News Bild Katholische Akademie verleiht Ökumenischen Preis an Landesbischof Dr. Johannes Friedrich

Katholische Akademie verleiht Ökumenischen Preis an Landesbischof Dr. Johannes Friedrich

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Im Rahmen eines Festakts verlieh die Katholische Akademie Bayern an Landesbischof Dr. Johannes Friedrich gestern den Ökumenischen Preis der Akademie. Bischof Gerhard Ludwig Müller sprach als Laudator. Lesen Sie hier die Laudatio des Regensburger Oberhirten und Vorsitzenden der Kommission für Ökumene der Deutschen Bischofskonferenz im Wortlaut:

Ansehnliche Festversammlung,
Verehrter Herr Landesbischof,
Lieber Bruder in Christo Johannes Friedrich!

In Abwandlung eines Wortes von Martin Heidegger möchte ich sagen, einen Ökumeniker ehrt man, indem man mit ihm ökumenisch denkt und lebt. Sie, lieber Bruder Johannes Friedrich, haben Ihre feste Verwurzelung in der evangelisch-lutherischen Kirche als Verpflichtung erkannt, die konfessionelle Identität nicht im Gegensatz zu anderen Konfessionen zu profilieren, sondern sie immer neu zu gewinnen im gemeinsamen Bezug zur una sancta ecclesia Dei, in die wir durch Glaube und Taufe unwiderruflich eingegliedert sind.

In Christus einander vertrauen
Die Sehnsucht nach der tieferen Lebensgemeinschaft mit Christus in seiner Kirche ist im 20. Jahrhundert immer mächtiger geworden. Sie hat uns in eine neue Epoche der Beziehungen der christlichen Kirchen und Gemeinschaften geführt.

Diese Einheitsbewegung geht vom Heiligen Geist aus und wird von Menschen getragen, „die den drei-einen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen, und zwar nicht nur einzeln für sich, sondern auch in ihren Gemeinschaften, in denen sie die frohe Botschaft vernommen haben und die sie ihre Kirche und Kirche Gottes nennen. Fast alle streben, wenn auch auf verschiedene Weise, zur einen, sichtbaren Kirche Gottes hin, die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes.“ (UR 1).
Mit größter Deutlichkeit ist hier der Paradigmenwechsel von Polemik und Kontroverse – über die Phase der irenischen Konfessionskunde – zur Ökumene der Gegenwart und Zukunft beschrieben. Ihr Kern besteht darin: Wir bestimmen unser Verhältnis zueinander nicht mehr über die tatsächlich existierenden Differenzen in Lehre, Leben und Verfassung der Kirche, sondern über das Gemeinsame, das zugleich das Fundament ist, auf dem wir stehen. „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus… (und ihr?) Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? (1 Kor 3,11.16).

Wir setzen im Glauben unser ganzes Vertrauen (fides fiducialis) auf Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist, der uns erschaffen und erlöst hat und der uns einst vollenden wird (fides historica). Der gemeinsame Glaube ist ausgedrückt im Apostolicum, dem Nicaeno-Constantinopolitanum und im Symbolum Athanasianum. Wenn Glaube zuerst Vertrauen zu Gott ist, dann können auch wir uns in Christus vertrauen. Und indem wir Gottes Existenz und die Wahrheit seiner geschichtlichen Selbstmitteilung als Wahrheit und Leben für jeden, der glaubt, erkennen, verstehen auch wir einander in der Wahrhaftigkeit unseres Bemühens, das Wort Gottes in seinem ganzen Reichtum zu verkünden.
Vertrauen und Wahrhaftigkeit aufgrund der Einheit aller Glaubenden in Christus – das sind die Triebfedern einer geistlichen Ökumene, die sich in der theologischen Ökumene bewährt und in der praktischen Ökumene in den Gemeinden aus-wirkt.

Den Kern der Kontroverse finden
Wie verlockend findet es dagegen heute noch mancher Autor bei den klassischen evangelisch-katholischen Kontroversthemen die jeweils andere Position so zu verzeichnen und ad absurdum zu führen, dass demgegenüber die eigene Lehre als einleuchtend und überlegen erscheint? Und wie schwer fällt es uns noch heute, die vom eigenen Bekenntnis abweichenden katholischen bzw. evangelisch-reformatorischen Lehraussagen aus der jeweiligen anderen Gesamtkonzeption her richtig zu erfassen, ohne unseren Dialogpartner zu kränken? Fördert es die Ökumene, wenn man die abweichende Bekenntnisaussage mit der Unterstellung mangelnder Sachkompetenz oder interessegeleiteter Motive erklärt anstatt im Gespräch „par cum pari“ das Wahrheitsgewissen des Partners zu achten? Hier steht uns eine große Aufgabe bevor: die Ereignisse seit dem 16. Jahrhundert aus der Perspektive der historischen und systematischen Theologie so aufzuarbeiten und einem erkenntniswilligen Publikum so darzustellen, dass der theologische Kerngehalt der reformatorisch-katholischen Lehrdivergenzen deutlich wird – jenseits all der sekundären ideen- und kulturgeschichtlichen Interpretationen.

Geistliche Ökumene integriert Leben und Lehre
Die geistliche Ökumene des Vertrauens und der Wahrhaftigkeit ist anstrengender, aber auch zielführender. Denn sie zielt innerhalb des gemeinsamen hermeneutischen Horizontes der „Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus zum Heil der Welt“ nicht auf die Überwindung des anderen oder gar auf einen billigen Kompromiss, sondern auf eine mögliche wechselseitige Integration von Leben und Lehre und somit zur Wiederherstellung der Einheit (Unitatis red-integratio).
Genauso abwegig wie eine „Rückkehrökumene“, die die ganze 500jährige Geschichte reformatorischen Christentums für einen einzigen Irrweg hält, ist auf der anderen Seite die Vorstellung einer „Nachholökumene“, wobei nun auch bei den Katholiken endlich der Groschen reformatorischer Einsichten fällt und wenigstens in Deutschland die katholische Kirche die Errungenschaften der Reformation einführt, um in der Neuzeit, was immer man darunter auch verstehen mag, anzukommen. Unser Adressat ist der Mensch von heute in seiner Sehnsucht nach der Liebe und Wahrheit Gottes und nicht das ideologische Konstrukt von „Moderne“, bei der zu leicht die Dialektik der Aufklärung vergessen wird und der Fortschritt der Technik, der Medizin, der Globalisierung von Wirtschaft und Information in der Doppelwirkung von Segen und Fluch unbeachtet bleibt. Die geistig-moralische Orientierung an wahr und falsch sowie gut und böse nimmt uns keine jeweils jüngste Entwicklung ab.

Die alten Ressentiments und Vorurteile neu aufzupolieren und sich gegeneinander zu profilieren – jeweils auf Kosten der Brüder und Schwestern der anderen Konfession – das ist der alte und krumme Weg. Sich gemeinsam als Jüngergemeinde Christi zu profilieren in Rede und Antwort mit denen, die uns nach dem Grund unserer Hoffnung fragen (1 Petr 3,15), das ist der gerade und neue Weg, den wir zusammen gehen wollen.

Ökumene kann nur theozentrisch ansetzen und muss in der Christozentrik ihren Dreh- und Angelpunkt haben, wie uns Papst Benedikt in Erfurt mit Blick auf Martin Luther als Zeuge nicht seiner Wahrheit, sondern der Wahrheit Christi erinnerte.

Gemeinsame Wege
Als Propst der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Jerusalem haben Sie, lieber Bruder Johannes Friedrich, das spannungsvolle aber auch fruchtbare Miteinander vieler christlicher Bekenntnisse und Kirchen erlebt, auch, was den interreligiösen Dialog angeht, im Hinblick auf die Gläubigen an den einen Gott im Judentum und im Islam. Von 2002–2006 waren Sie der Catholica-Beauftragte der VELKD und somit der direkte Gesprächspartner des Vorsitzenden der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz. Zu erwähnen ist die institutionalisierte Katholisch-lutherische Arbeitsgruppe, die schon zwei große Dokumente wachsender Gemeinschaft hervorgebracht hat: Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament (1984) und Communio Sanctorum (2000). Im Hinblick auf das vor uns liegende historische Datum „500 Jahre Reformation“ mit den 95 Thesen Martin Luthers vom 31. Oktober 1517 bereiten wir einen Text vor mit dem Titel Gott und die Würde des Menschen. Ein Bekenntnis. Auch als Leitender Bischof der VELKD ab 2005 waren wir regelmäßig mit ökumenisch-theologischen, aber auch ökumenisch-praktischen Fragen beschäftigt im Kontaktgesprächskreis der DBK und der EKD.

5 Jahre Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
Gerne erinnere ich mich an den gottesdienstlich geprägten Festakt zum 5. Jahrestag der Unterzeichnung des gemeinsamen Bekenntnisses zur Rechtfertigung des Sünders durch die Gnade im Glauben. Diese Augsburger Erklärung von 1999 ist in Methode und Ergebnis die Frucht eines jahrzehntelangen geistlich-geistigen Prozesses. Es gelang die kirchen-trennende Auffassung von der Rechtfertigung des Sünders theologisch-konzeptionell so zu fassen, dass beide Partner sich darin mit ihrem verbindlichen Glauben wiederfinden konnten, ohne ihrem Wahrheitsgewissen und ihrer Treue zum eigenen Erbe Gewalt anzutun. Es handelt sich nicht nur um eine Arbeit für theologische Experten, sondern um ein starkes Bekenntnis zur Gnade Gottes, die uns in allem trägt und uns befähigt, andere mitzutragen und Verantwortung zu übernehmen für eine Welt in Gerechtigkeit und Frieden.

Wechselseitige Anerkennung der Taufe
In diesem Zusammenhang erwähne ich mit Dankbarkeit die gemeinsame Tauferinnerung und wechselseitige Anerkennung der Taufe, die wir 2007 im Dom von Magdeburg feiern konnten. Rechtfertigung und Taufe bilden eine Einheit wie die zwei Seiten einer Medaille. Deshalb sollte auf Anregung von Kardinal Kasper und anderer weltweit und gerade auch in Deutschland das Projekt der Taufanerkennung auf die Augsburger Erklärung folgen. Die Gespräche dazu waren in der deutschen Arbeitsgruppe ins Stocken geraten und das Vorhaben drohte zu scheitern.

Lieber Bruder Friedrich, wir beide wurden beauftragt, einen letzten Versuch zu wagen. In Würzburg trafen wir uns und konnten mit Gottes Hilfe den Text entwerfen, der dann am 29. April 2007 von 11 Kirchen in Deutschland unterzeichnet werden konnte. Dort heißt es u. a.: „Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe (… Wir bekennen mit dem Lima-Dokument): „Unsere eine Taufe in Christus ist ein Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren.“ . Das entspricht dem Ökumenismus-Dekret: „Die Taufe begründet also ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind.“ (UR 22). Die Taufe ist das grundlegende Zeichen, das uns sakramental in Christus eint und vor der Welt als die eine Kirche sichtbar macht. Wir sind als katholische und evangelische Christen also auch in dem schon vereint, was wir die sichtbare Kirche nennen. Es gibt daher – genau genommen – nicht mehrere Kirchen nebeneinander, sondern es handelt sich um Trennungen und Spaltungen innerhalb des einen Volkes und Hauses Gottes: Credo unam ecclesiam … confiteor unum baptisma.
Unschwer lässt sich im trinitarischen, ekklesialen und sakramentalen Bezugsrahmen unseres Credo das biblische Zeugnis erkennen: „Ein Leib, ein Geist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“ (Eph 4, 4-6). Was wir als getrennt wahrnehmen, ist nicht eine Spaltung in mehrere Kirchen, sondern eine Trennung innerhalb des einen Hauses Gottes, anders gesagt, die unvollendete Communio der Heiligen und der communicatio in den Heilsmitteln des einen Leibes Christi, der die Kirche ist.
Die Aufgabe der geistlichen, theologischen und praktischen Ökumene besteht also nicht in der Fusion von empirisch gegeneinander abgegrenzten Kirchentümern, sondern in der Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft, der plena communio

im Bekenntnis,


im sakramentalen-liturgischen Leben und


in den Elementen, die konstitutiv sind für die Verfassung der sichtbaren Kirche.



Hier gibt es nur den Weg das Erreichte zu sichern durch ökumenische Bildung, die diese Erkenntnisse in ein breites Bewusstsein der wachsenden Gemeinschaft hineinträgt (vgl. Harding Meyers Anregungen für In-via-Erklärungen und Walter Kaspers nun auch auf Deutsch greifbare Veröffentlichung Die Früchte ernten ) und nach Möglichkeiten zu suchen, die unterschiedlichen Positionen zu integrieren oder zu einer höheren Synthese zu führen, ohne dass wir das einfach erzwingen könnten. Ökumene ist nicht eine Frage der Geschwindigkeit, sondern der Wahrhaftigkeit. Die Ungeduld des Druckmachens führt in die Sackgasse und produziert Enttäuschung. Nur Geduld in Liebe und Achtung „bewirkt Bewährung und Bewährung Hoffnung“ (Röm 5, 4) auf die volle ekklesiale und eucharistische Koinonia.

Missverständnisse klären
Im Umfeld des Papstbesuches fragten manche etwas ratlos und bitter: was soll die Ökumene, wenn der Papst die Evangelischen nicht einmal als eine Kirche anerkennt, ohne zu merken, dass es nicht darauf ankommt, als eine Kirche neben anderen anerkannt zu werden, sondern Kirche Christi zu sein und die empirischen Kirchen als Teil der einen Kirche des Herrn zu verstehen.

Die Bezugnahme auf der Erklärung der Glaubenskongregation zur Einzigkeit Christi und der Kirche Dominus Jesus (2000) ist ebenso häufig wie unpräzis.
Das Missverständnis hat seinen oft übersehenen Ursprung in der anderen Verwendung des beiderseitig gebrauchten Terminus technicus ecclesia in proprio sensu. Nach CA 8 ist die Kirche „eigentlich nichts anders als die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen“, also der wirklich durch den Glauben Gerechtfertigen, sichtbar in Predigt und Sakrament jenseits ihrer organisatorischen Gestalt in der Welt, während im katholischen Sprachgebrauch „Kirche im eigentlichen Sinn“ die bischöflich verfasste Ortskirche meint in ihrer Verbindung mit den anderen Ortskirchen und dem Bischof von Rom (communio ecclesiarum), was eben nach CA 7 für die Einheit der Kirche nicht konstitutiv ist, also nicht zur Kirche im eigentlichen Sinne gehört. Hinter den gemeinsamen, aber unterschiedlich gefüllten Begriffen verbirgt sich aber das entscheidende Problem, wie die Kirche als Gnadengemeinschaft und als sichtbar sakramental-rechtlich verfasste Gemeinschaft zueinander gefügt ist. (Dass die Communitates ecclesiales, die den gültigen Episkopat nicht bewahrt haben … nicht Kirchen (Plural!) seien in proprio sensu, plakativ so zu übersetzen mit „die evangelische Kirche ist eigentlich gar keine Kirche“, ist theologisch nicht richtig. Denn der Plural meint die Kirchen als die bischöflich verfassten Ortskirchen). Nicht das Kirchesein der reformatorisch geprägten Konfessionskirchen ist das Thema, sondern die Frage, ob für die Verfassung einer Ortskirche, eines Bistums, das sakramentale Bischofsamt konstitutiv ist oder nicht. Der Unterschied einer evangelischen Landeskirche und einem katholischen Bistum wird beschrieben – nicht bewertet.

Kirche – Medium des Heils
Das katholische Lehramt ist weit davon entfernt, „den getrennten Kirchen und Kirchlichen Gemeinschaften im Abendland“ (UR 19), die Kirchlichkeit oder das Kirchesein abzusprechen. Das bezieht sich auf die Kirche als Communio mit Gott in der Gnade. Denn auch die Christen, die nicht in voller Gemeinschaft der Lehre, der Heilsmittel und der apostolisch-bischöflichen Verfassung mit der katholischen Kirche stehen, sind durch Glaube und die Taufe gerechtfertigt und in die Kirche Gottes als Leib Christi voll eingegliedert. So sind wir untereinander Brüder und Schwestern und gehören wirklich zum „ganzen Christus, Haupt und Leib, ein Christus“ (vgl. UR 3). Aber die getrennten Kirchen und Gemeinschaften, die sich durch ihr eigenes Bekenntnis empirisch-soziologisch von der katholischen Kirche als sichtbarer Gemeinschaft abheben, sind dennoch bedeutsam im Geheimnis des Heils. Denn es ist der Heilige Geist, der sie als Media salutis gebraucht (vgl. UR 3). Es werden also nicht nur die Gnadenmittel der Predigt und der Taufe, sondern auch die Communio derer, die zu einer Konfession gehören – eben als Repräsentanten der Kirche Christi – als Vergegenwärtigung der Heilsgemeinschaft mit Gott theologisch bekannt und nicht nur im Sinne eines menschlichen Respekts anerkannt (vgl. UR 3). Das ist die Kirche als Sakrament oder Medium in der Hand Gottes. Vielleicht ist katholischerseits mehr an Sakramentalität festgestellt auf Grund der Verbindung mit denselben Gnadenmitteln in der katholischen Kirche als der evangelischen Seite wegen der Zurückhaltung gegenüber der Bezeichnung der Kirche als Sakrament lieb ist. Der Unterschied besteht nach CA 7 nicht in der Frage der Existenz der sichtbaren Kirche (quod una sancta ecclesia perpetuo mansura sit) und ihrer Bedeutung für die Vermittlung des Heils durch Wort und Sakrament, sondern im Umfang der notwendigen Heilsmittel, also der Einzelsakramente (Et ad veram unitatem ecclesiae satis est consentire de doctrina evangelii et de administratione sacramentorum). Es kommt hinzu die apostolisch-bischöfliche Verfassung der Kirche in ihrer sichtbar-sakramentalen Gestalt, obgleich CA 28, wenn ich es recht sehe, sehr nah am authentischen katholischen Verständnis des Bischofsamtes ist und als Brücke einmal ernsthaft getestet werden müsste.

Es wäre ein ökumenischer Fortschritt, wenn wir über das sprechen, was, recht verstanden, divergent ist, und nicht über das, was, weil missverstanden, eigentlich unstrittig ist. Unbestritten ist, dass die Kirche im Christusereignis begründet ist und geschichtlich-kontinuierlich als Bekenntnisgemeinschaft existieren muss (medium salutis) und immer neu aufgebaut und ernährt wird als Heilsgemeinschaft im Wort (creatura verbi) und in den Sakramenten, besonders im Herrenmahl (ecclesia de eucharistia). Der Unterscheid zwischen katholischer und orthodoxer Ekklesiologie auf der einen Seite und dem reformatorisch geprägten Kirchenverständnis ist die Zuordnung von Gnadengemeinschaft und sichtbarer Heilsvergegenwärtigung, also von Gehalt und Gestalt.

Christus gemeinsam im Heute bekennen
Ihre ökumenische Gesinnung zeigt sich darin, lieber Johannes Friedrich, dass Sie schon früh erkannt haben, im ökumenischen Zeitalter können das Reformationsgedenken oder bei uns die herannahenden Gedenkfeiern der Konzilien von Konstanz, Trient und des II. Vatikanums nicht nach alten konfessionalistischen Mustern ablaufen, wo jeweils zu bestimmten Anlässen die Überlegenheit über „die andere Reichshälfte“ zelebriert worden ist. Heute ist die Zeit, sich im Glauben als die Glieder der einen Kirche des Herrn zu erkennen und darum gemeinsam Christus zu bekennen als Mitte und Mittler, Fundament und Eckstein, Alpha und Omega. Bevor wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Kirchen- und Amtsverständnis mit aller gebotenen Sorgfalt und Sensibilität abwägen, sollten wir die volle Einheit im Gottesglauben und im Christus-Bekenntnis vor der Welt kraftvoll und heilsgewiss bezeugen. „Ihr sollt meine Zeugen sein bis an die Enden der Erde“, das ist Kirche missionarisch im Heute.
Ökumene ist die schmale Gratwanderung zwischen Identität durch Abgrenzung, die alte Wunden aufreißt, oder Identität durch größere Treue zu Christus, die zusammenwachsen lässt. In diesem Sinn haben Sie in einer Predigt beim Ökumenischen Gottesdienst im Liebfrauen-Dom in München am 19. Januar 2010 einen Gedanken des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger aufgegriffen, mit dem ich schließen möchte. „Gemeinsamkeit nicht Preisgabe der eigenen Identität. Der ökumenische Weg ist, dass Kirchen Kirchen bleiben und doch immer mehr eine Kirche werden.“

Ich beglückwünsche Sie zur Auszeichnung für alle Ihre Bemühungen in der geistlichen, theologischen und pastoralen Ökumene und danke Ihnen für Ihr vertrauensvolles, aber auch kenntnisreiches Verhältnis zu uns, Ihren katholischen Brüdern und Schwestern.
Gottes Segen begleite Sie zusammen mit Ihrer Familie auch in Ihrer künftigen Arbeit als „Diener Christi und Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4, 1).

Dank-Rede von Landesbischof Dr. Johannes Friedrich bei Verleihung des Ökumenischen Preises 2011
in der Katholischen Akademie in Bayern
am 11. Oktober 2011

(Anrede)



durch diese Preisverleihung fühle ich mich ganz außerordentlich geehrt, lieber Herr Dr. Schuller. Und für die wunderbare Laudatio bedanke ich mich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Bischof, lieber Bruder Müller.
Wenn ich bei verschiedenen Bilanz-Interviews der vergangenen Tage immer wieder gefragt wurde, was mir das Wichtigste war in diesen 12 Jahren, dann habe ich immer die Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche als allererstes und wichtigstes genannt und den Ökumenischen Kirchentag in München als Höhepunkt.

Ich bin ja in der ganz glücklichen Situation, dass sich auf dem Gebiet meiner Landeskirche
7 katholische Diözesen befinden und ich also 7 katholische Diözesanbischöfe als Kollegen habe – ein besonderes Privileg für einen evangelischen Bischof.
Dementsprechend war meine Bischofszeit stark geprägt von der Ökumene, insbesondere von dem Miteinander von römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Kirche. Dies wurde noch verstärkt durch meine Zeit als Catholica-Beauftragter der VELKD von 2000 bis 2005, in der ich ganz viel über die Römisch-Katholische Kirche, ihre Dogmen und Traditionsverständnis, ihr Kirchenrecht und ihre Lehrentwicklung gelernt habe.
Ich habe aber auch gelernt, dass ich mir meine eigene, die lutherische Kirche, nicht anders vorstellen kann, als eine ökumenische Kirche – wie wir es in unserer Ökumenekonzeption durchbuchstabiert haben. Und ich habe gelernt, dass es vor allem die drei Vs sind, die für das ökumenische Miteinander wichtig sind: Verständnis - Verlässlichkeit - Vertrauen

I. Verständnis

Wenn wir uns über bestehende Differenzen austauschen wollen, dann müssen wir verstehen, warum der andere so denkt, wie er denkt, warum er so reagiert und handelt. Und ich muss versuchen zu ergründen, ob das nicht im Rahmen seiner Denk- und Glaubensvoraussetzungen sehr verständlich ist – und nicht von vornherein an dem messen, was innerhalb meiner Denkkate-gorien richtig ist. Es kann nicht Aufgabe der Ökumene sein, zunächst das eigene Profil zu intensi¬vieren und herauszuarbeiten, was fast zwangsläufig dazu führt, dies auf Kosten des Anderen zu tun. Das Verständnis fördert das nicht.
Lassen Sie mich dazu drei Beispiele nennen:

1. Wir haben ja immer wieder Differenzen in der Frage, ob

und wann es am Sonntagvormittag ökumenische Wortgottesdienste geben darf. Lange habe ich mich nur geärgert über die Haltung der römisch-katholischen Kirche in dieser Frage, die ich als Verweigerung gewertet habe, bis ich merkte: Ich muss das erst einmal ernst nehmen, dass für sie die Eucharistie untrennbar zum Gottesdienst am Sonntagvormittag gehört – und dass dies ein hohes Gut ist - diese Wertschät¬zung der Eucharistie.
Seit mir dies richtig bewusst wurde, kritisiere ich ihre Haltung nicht mehr – auch wenn ich es für dringend nötig halte, uns über dieses Thema der ökumenischen Gottesdienste bei besonderen Anlässen auch am Sonntagvormittag weiter auszutauschen, aber auf der Grundlage der gemein¬samen Wertschätzung und Hochschätzung der Eucharistie.
Auf dieser Grundlage müssen wir dann weiter überlegen: Wie können wir es schaffen, dass auch in Bayern weiterhin Gottesdienste anlässlich von Vereinsfesten und ähnlichen ortsüblichen Feier¬lichkeiten nicht ganz ausfallen, weil die Vereine oft inzwischen sagen: Entweder ökumenisch oder gar nicht. Gleichzeitig ist ja auch verständlich, dass es nicht sein kann, in den überwiegend katho¬lischen Gebieten Bayerns sich so zu behelfen, dass der evangelische Pfarrer/die Pfarrerin im Rahmen einer Eucharistiefeier lediglich nach dem Segen ein kleines Grußwort sprechen darf. Das ist einfach demütigend. Gut, dass es da hie und dort schon Regeln für Ausnahmefälle gibt, an denen wir, um unseres gemeinsamen Zeugnisses willen, auch
weiterhin fest halten sollten.

2. Ein anderes Beispiel:

Viele auf evangelischer Seite regen sich immer wieder darüber auf, dass Rom uns angeblich nicht als Kirchen anerkennt. Abgesehen davon, dass die katholischen Bischöfe in Deutschland uns nie den Eindruck vermitteln, wir seien keine Kirchen (das beste Beispiel dafür war das Verhalten von Kardinal Marx beim Weltfriedenstreffen in München) und abgesehen davon, dass ich meine, dass ich für mein Selbstbewusstsein als Bischof einer lutherischen Kirche keine Anerkennung aus Rom brauche – davon ganz abgesehen: Viele bei uns haben nicht verstanden, dass die Aussage, die protestantischen Kirchen seien keine Kirchen im eigentlichen Sinn auf der Grundlage des katho¬lischen Kirchenverständnisses folgerichtig ist. So wie die römisch-katholische Kirche sich Kirche vorstellt, mit all dem was nach ihrem Verständnis zum Kirchesein gehört, so sind wir nicht Kirche und so wollen wir nicht Kirche sein. Wenn wir das verstehen, dann brauchen wir uns nicht unnötig zu entrüsten über diese Aussage, obwohl ich sie ökumenisch nicht gerade für sensibel halte.
Mit etwas Verständnis für die evangelischen Kirchen hätte man das so ausdrücken können, wie Kardinal Kasper „Dominus Jesus“ interpretiert hat: „Die evangelischen Kirchen sind nicht so Kirche, wie die römisch-katholische Kirche sich Kirche vorstellt.“ Und der damalige Kardinal Ratzinger hatte damals ja diese Interpretation bestätigt
So ähnlich war es dann in der Schrift der Glaubenskongregation vom Juli 2007, den 7 Antworten auf die 7 Fragen auch ausgedrückt.
Die genannten kirchlichen Gemeinschaften, die vor allem wegen des Fehlens des sakramentalen Priestertums die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, können nach katholischer Lehre nicht „Kirchen" im eigentlichen Sinn genannt werden.
Das heißt doch: Die katholische Kirche hat ein anderes Verständnis als wir von dem, was die Kirche ausmacht.
In der Tat setzen wir andere Akzente im Verhältnis von Ortsgemeinde und Gesamtkirche, von Regionalkirche und weltweiter lutherischer Communio und vor allem in der Frage des kirchlichen Amtes. Aber wir bekennen gemeinsam die eine Kirche Jesus Christi im Glaubensbekenntnis, die ja nicht einfach mit einer der Konfessionskirchen identisch ist.
Kirche ist nach unserem Verständnis überall dort, wo das Evangelium recht verkündigt und die Sakramente stiftungsgemäß gefeiert werden. Also nach unserem Verständnis ist die versammelte Gottesdienstgemeinde zwar ganz Kirche, aber nicht die ganze Kirche. Das lässt viel Raum auch für die ökumenische Gemeinschaft der verschiedenen Konfessionskirchen.

3. Ein drittes Beispiel, sozusagen von der anderen Seite:

Ich habe gehört und gelesen – und höre es auch immer noch – dass es von römisch-katholischer Seite wenig Verständnis gibt für unsere Schrift „Ordnungsgemäß berufen“ und die daraus folgende Praxis von Ordination und Beauftragung in unserer Kirche.
Ich erkläre dann immer, wenn die Rede darauf kommt, dass diese Schrift der Versuch einer theologischen Ordnung eines vorher manchmal eher ungeordneten Zustandes in evangelischen Kirchen ist. Es ist also nicht so, dass wir uns hier etwas Neues hätten einfallen lassen, mit dem wir uns vom katholischen Amtsverständnis entfernen, sondern es müsste auch für katholisches Verständnis ein positiver Schritt sein, zu realisieren, dass es bei uns nun kein Amt der öffentlichen Verkündigung und Sakramentsverwaltung mehr gibt, zu dem nicht ordnungsgemäß berufen, gesegnet und gesendet wird. Wer bei uns predigt oder die Sakramente verwaltet ist also im Sinne von CA 14 ordentlich zu diesem Amt berufen.
Wenn ich dies erkläre, dann erfahre ich sehr oft Zustimmung zu diesem Versuch.
Ich lese aber weiterhin sehr kritisch-ablehnende Meinungen, bei denen unser Amts- und Ordina¬tionsverständnis nicht erst einmal von unseren Denk- und Glaubenskategorien aus beurteilt wird, weil sich m.E. nicht die Mühe gemacht wurde, sich mit dem lutherischen Amts- und Ordinations¬verständnis wirklich zu beschäftigen.
In der Praxis, in den Gemeinden und den Einrichtungen unserer Kirche habe ich eine große Viel¬falt von Diensten erlebt, die sich entwickeln. Auch in der römisch-katholischen Kirche hat sich eine ähnliche Vielfalt in der Praxis entwickelt, wo auch weiter theologisch nachgedacht werden muss, wie dies zu begründen ist. Ich bin der Ansicht, dass es hier interessante Ansatzpunkte für einen Dialog zwischen unseren Kirchen geben könnte.
Und so könnten wir sicher auf beiden Seiten weitere Beispiele dafür finden, dass mangelndes Verständnis Vorurteile fördert.
Ökumenische Annäherung kann m.E. nur gelingen, wenn ich mich auf die Perspektive meines Gesprächspartners einlasse, wenn ich versuche, mich in die andere Tradition hineinzuversetzen, versuche, die theologischen Entscheidungen des Partners nachzuvollziehen. Dabei kann es geschehen, dass sich meine Perspektive verändert und meine Äußerungen in der eigenen Kirche auf Skepsis stoßen.
Schließlich halte ich es auch für wichtig, dass wir gemeinsam mehr Verständnis für die unter¬schiedlichen Frömmigkeitsformen, die verschiedenen Kulturen und die vielfältige Spiritualität auf der jeweils anderen Seite entwickeln. Was die geistlichen Gemeinschaften in dieser Hinsicht im den letzten Jahrzehnt geschafft haben, halte ich für großartig und für ökumenisch weiterführend.

II. Verlässlichkeit

Diese Grundnorm christlich-ethischen und besonders kirchlichen Verhaltens ist auch eine Grund¬norm ökumenischen Verhaltens. Ich muss mich so verhalten, dass sich mein Partner darauf verlassen kann, dass das, was ich gesagt habe, gilt, dass ich Zusagen einhalte, dass ich nicht hier so und dort anders rede.
Bei seiner Einführung habe ich Erzbischof Marx zugesagt, dass ich nichts von ihm fordern werde, was er aus dogmatischen oder kirchenrechtlichen Gründen von vornherein nicht erfüllen kann. Ich hoffe, dass ich mich daran gehalten habe. Und ich habe den Eindruck, dass er sich darauf verlassen hat und dass dies unser Vertrauensverhältnis gestärkt hat.
Dazu ist aber übrigens wieder das Verständnis nötig. Denn nur wenn ich weiß, was der andere - in diesem Fall, was ein römisch-katholischer Ortsbischof – geben kann und was er im Gesamt einer Weltkirche nicht geben kann – nur dann kann ich eine solche Zusage einhalten.

III. Vertrauen

Wenn wir, liebe Schwestern und Brüder, ernst nehmen, dass wir alle auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind und wenn wir ernst nehmen, dass wir alle Zeugen des auferstandenen Herrn sein wollen und sind, dann können und dürfen und müssen wir uns doch zu allererst vertrauen.
Dann müssen, ja dann dürfen wir doch keine Hermeneutik des Misstrauens pflegen, wie ich es in der Ökumene immer wieder erlebe, wenn man erst einmal überlegt, was der andere wohl im Schilde führen könnte mit einer Äußerung oder einer Aktion, sondern dann muss doch das Vertrauen zueinander im Vordergrund stehen.
Wir reden uns gerne mit Bruder und Schwester an, aber deswegen müssen wir doch nicht den unter Geschwistern – wenn sie noch klein sind – alltäglichen Streit nachmachen, sondern sollten das unter erwachsenen Geschwistern meist übliche Vertrauen kultivieren.
Dann muss ich doch nicht immer denken: Was könnte der Andere denn in Wirklichkeit gemeint haben, was steckt hinter diesem freundlichen Lächeln, was hat er denn in Wirklichkeit vor? Sondern dann nehme ich ernst, was der andere sagt und gehe davon aus, dass es auch so gemeint ist.
Ich habe in meinem Leben mit der Maxime gute Erfahrungen gemacht, immer davon auszugehen, dass das, was andere mir sagen, ernst gemeint ist – bis zum Beweis des Gegenteils. Das ist nicht naiv – es ist eine Grundregel, dem anderen zu vertrauen. Wenn das als allgemeine Lebensregel richtig ist und gut tut – um wie viel mehr in der Ökumene?
Lassen Sie uns doch all unser ökumenisches Reden unter diese Überschrift stellen: Ich vertraue darauf, dass der andere all sein Reden und Tun mir gegenüber nach bestem Wissen und Gewissen verantwortet vor Gott und nach seiner Auslegung der Bibel. Deshalb ist eine Ökumene des Vertrauens dringend notwendig.

Vertrauen, Verlässlichkeit, Verständnis – wenn wir uns alle gemeinsam um diese drei Grund¬normen bemühen, dann kommen wir auch in der Ökumene weiter.
Denn ich glaube, dass wir in den vergangenen 12 Jahren gut vorangekommen sind.
Lassen Sie mich – und in meiner Abschieds- und Rückblicksituation werden Sie mir nachsehen, wenn ich dies tue – noch kurz auf ein paar Höhepunkte in der Ökumene während der letzten 12 Jahre eingehe.

1. Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE)

Ein emotionaler Höhepunkt meiner ökumenischen Erfahrungen war, keine 24 Stunden bevor ich mein Bischofsamt antrat, die Unterzeichnung der GE in Augsburg. Aber nicht nur wegen dieses Zeitpunkts war ich bewegt, sondern auch wegen meiner persönlichen Vorgeschichte.
Als Vorsitzender des damaligen Grundfragenausschusses der Landessynode hatte ich die Aufgabe gehabt, die Vorlage zur Annahme der GE in unserer Synode einzubringen. Danach nahm die Landessynode im November 1997 diese Vorlage einstimmig an und wurde so m.W. zur ersten deutschen Gliedkirche des LWB, die die GE akzeptierte. In der darauf folgenden heftigen Diskus¬sion mit Theologieprofessoren, die die GE ablehnten, wurde diese Synode die „Schweinfurter Lügensynode“ genannt. Der angebliche Lügner war ich gewesen.
Ich halte die GE für ganz entscheidend, denn es gibt wohl keine andere ökumenische gemeinsame Erklärung mit einer reformatorischen Kirche, die eine so klare und offizielle Rezeption auf römisch-katholischer Seite erfahren hat, wie diese. Am deutlichsten wurde mir das bei unserer gemeinsamen ökumenischen Vesper im Dom zu Regensburg, als der Papst wörtlich sagte:
„Ich freue mich, dass inzwischen auch der „Weltrat der methodistischen Kirchen“ sich diesem Konsens angeschlossen hat. Der Rechtfertigungskonsens bleibt eine große und noch nicht recht eingelöste
Verpflichtung für uns: Rechtfertigung ist ein wesentliches Thema in der Theologie…“
Und die GE hat weltweit positive Entwicklungen zwischen unseren Kirchen in Gang gesetzt, so etwa in Südafrika oder in Nicaragua, wo auf dieser Grundlage Katholiken und Lutheraner (eigent¬lich alle „historischen Kirchen“) viel enger zusammengerückt sind, in der Frontstellung gegen die charismatischen Kirchen der Prosperität.

2. ÖKT Berlin und Charta Oecumenica

Ich habe den ÖKT in Berlin in ganz außerordentlich guter Erinnerung und meine, dass die Unter¬zeichnung der Charta Oecumenia ein vorwärtsweisendes Ereignis war, dass nur noch stärker als bisher in unserer ökumenischen Realität eine Rolle spielen sollte.
Ich habe schon oft zum Ausdruck gebracht, dass die beiden Abendmahlsfeiern außerhalb des Kirchentages der Ökumene geschadet haben. Schritte auf dem Weg zur vollen Kirchengemein¬schaft zwischen unseren Kirchen lassen sich nicht erzwingen, sie müssen gemeinsam vereinbart und miteinander gegangen werden.

3. Taufanerkennung Magdeburg

Ihr waren lange Verhandlungen und Gespräche, insbesondere zwischen der römisch-katholischen, den evangelischen und den orthodoxen Kirchen vorausgegangen. Als wir schon weit vorange¬kommen waren, gab es doch noch Gesprächsbedarf seitens unserer orthodoxen Brüder. Deshalb wurden Bischof Müller von der römisch-katholischen Bischofskonferenz und ich vom Rat der EKD beauftragt, zusammen mit den Orthodoxen in Würzburg zu sprechen. Im Ergebnis kam das Doku¬ment zustande, das dann 2007 in Magdeburg feierlich angenommen wurde.
Dieses Dokument kann in seiner Bedeutung nicht überschätzt werden.
Denn „was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt“ (Ut unum sint 20). Kardinal Kasper hat dies so ausgedrückt: „Alle Christen bekennen ihren Glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, an Jesus Christus, der Sohn Gottes und Erlöser, und an den Heiligen Geist, den Beistand, den Spender des Lebens und der Heiligkeit. Durch das Sakrament der Taufe sind sie wiedergeboren und vereint mit Christus. … Diese Elemente der Gemeinschaft, die von Christus herkommen und zu ihm hinführen, gehören zu Recht zu der einzigen Kirche Christi.“
„Die Taufe bildet also das sakramentale Band der Einheit, das zwischen allen herrscht, die durch es wiedergeboren sind.“ Oder Kardinal Kasper (a.a.O. S.49) „Im Blick auf die Einheit der Christen ist die Taufe dasjenige Sakrament, das die Grundlage bildet für die Gemeinschaft aller Christen.“
Deshalb ist die Vereinbarung von Magdeburg ein wichtiger ökumenischer Schritt über die bereits vorhandenen regionalen Vereinbarungen hinaus. Hier wird der Grundkonsens formuliert, der für uns alle gilt und nicht von uns hergestellt werden kann. Denn wir sind „alle zu einem Leib getauft“ (1.Kor 12,13).
Ich denke, dass uns Magdeburg aber auch einige Aufgaben mit auf den Weg gibt: Könnte die wechselseitige Anerkennung des Patenamtes eine Folge dieser gemeinsamen Tauferklärung sein? Könnten wir zum Zeichen für die Anerkennung unserer Taufe ein gemeinsames Taufformular entwickeln? Wie geht es für die Kirchen weiter, die die Praxis der Kindertaufe nicht kennen und in Magdeburg zwar anwesend waren, aber die Erklärung nicht unterzeichnet haben?
Dass die Taufe wirklich „die Grundlage bildet für die Gemeinschaft aller Christen“ sehen wir auch daran, dass der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit, der LWB und die Mennonitische Welt¬konferenz einen Trialog zur Frage der Taufe vereinbart haben. Ziel ist, dass auf Weltebene zusam¬men mit den Kirchen in der baptistisch, täuferischen Tradition, die die Tauferklärung von Magde¬burg noch nicht mit unterzeichnen konnten, die Taufe als Band der Einheit und Grundlage für die Gemeinschaft aller Christen erkannt werden kann.
M.E. ist wichtig, dass die grundlegende Erkenntnis unserer bereits bestehenden Gemeinschaft in der Taufe auch in der Öffentlichkeit deutlich wird. Dies besonders angesichts der Tatsache, dass sich bei vielen unserer Gemeindeglieder die Meinung breit macht, die Ökumene wäre in einer Krise. Gerade deshalb sollte und könnte anhand der Anerkennung der Taufe das deutlich werden, was auch das wohl wichtigste Anliegen des Papstes in Erfurt war: „Das, was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt.“


4. Papstbesuche

Ein für mich bedeutendes Erlebnis war der Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner Heimat Bayern vom 9. bis zum 14. April 2006.
Zu verschiedenen Veranstaltungen war ich als Landesbischof eingeladen und hatte dabei auch die Gelegenheit, mit dem Papst zu sprechen. Es gab bereits vor seiner Wahl zum Papst einige Begeg¬nungen mit Josef Kardinal Ratzinger, die für mich von Bedeutung waren.
In einer dieser Begegnungen fragte ich ihn, um was er uns Evangelische beneiden würde. Seine Antwort war: Um unsere Choräle, die Kirchenmusik und um Johann Sebastian Bach. Ich muss sagen, ich kann dem Papst an dieser Stelle uneingeschränkt zustimmen.
Und zu den Höhepunkten rechne ich auch den Besuch des Papstes im September in Erfurt. Es war eine gute Erfahrung, dass wir uns mit dem Papst auf unsere Einladung hin im Augustiner-Kloster in Erfurt treffen konnten, einem Ort, der für Martin Luther und die Reformation eine ganz große Rolle gespielt hat. Zu Recht hat Bischof Müller dies ein Stück römisch-katholischer Rehabilitation Martin Luthers genannt.
Das, denke ich, bleibt. Denn der Papst hat – inspiriert durch den Ort - in seinem Gespräch mit uns das große Anliegen Martin Luthers aufgenommen: seine Frage ‚wie bekomme ich einen gnädigen Gott?’ Und er hat damit und mit der Wahl des Ortes deutlich gemacht, dass es eine gemeinsame theologische Basis gibt, die in Zukunft für die Auslegung der Bibel wie für ein gemeinsames Wirken in die Welt hinein fruchtbar gemacht werden kann. Es war eine ausgesprochen herzliche Atmosphäre.
Ermutigend fand ich auch, was Benedikt XVI. im Januar in einer Privataudienz sagte, als er die Kirchenleitung der VELKD empfing:
Der ökumenische Dialog kann heute von der Wirklichkeit und dem Leben aus dem Glauben in unseren Kirchen nicht mehr abgetrennt werden, ohne ihnen selbst Schaden zuzufügen. So richten wir unseren Blick gemeinsam auf das Jahr 2017, das uns an die Veröffentlichung der Thesen Martin Luthers zum Ablass vor fünfhundert Jahren erinnert. Zu diesem Anlass werden Lutheraner und Katholiken die Möglichkeit haben, weltweit ein gemeinsames ökumenisches Gedenken zu begehen, weltweit um die Grundfragen zu ringen, nicht – wie Sie selbst gerade gesagt haben – in Form einer triumphalistischen Feier, sondern im gemeinsamen Bekenntnis zum dreifaltigen Gott, im gemeinsamen Gehorsam gegen unseren Herrn und sein Wort. Dabei müssen das gemeinsame Gebet und das innige Bitten an unseren Herrn Jesus Christus um Vergebung für das einander angetane Unrecht und für die Schuld an den Spaltungen einen wichtigen Platz einnehmen. Zu dieser Reinigung des Gewissens gehört auch der gegenseitige Austausch darüber, wie wir die 1500 Jahre bewerten, die der Reformation vorausgegangen und deshalb uns gemeinsam sind. Dazu wollen wir gemeinsam beharrlich um Gottes Hilfe und den Beistand des Heiligen Geistes bitten, um weitere Schritte auf die ersehnte Einheit hin zu gehen und nicht bloß im Erreichten zu verharren.“

5. ÖKT München

Der zweite ÖKT fand im Mai 2010 bei uns in München statt. Es war für mich ein wunderschönes, aber auch dicht gedrängtes Ereignis. Es waren mehr als 40 Termine, die ich von Mittwoch bis Sonntag wahrzunehmen hatte. Noch immer spüre ich die positiven Nachwirkungen des Kirchen¬tags, vor allem in dem gewachsenen nachhaltigen guten ökumenischen Klima an der Basis gerade auch durch die vielen gemeinsamen Projekte auf dem Weg zum ÖKT, das eine Evaluation der Evangelischen Hochschule in Nürnberg für uns deutlich gemacht hat, und nicht zuletzt auch im selbstverständlichen Umgang, den ich mit Kardinal Reinhard Marx seither pflege.

6. Kardinalserhebung Marx

Es ist für meine Frau und mich ein unvergessliches Erlebnis, dass wir bei der Kardinalserhebung von Kardinal Marx mit dabei waren. Ganz offen gesprochen gestehe ich auch, dass ich danach noch genauer wusste, warum ich evangelisch bin und sein will. Aber ich fand es ein grandioses ökumenisches Ereignis, dass Reinhard Marx uns beide zu seiner Kardinalsfamilie zählte und uns einlud. Meine Frau und ich haben diese Tage einfach genossen. Vielen Dank dafür.

7. Weltfriedenstreffen der Gemeinschaft St. Egidio

Es fand vom 10. bis 13. September 2011 das München statt.
So problematisch ich manche Differenzen zwischen Juden und Moslems auch bei diesem Treffen erlebt habe, mein Gesamteindruck war doch positiv. Je mehr wir mit Menschen anderer Kulturen und Religionen ins Gespräch kommen, desto mehr können wir Differenzen und Vorurteile abbauen. Und wir verdeutlichen dabei immer auch unsere Position! Je mehr wir Christen bei diesen Treffen eine Gemeinschaft erleben, desto stärker wird die Ökumene davon profitieren. Der ökumenische Geist, mit dem das Erzbistum München-Freising dieses Treffen vorbereitete und durchführte, war für mich ein letzter ökumenischer Höhepunkt während meiner Bischofszeit.

Meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,
Sie werden gemerkt haben: Als Gegner oder Konkurrenten kann ich die verschiedenen Konfessio¬nen nicht sehen. Wir achten einander auch bei unterschiedlichen Meinungen und wir stehen gemeinsam in einem immer säkularer werdenden Umfeld den Meinungen gegenüber, die christ¬lichen Glaubensüberzeugungen ablehnend oder gleichgültig gegenüberstehen.
Ich denke, dass wir auch mehr sind als nur Freunde, denn Freundschaften, auch ganz enge, kann man aufkündigen. Unsere Beziehung kann niemand auflösen. Und so sind wir Geschwister im Glauben, müssen aber wie Geschwister darauf achten, dass unsere Beziehungen zueinander gepflegt werden, dass gute Kommunikation stattfindet, dass wir einander verstehen, auch wenn wir von verschiedenen Denkkategorien und verschiedenen Traditionen ausgehen, dass wir uns wie Geschwister aufeinander verlassen können.
Wir müssen der Welt um uns herum zeigen, dass wir gemeinsam Christen sind, das ist unsere gemeinsame missionarische Aufgabe, vor allem aber, dass wir einander vertrauen. Ökumene geht nicht ohne Verständnis, ohne Verlässlichkeit und ohne Vertrauen. Darum plädiere ich dafür, eine notwendige Ökumene des Vertrauens stark zu machen, auch in Zukunft.
Danke.

Eine Aufzeichnung der Preisverleihung wird in der Reihe "Denkzeit" am Samstag, 15. Oktober 2011, um 22.30 Uhr in BR-alpha zu sehen sein.

Lesen Sie hier auch die Pressemitteilung der Katholischen Akademie Bayern


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