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Katholische Schriftsteller

Wenn Künstler katholisch werden

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Würzburg, 22. Februar 2024

Von Alfred Döblin über Keith Gilbert Chesterton bis Jon Fosse: Esther von Krosigk schreibt in der Tagespost über Konversionen.

Eine Konversion erfasst den ganzen Menschen – nicht nur seine Spiritualität, seine Seele. Wer zum Katholizismus übertritt, der steigt aus seinem alten Leben aus und wird neu. Teilweise geschieht dies bewusst und willentlich, zum großen Teil wird es aber gemacht und der Mensch kann dem Prozess der Umwandlung nur wenig Eigenes hinzufügen. Bei Dichtern und Schriftstellern – ähnlich wie bei anderen Kunstschaffenden – durchzieht der neue Geist auch das epische oder lyrische Werk. Mit der möglichen Folge, dass sich der Autor von früheren Themengebieten abwendet, dass er seinen Stil ändert und von der Öffentlichkeit nicht mehr dieselbe Anerkennung erfährt wie zuvor.

„Ich schäme mich für ihn“, äußerte sich Bertold Brecht über Alfred Döblin (1878-1957), nachdem der Autor des Großstadtromans „Berlin Alexanderplatz“ im August 1943 zugegeben hatte, dass er Katholik geworden war. Bei dem Treffen mit Brecht und anderen emeritierten Künstler-Kollegen in St. Monica, Kalifornien, kam es nach Döblins Bekenntnis zum Eklat. Was nur ein Vorspiel war für das, was dann folgte: Zurück in Deutschland wurde Alfred Döblin in der Nachkriegszeit gewahr, dass er an Popularität verlor, die Konversion zum Katholizismus irritierte die Leute. Döblins letztes großes Werk erschien 1956. Bald darauf verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Dichters, er wurde zum Pflegefall und starb ein Jahr darauf.

Gilbert Keith Chesterton: Erst Father Brown, dann die Heiligen

Mitunter tauchen Anzeichen für die innere Wandlung eines Autors in seinen Texten auf, noch ehe er sich zu seinem Glauben bekennt. So war es bei dem britischen Schriftsteller, Essayist und Journalist Gilbert Keith Chesterton (1874-1936), der als einer der berühmtesten Konvertiten des 20. Jahrhunderts gilt. Und als einer der langsamsten: Zunächst Unitarier, dann Heide, dann Agnostiker, wandelte er sich schließlich zum Christen, war jedoch erst Anglokatholik und wurde 1922 ein römisch-katholischer Gläubiger. Doch viele in seiner Umgebung bemerkten, dass Chesterton längst katholisch war, bevor er es offiziell machte. Im Jahre 1910 und damit zwölf Jahre vor seiner Konversion kreierte er die Figur des Father Brown - eines katholischen Priesters, der sich nebenbei als Detektiv betätigt. Wahrscheinlich ist Chesterton am meisten durch diese Father-Brown-Geschichten bekannt, in denen er den Katholizismus so überzeugend darstellt, als wollte er sich durch das Schreiben selbst missionieren.

Nach seinem Glaubenswechsel wandte sich Chesterton einer neuen Thematik zu: Er beschäftigte sich intensiv mit den Heiligen und schrieb Bücher über den heiligen Thomas von Aquin und den heiligen Franz von Assisi. Außerdem verfasste er Aufsätze unter anderem über den heiligen Pfarrer von Ars, Johannes-Maria Vianney, und den heiligen Thomas Morus.

Chesterton bereute nie seine Entscheidung, die er lange Zeit mit sich herumgetragen hatte und die untypisch war für seine Zeit – schließlich befand sich die westliche Welt in einer eher säkularen Phase ihrer Geschichte. Auch nach seinem Tod 1936 blieb der Einfluss des Schriftstellers ungebrochen: Über 15 Jahre später, 1953, konvertierte der bekannte britische Schauspieler Alec Guinness zum römisch-katholischen Glauben, nachdem er die Rolle des Father Brown gespielt hatte und durch sie mit dem Katholizismus in Berührung gekommen war.

Jon Fosse und Sigrid Undset: Konvertiten und Nobelpreisträger

Fast zeitgleich mit dem britischen Schriftsteller nahm die spätere Literaturnobelpreisträgerin Sigrid Undset (1882-1949) im Jahre 1924 den katholischen Glauben an. In ihrem Heimatland Norwegen galt der Übertritt der vielbeachteten Autorin zum Katholizismus nicht nur als Sensation, sondern ihm haftete auch der Hauch eines Skandals an – denn zu jener Zeit gab es in dem streng protestantischen Land praktisch keine Katholiken. Undset, aufgewachsen in einem toleranten, freidenkenden Elternhaus, fand wohl durch die Krisenzeit des Ersten Weltkriegs und eine schwierige Ehe zum Christentum. Natürlich spielte auch ihr Schreiben eine bedeutende Rolle: Ihre Geschichten siedelte die Autorin im 13. und 14. Jahrhundert an, christliche Werte wie Ehrfurcht und Treue wurden zu Leitmotiven des Handlungsgeschehens.

Neben detailreichen Schilderungen der damaligen Welt beweist Undset auch eine sensible Wahrnehmung für das Geheimnisvolle des Lebens, für das, was jenseits von Logik und Verstand liegt. Hinter ihrem nüchternen Realismus verbirgt sich stets etwas Unerklärliches.

Den Nobelpreis erhielt sie 1928 für ihre beiden Werke „Kristin Lavransdatter“ und „Der Meister von Hestviken“. Es mag aus heutiger Sicht erstaunen, dass sie diese höchste literarische Auszeichnung für ein Buch erhielt, das nicht wenige Leser als den bedeutendsten katholischen Roman des zwanzigsten Jahrhunderts werten. Doch im Fall von „Kristin Lavransdatter“ begründete das Komitee sein Urteil mit den „kraftvollen Schilderungen des nordischen Lebens im Mittelalter“. Als Person für ihren Glauben geächtet, als Künstlerin hoch geehrt, begab sich Undset bald danach in literarisch ruhigere Gewässer und wandte sich vermehrt der Gegenwart zu. Sie schrieb ab 1929 mehrere Romane, die im modernen Oslo spielen und einen ausgeprägten katholischen Charakter haben. Inspiration dafür fand sie in der kleinen, aber faszinierenden katholischen Gemeinde in Norwegen.

Mit dem jüngst zum Literaturnobelpreisträger gekürten Jon Fosse hat fast hundert Jahre nach Sigrid Undset wieder ein norwegischer Konvertit die höchste Auszeichnung für sein Schaffen erhalten. Früh erlebte der 1959 geborene Dramatiker einen Bruch in seinem Leben. Im Alter von sieben Jahren hatte er einen Unfall, bei dem er fast verblutete. Aus diesem existenziellen Erlebnis erwuchs die Hinwendung zu Gott, der Weg war das Schreiben. „Da ist ein anderer in mir. Als Schriftsteller bin ich derjenige, der ihm zuhört. Jedes Werk, jedes Buch ist ein eigenes Universum, mit seinen spezifischen Regeln und Bedingungen. Ich entwerfe diese Universen“, sagte er in einem Interview im vergangenen Dezember. Als „Medium“ will Fosse jedoch keinesfalls bezeichnet werden: „Ich muss schon dafür sorgen, dass es funktioniert. Ich muss es verwandeln. Es kommt, simpel gesagt, von außen. Ich muss es hereinlassen. Ich höre es, ich benutze es, erst mithilfe meiner Person wird es Literatur. Ich spiele eine Art Musik, meine Musik.“ Fosse entstammt einer Familie von Quäkern, er trat mit 16 Jahren aus der norwegischen Staatskirche aus und wurde mit 50 Jahren katholisch. Seitdem betet er, wie seine Romanhelden auch, täglich den Rosenkranz und das Vaterunser auf Latein.

Franz Werfel: Im Herzen katholisch, doch Jude geblieben

Es gibt bei Literaten auch Konversionen, die formal nie erfolgten, doch in den Erzählungen dieser Autoren schimmert die Faszination für das Katholische durch. Wohl das bekannteste Beispiel hierfür ist der jüdische Schriftsteller Franz Werfel (1890-1945), der in seinem Buch „Das Lied von Bernadette“ die bewegende Geschichte der Marienerscheinungen von Lourdes erzählt. Auslöser für die Niederschrift des Romans waren dramatische Lebensereignisse und damit verbunden ein Gelübde: Im Jahre 1940 befand sich Werfel zusammen mit seiner Frau Alma auf der Flucht vor den Nazis und verbrachte mehrere Wochen in Lourdes. Was sich einstmals dort zugetragen hatte – die Begegnungen der jungen Bernadette Soubirous mit der Muttergottes – berührte ihn derart, dass er gelobte, die Geschichte aufzuschreiben, wenn die weitere Flucht von Südfrankreich in die USA gelänge. Gemeinsam mit Heinrich, Nelly und Golo Mann durchquerten die Werfels Spanien und Portugal, und konnten schließlich in die USA emigrieren. Dort angekommen, hielt Werfel Wort: Sein Roman über die heilige Bernadette erschien im darauffolgenden Jahr und wurde sein kommerziell erfolgreichstes Buch, das 1943 auch erfolgreich sowie Oscarprämiert verfilmt wurde.

Obwohl sich Werfel dem Christentum eng verbunden fühlte, lehnte er die Taufe aus Mitgefühl für sein Volk strikt ab: „Israel geht durch die Stunde seiner unerbittlichsten Verfolgung. Ich könnte mich nicht dazu bringen, mich in dieser Stunde aus den Reihen der Verfolgten fortzuschleichen.“ Dem Erzbischof von New Orleans schrieb er 1942: „Ich sehe in der katholischen Kirche die reinste von Gott auf die Erde gesandte Kraft und Emanation, um die Übel des Materialismus und Atheismus zu bekämpfen und um der armen Menschenseele die Offenbarung zu bringen.“

Text: Esther von Krosigk, erschienen in: Die Tagespost, Artikel vom 22. Februar 2024

(kw)



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