„Komm, Schöpfer Geist“: Die Kirche ruft um den Geist
Mit einem jahrhundertealten Hymnus bittet die Kirche um den Beistand des Geistes.
Wenn es in der Kirche ernst wird, ertönt immer wieder ein alter Hymnus. Mit den Worten „Veni, creator Spiritus“ wird der Heilige Geist angerufen. „Komm, Schöpfer Geist“ lautet die Bitte, die die Kirche etwa vor der Weihe zum Diakon, Priester und Bischof an den Heiligen Geist richtet; die Bitte, die Eheleute vor ihrer Trauung an Gott richten; die Bitte, die die versammelten Kardinäle vor der Eröffnung eines Konklaves gen Himmel sendet. Die Kirche hofft und vertraut auf den Beistand den Heiligen Geistes und stellt sich unter seine Fügung und Führung. Am Pfingsttag erfüllte der Geist Gottes die Gemeinde in Jerusalem (Apostelgeschichte 2,1-3), jener Geist, den Jesus selbst als Beistand seinen Jüngern versprochen hatte (Johannes 16,7). Immer wieder aufs Neue feiert die Kirche an Pfingsten diese Leitung durch den Heiligen Geist. Und immer wieder aufs Neue ruft sie um seinen Beistand, seine Führung, seine Leitung: „Komm, Schöpfer Geist“.
Ein theologisches Lied
Der lateinische Hymnus „Veni, creator Spiritus“ (Gotteslob 341) wird dem Benediktiner Rhabanus Maurus zugeschrieben, der 856 gestorben ist. Rhabanus Maurus war Abt in Fulda, dann Erzbischof von Mainz. Der Schlüssel zu seinem Werk scheint die letzte Strophe zu sein. Sie lautet in wörtlicher Übersetzung: „Gewähre uns, durch dich um den Vater zu wissen, und den Sohn auch zu erkennen, und dich, den Geist der beiden, zu jeder Zeit zu glauben.“ Der Heilige Geist ist der „Geist der beiden“. Damit greift Rhabanus Maurus die theologische Debatte seiner Zeit auf. In der frühen Kirche wurde diskutiert, ob der Heilige Geist nur vom Vater ausgeht oder aber vom Vater und vom Sohn. Letzteres ist der Glaube der Kirche, der auch im großen Glaubensbekenntnis seinen Niederschlag gefunden hat. Dort heißt es, der Geist geht „aus dem Vater und dem Sohn hervor“. Diese Lehre wurde in Aachen 809 auf einem Konzil präzise gefasst. Der Hymnus „Veni, creator Spiritus“ scheint ein Lied zu sein, dass diese theologische Lehre reflektiert und im Gesang spiegelt.
Beliebte Übersetzungen
Dieser Hymnus ist auch durch die Geschichte der Kirche hindurch so beliebt, dass sich verschiedene deutsche Fassungen finden. Das Gotteslob bietet einen Text von Friedrich Dörr aus dem 20. Jahrhundert, der in Abwandlung zum lateinischen Original nicht vom Schöpfer Geist spricht, sondern ruft: „Komm, Heilger Geist, der Leben schafft“ (Gotteslob 342). Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt die Version von Heinrich Bone: „Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein“ (Gotteslob 351). Bei allen Unterschieden, die sich durch eine mehr oder weniger freie Übersetzung des Originals ergeben, versuchen diese Übersetzungen doch, das Gebet zum Heiligen Geist wiederzugeben.
Der Geist der Dynamik
Der Geist ist das Geschenk des Vaters, lebendige Quelle, Feuer, Liebe, Salbung des Menschen (Strophe 2). Diese Wort zeigen die Dynamik des Geistes an, der zu immer neuem Aufbruch ruft. Quelle und Feuer sind ebenso lebendige wie natürliche Kräfte, die zwar einen scheinbaren Gegensatz anzeigen, gleichzeitig aber zur Natur gehören. Der Geist Gottes wird den Christen zur Quelle, die einen immer neuen Aufbruch des Glaubens ermöglicht. In seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ (EG) schreibt Papst Franziskus: „Im Wort Gottes erscheint ständig diese Dynamik des ›Aufbruchs‹, die Gott in den Gläubigen auslösen will“ (EG 20). Dieser Aufbruch ruft die Kirche dazu, den Glauben an den dreifaltigen Gott in dieser Welt zu verkünden und glaubhaft zu leben. Eben jene Dynamik des Glaubens ist es, um die die Kirche zu Beginn jeden großen Abschnitts bittet – die neue Dynamik eines immer tieferen Glaubens im Leben der Eheleute, der Diakone, Priester, Bischöfe und des Papstes. Auf diese Dynamik und auf diese Leitung des Geistes vertraut die Kirche, noch zweitausend Jahre nach dem Pfingstgeschehen in Jerusalem.