Waldmünchen / Regensburg, 18. Dezember 2024
Die Kirche St. Stephanus in Waldmünchen ist nicht aus einem Guss, dennoch fügen sich die Bauabschnitte zu einer beeindruckenden Pfarrkirche zusammen. Ein außergewöhnliches Gnadenbild und eine besondere Wallfahrtstradition machen den Ort zusätzlich interessant.
Die Stadt Waldmünchen ist mit ihren knapp 7.000 Einwohnern deutlich überschaubarer als ihre oberbayrische Namensschwester ohne die Vorsilbe „Wald“. Idyllisch im Bayerischen Wald unmittelbar an der tschechischen Grenze gelegen, verfügt die Stadt über eine lebendige kirchliche Überlieferung, die jüngere Traditionen einzubinden versteht. Die Pfarrkirche St. Stephanus hat den ersten Märtyrer der Christenheit zum Patron. Wir feiern sein Fest am zweiten Weihnachtsfeiertag. Die ersten Anfänge der Kirche St. Stephanus datieren in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Erstmals erwähnt wird die Kirche 1351 als Stephanskapelle. Stadtpfarrkirche ist St. Stephanus seit 1708. Noch heute zu erkennen ist der Kern der Kirche, eine mittelalterliche Saalkirche. Der Kirchturm, der nach den Erweiterungen im südwestlichen Winkel von Seiten- und Querschiff steht, wurde in den Jahren 1553 bis 1558 errichtet. Im Jahr 1783 wurde der Turm um ein achteckiges Geschoss aufgestockt. Den Turm bedeckt eine Zwiebelhaube. Darüber ist eine Laterne. Im obersten Stockwerk befinden sich der Glockenstuhl mit seinen fünf Glocken und die Turmuhr. Ferner ist im Kirchturm ein Uhrenmuseum untergebracht.
Der Kirchturm befindet sich als Wach- und Wehrturm im Eigentum der Stadt. Noch heute kann man die Nachtwächterstube darin besichtigen. Zweimal, in den Jahren 1658 und 1708, war der Nachtwächter lebensnotwendig, denn es kam zu großen Stadtbränden in Waldmünchen. Nach den Bränden wurde die Pfarrkirche jeweils instandgesetzt und auch vergrößerrt. In den Jahren 1872 und 1873 folgte eine nennenswerte Erweiterung: Die Apsis, die den neuromanischen Chorraum bildet, das Querschiff und die beiden wie kleine Apsiden wirkenden Sakristeien kamen hinzu. Von Osten folgt die Baugestalt der Kirche dem klassischen Schema der Hochromanik. Die große, halbrunde Apsis, die den dreischiffigen Chor nach Osten abschließt, wird von zwei kleineren Seitenapsiden flankiert. In den Jahren 1996 bis 2002 erfolgte eine umfassende Außen- und Innenrenovierung der Kirche.
Gehen wir also hinein. Trotz aller Erneuerungen und Umbauten bleibt der gotische Kern bis heute erkennbar. Aus dieser ersten Bauphase sind die Westportale und das Taufbecken erhalten. St. Stephan ist dabei eine „Wegkirche”, so schreibt es jedenfalls die Pfarrei: „Die Farbgebung der Decke geht von rot über braun über zum hellen gelb und zeigt den Weg des Menschen über Freude und Leid zur Helligkeit in die Gemeinschaft mit Gott.“ Vom Taufbecken im Eingangsbereich, das den Beginn des Lebens eines Menschen mit dem dreifaltigen Gott im Sakrament der Taufe beschreibt, geht der Weg durch die Kirche weiter zu einem Altar, zur tiefsten Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie und auch in der Anbetung des Allerheiligsten im Tabernakel, das auf diesem Altar im Scheitelpunkt der Apsis steht. Das Ewige Licht hängt nicht von der Decke herunter, es steht direkt neben dem Tabernakel und zeigt dem Gläubigen die Gegenwart Christi unmittelbar an.
Der Hauptaltar steht vor der Apsis in der Vierung der Kirche. Links hinter dem Altar steht ein aus dem gleichen Stein gearbeiteter Ambo. Auf vier Seitenaltären in der Apsis stehen fast lebensgroße Figuren. Der Heilige Josef mit dem Jesuskind auf dem Arm steht auf rechten Seite vorne. Dahinter steht eine Herz-Jesu-Figur. Auf der linken Seite steht vorne eine Pieta – diese Darstellung, bei der Maria ihren toten, auf ihrem Schoß liegenden Sohn beweint, auch „Vesperbild“. Dahinter sehen wir Maria als Königin mit Kind auf dem Arm auf einer Mondsichel stehend, dies ist also eine „Mondsichelmadonna“.
In einer Seitenkapelle findet sich das rund 300 Jahre alte Gnadenbild von Waldmünchen. Es ist eine Kopie der hochberühmten Ikone von Tschenstochau in Polen. Das Bild hat seine eigene spannende Geschichte. Der Waldmünchner Bürger und Kaufmann Schmied war während der Zeit der Türkenkriege, die von 1683 bis 1699 wüteten, nach Wien ausgewandert. Er war Armeelieferant, was bedeutete, dass er per Schiff Lebensmittel für die Streitkräfte donauabwärts beförderte. Eines Tages, so berichtet die Erzählung, lief sein schwerbeladenes Frachtschiff auf eine Sandbank auf; es konnte trotz größter Anstrengungen nicht wieder flottgemacht werden. In seiner Not versprach der Kaufmann, ein Wiener Marienbild nachmalen und in seine Heimatpfarrkirche bringen zu lassen. Dieses Bild war nun aber eine Nachbildung des Tschenstochauer Heiligtums, welches auch der Kaufmann sehr verehrte. Das erbetene Wunder geschah, das Wasser stieg. Als er am nächsten Morgen erwachte, war sein Schiff heil und unversehrt am Bestimmungsort angelangt. Das versprochene Marienbild ließ Schmied anfertigen und im Jahr 1699 nach Waldmünchen überbringen.
Dass die Kopie eines Gnadenbildes selbst zum Gnadenbild wird, ist keine so große Seltenheit in der Wallfahrtsgeschichte der Kirche. Im niederrheinischen Wallfahrtsort Kevelaer wird ein Papierbild des Gnadenbildes von Luxemburg hoch verehrt. So wurde die Kopie aus Wien in Waldmünchen ebenfalls zum hoch verehrten Gnadenbild. Aufzeichnungen von Wundern und viele Votiv- und Weihegaben aus Wachs und Silber sind für das 18.Jahrhundert bezeugt. Sie sprechen von der Berühmtheit des „Gnadenmutterbildes“ von Waldmünchen. Zahlreiche Kerzen, die stets vor dem Gnadenbild brennen, zeigen deutlich, dass die Menschen auch heute noch in Not und Sorgen, aber auch in ganz gewöhnlichen Anliegen des Alltags den Weg zu Maria finden.
Altes und Neues gehörte in der Kirche schon immer zusammen. Und so nimmt eine neue Tradition in Waldmünchen etwas Altes auf. Jährlich am zweiten Sonntag im September findet seit dem 15. September 1996 die Pferdewallfahrt von Waldmünchen in die nahe Wallfahrtskirche von Ast statt. Bis zu 200 Reiter nehmen an dieser jährlichen Wallfahrt teil. Am frühen Sonntagmorgen kommen die Reiter mit ihren festlich geschmückten Pferden zum Marktplatz in Waldmünchen, wo man sich vor der Kirche versammelt. Unter Glockengeläut verlassen die Teilnehmer das Stadtzentrum und reiten betend und singend zur Wallfahrtskirche nach Ast. Im Jahre 2024 fand diese Wallfahrt zum 28. Mal statt. Damit, so betonte Pfarrer Albert Hölzl, brächten die Pferdepilger ihren Glauben und ihre religiöse Verbundenheit zum Ausdruck. Als er den Hufschlag der Pferde gehört habe, so der Priester, habe ihn das besonders berührt. Zeige sich doch auf eindrucksvolle Weise, welch großartige Geschenke Gott den Menschen mit seiner Schöpfung mache.
Das ist, für sich genommen, aber bereits die nächste Geschichte. Nicht zu Pferd, sondern mit Tastatur und Bildschirm wird es in einer der nächsten Folgen auch in dieser Serie über Kirchen im Bistum Regensburg deswegen auch in die Wallfahrtskirche von Ast gehen.
Text: Peter Winnemöller
(sig)