie wurde er 1971 zum Priester geweiht. Von 1980 an baute „Abuna" (Pater) Frans auf einem Landgut außerhalb von Homs das Zentrum „Al-Ard" („Die Erde") auf, eine Schule mit Internat für Kinder mit Behinderungen. Sein Ziel war es, die Menschen mit all ihren Unterschieden durch gemeinsame Erlebnisse zusammenzubringen. „Ich sehe keine Muslime oder Christen“, sagte er, „ich sehe nur Menschen". Berühmt waren außerdem die tagelangen Wanderungen mit ihm, zu denen sich Christen, Muslime und Agnostiker zusammenfanden. Dabei beeindruckte er durch seine Spiritualität, aber auch durch seine Ausdauer. Klagen über Müdigkeit beantwortete er mit der Aufforderung: „… Vorwärts“. Nach seinem Tod gründete sich 2015 die Gruppe „Frans Hikes" („Frans Wandern") und führt seitdem regelmäßig Wanderungen in seinem Geist an verschiedenen Orten Europas durch.“
Text: Walter Flick/Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen (kw)