Regensburg, 3. Februar 2025
Die Katholische Jugendfürsorge (KJF) Regensburg sorgt sich angesichts der aktuellen politischen Debatte zur Verschärfung von Gesetzen, um die Rechte von Menschen, die in den Einrichtungen und Diensten der KJF beraten, begleitet und gefördert werden.
„Als Anwältin der Menschen, die sich uns anvertrauen, treten wir entschieden allem entgegentreten, was deren Rechte und Würde unangemessen einschränkt“, so KJF-Direktor Michael Eibl. Es sei ein Gebot der Mitmenschlichkeit und zugleich die Aufforderung an politische Verantwortliche, Fragen zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zu beantworten und den Rat von Experten einzubeziehen, bevor es zu einer Verschärfung der Gesetze kommt.
Aktuell ist eine politische Debatte zur Migrationspolitik, zum Psychisch-Kranken-Gesetz und über die Möglichkeit, staatliche Eingriffe und Sanktionen zu ermöglichen, entflammt. Straftaten, die Migranten begehen, sind Auslöser für eine Diskussion um eine Verschärfung der Migrationspolitik. Bei Straftaten von Menschen mit einer psychischen Erkrankung steht im Raum, das Psychisch-Kranken-Gesetz zu verschärfen. „Beides beobachten wir mit großer Sorge. Pauschale Zuschreibungen verringern die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Menschen“, so Dr. Simon Meier, Psychologe und Leiter der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der KJF in Regensburg, „eine Folge davon ist deren Diskriminierung und Stigmatisierung. So schaffen wir weder die Integration von Menschen aus anderen Kulturen, noch den Ausbau und die Verbesserung psychiatrischer Versorgungsstrukturen.“
Schreckliche Ereignisse bewegen die Öffentlichkeit sehr. Bei Gewalttaten, an denen Menschen mit einer psychischen Erkrankung beteiligt oder Täter sind, muss wie bei allen tragischen Ereignissen Zeit für die Trauer, Zeit für die Opfer verfügbar sein. „Dass dies auch in einer schnelllebigen Medienwelt möglich ist, zeigen immer wieder vorbildliche Aktionen von Kindern und Jugendlichen, die uns Trauerarbeit vorleben“, so Michael Eibl.
„So verständlich der Wille nach Aufklärung und nach Verbesserungen ist, darf es nicht zur Instrumentalisierung der schrecklichen Geschehnisse kommen. Gerade die Opfer haben in diesen Situationen Besonnenheit verdient, eine solide Aufarbeitung und ehrliche Diskussionen. Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, die eine Gefahr für ihre Mitmenschen sein können, steht ein breites Instrumentarium zur Verfügung, man muss es anwenden und die Rahmenbedingungen dafür stets anpassen“, erklärt Dr. Simon Meier weiter. In öffentlichen Diskussionen sei es besonders wichtig, dass zwischen einer akuten Fremdgefährdung, die bereits jetzt ein Grund für eine vollstationäre psychiatrische Behandlung mit freiheitsentziehenden Maßnahmen sein kann, und allen anderen Formen von psychischen Erkrankungen unterschieden wird.
„Werden alle Menschen mit psychischer Erkrankung pauschal vorverurteilt und stigmatisiert, werden weniger Menschen bereit sein, sich behandeln zu lassen, ein fataler Kreislauf wird in Gang gesetzt!“, das macht Dr. Simon Meier deutlich. „Wir würden viele großartige fachliche Entwicklungen in der Psychiatrie und Psychotherapie gefährden.“ Er macht weiter darauf aufmerksam, dass sich dies ganz besonders sensibel und eventuell sogar abschreckend auf psychotherapeutisch behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche auswirken werde: „Es dürfte sie und ihre Eltern zusätzlich zögern lassen, sich rechtzeitig um eine adäquate psychotherapeutische Versorgung zu kümmern, da im schlimmsten Falle der Staat verstärkt als Bedrohung für die persönliche Entscheidungsfreiheit zur Behandlung wahrgenommen werden könnte.“
Es wäre wichtig, die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung dem aktuellen Bedarf anzupassen, fordert Meier. Dazu gehöre eine ehrliche Bestandsaufnahme der psychiatrischen Versorgung, gehörten mehr Investitionen und Werbung für die Ausbildung von Fachpersonal, die weitere Entstigmatisierung des Berufsbildes und der Patientinnen und Patienten. „Die bayernweit flächendeckend langen Wartezeiten für Psychotherapieplätze, ganz besonders im ländlichen Raum, führen zu allererst zu schwereren und chronifizierten Verläufen bei seelischen Erkrankungen“, stellt er fest. Simon Meier und Michael Eibl sprechen für die Menschen, die betroffen sind. Als deren Anwälte und als Fachexperten mahnen sie überdies an, für die Opfer und Hinterbliebenen immer wieder zu verdeutlichen, welche Präventionsmaßnahmen und welche Handlungsmöglichkeiten des Staates es bereits jetzt gibt.
Text: Chrstine Allgeyer
(sig)