News Bild Konsumismus, Klimawandel und das große Glück – (christlich) ethische Gedankensplitter
Konsumismus, Klimawandel und das große Glück – (christlich) ethische Gedankensplitter

Macht Konsum glücklich?

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Bonn, 24. Oktober 2023

„Wie kann das Leben glücken?“ Das ist mindestens seit der Antike eine der Grundfragen der Menschheit. „Gewiß wollen wir alle glücklich leben, und im Menschengeschlecht gibt es niemand, der diesem Satz nicht zustimmt, noch bevor er voll ausgesprochen ist“ (De mor. eccl. 1,3,4), brachte der Kirchenvater Augustinus (354-430 n. Chr.) diese grundlegende Motivation des Menschen auf den Punkt. Glücklich werden ist nicht einfach. Glücklich bleiben noch viel weniger.

Konsum, also der Ge- und Verbrauch von knappen, am Markt erworbenen Gütern und Dienstleistungen, verheißt besonders in heutigen Wohlstands- und Überflussgesellschaften für viele Menschen einen vermeintlich wichtigen Beitrag für ihr persönliches Lebensglück. Und in der Tat bedeutet Konsum weit mehr als bloße Bedürfnisbefriedigung. Konsum ist notwendig für uns Menschen, um leben zu können, aber auch um unser Leben zu kultivieren, unseren Lebensstil zu verfeinern und dadurch auch unsere je eigene Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Problematisch wird es, wenn Konsum aufgrund überzogener Glücksversprechen zum Konsumismus ausartet. Dabei handelt es sich um eine Fehlhaltung durch Übertreibung und Verschwendung und damit um einen Verlust des rechten Maßes. Die hohe Wahl- und Konsumfreiheit im kapitalistischen Wirtschaftsmodell wird dann problematisch, wenn der Gütererwerb, allgegenwärtig gefördert durch Werbung und Anreize, dazu führt, dass Menschen sich primär über den Konsum definieren und nach stetiger Wohlstandsmehrung streben – und dadurch doch nicht wirklich glücklich werden.

Zu viel Konsum – zu wenig Glück – und das Klima…

Kritik an den Ausartungen moderner Konsumgesellschaften kommt in Zeiten des Klimawandels und der ökologischen Krisen natürlich von vielen Seiten. Man muss beileibe kein Aktivist der Fridays for Future-Bewegung oder gar der selbsternannten Letzten Generation sein, um zu erkennen, dass wir angesichts des Klimawandels und seiner Folgen einen sozialökologischen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft dringend brauchen. Dazu gehört gerade in den wohlhabenden Gesellschaften auch ein Konsumwandel. Wie aber kann ein solcher erreicht werden?

Die aktuellen Debatten darüber, wie Wirtschaft und Konsum klimaschonender zu gestalten sind, bieten in dem Zusammenhang jedenfalls neue Chancen für die Suche nach Antworten auf die Frage, wie die Wirtschaft zudem glücksförderlicher ausgerichtet werden kann. Dabei können die Erkenntnisse der Glücksforschung hilfreich sein. Schließlich hat bereits 1974 der Wirtschaftswissenschaftler Richard Easterlin die Überzeugung der Standardökonomik erschüttert, dass mit steigendem BIP und damit einhergehenden Einkommenssteigerungen notwendigerweise auch das Glück zunehmen würde. Geld macht ab einem bestimmten Set Point nicht per se glücklich(er) – diese These haben die Economics of happiness längst in differenzierter Weise empirisch weiter erhärtet.

Der Konsumethiker Stephan Wirz fasst die Integration dieser Glücksperspektive in öko-sozialer Perspektive im Görres-Lexikon wie folgt zusammen: „Aus dieser Expansion von Produktion und Konsum ergeben sich zwei grundlegende konsumethische Herausforderungen: Wie kann die Vielzahl der Möglichkeiten zur Lebensgestaltung für ein gutes, glückliches Leben genutzt werden? Wie können die Konsumenten ihre wirtschaftlich starke Position für sozial- und ökologieverträgliche Produktions-, Distributions-, Konsum- und Entsorgungsprozesse einsetzen?“

Konsumwende und Suffizienz brauchen eine positive Zielperspektive

Beim Klimaschutz helfen Verzichtsbemühungen auf der Mikroebene des individuellen Lebensstils nicht viel, wenn sie nicht mit den nötigen, Rahmen und Anreize setzenden Transformationen auf der wirtschaftlichen Makroebene verbunden werden. Die Weltgemeinschaft darf nicht mit der nachhaltigen Transformation der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung warten, bis die Umkehr der Herzen vollzogen ist. Klimawandel und weltweite soziale Ungleichheit drängen aber dennoch die Frage auf: Wie leben wir als Einzelne gut, ohne zugleich den Mitmenschen und der Umwelt Ungerechtigkeit widerfahren zu lassen? Es liegt ebenfalls im klugen Eigeninteresse des Einzelnen sich für soziale Gerechtigkeit und einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt einzusetzen, da dies wichtige Grundlagen und Vorbedingungen für ihn wie für die anderen sind, um überhaupt ein gutes, glückliches Leben führen zu können.

Wir müssen ebenfalls im Sinne eines suffizienzbasierten Kultur- und Lebensstilwandels lernen, dass Glück und das gute Leben nicht so stark vom materiellen Konsum abhängen, wie es in der Konsumgesellschaft und vom Konsumismus suggeriert wird. Suffizienz lässt danach fragen, wie viel genug ist. Dabei ist eine positive, auf das Glück abzielende Zielperspektive psychologisch entscheidend. Eine solche kann motivierende und orientierende Kraft entfalten, um Menschen und Gesellschaften zu tiefgreifenden Veränderungen eher bewegen als eine moralinsaure Verzichts- und Verbotsrhetorik.

Christliche Ethik für eine Kultur der Mäßigung und der Lebenskunst

Auch die christliche Ethik kann zu diesem Suffizienzdiskurs beitragen, etwa mit der Kardinaltugend der Mäßigung. Gemäß der christlichen Hoffnungsperspektive findet der Mensch allein in Gott sein wahres Glück als „Leben in Fülle“ (vgl. Joh 10,10). Moralisches Sollen als Gottes gutes Gebot für den Einzelnen und eine dementsprechende Lebenskunst waren dabei lange Zeit genauso in eine christliche Glücksethik integriert und in der göttlichen Perspektive geeint wie öffentliche Fragen über die gerechte Ordnung der Gesellschaft. Dem Leben auf christliche Weise eine Form geben schließt dabei notwendigerweise eine innere Durchformung der Herzensmitte des Menschen einschließlich seines Wollens des mit ein, woraus dann wiederum ein entsprechender äußerer Lebensstil entspringt.

Christen fragen danach, wie viel Konsum genug ist für das Ziel, ein gottgefälliges Leben zu führen. Sie fallen dann nicht dem Konsumismus mit seinen Kollateralschäden anheim, der nur auf das Haben und nicht auf das Sein abzielt. Der homo oeconomicus strebt nach Nutzenmaximierung, der homo christianus nach Liebesmaximierung, und das im besten Falle verbunden mit den wünschenswerten Nebenfolgen eines höheren Lebensglücks sowie der notwendigen Sensibilisierung für das Stöhnen der überlasteten Erde. Die christliche Tugend der Hoffnung hilft Christen bei alledem überdies gegen allzu maßlose Apokalypse-Sorgen vermeintlich letzter Generationen auf Erden.

Text: Lars Schäfers/f1rstlife

(kw)



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