Interview mit Professor Yves Kingata
„Die Messe ist keine One-Man-Show“
Regensburg, 17. Mai 2024
Die Pressestelle traf Prof. Dr. Yves Kingata zum Interview in der katholischen Fakultät der Universität Regensburg. Mit ihm sprachen wir u. a. darüber, was einen eucharistischen Menschen auszeichnet, über den priesterlichen Dienst und über eine Veranstaltung zum 100-jährigen Geburtstag des Bayerischen Konkordats, die am 15. und 16. November 2024 stattfindet.
Sie haben einmal gesagt: „Wer Priester werden will oder ist, muss ein positiv bestimmtes Verhältnis zur Eucharistie haben.“ Sie hatten dazu einen Vortrag unter dem Titel „Eucharistie als Quelle und Aufgabe priesterlichen Dienstes – zur fruchtbaren und würdigen Feier der Heiligen Messe“ gehalten. Was zeichnet einen eucharistischen Menschen aus?
Ich möchte zunächst in Erinnerung rufen, dass am Beginn des geistlichen Weges jedes einzelnen Priesters und jedes Christen die Gleichgestaltung mit Christus durch die Taufe stand und im besten Fall das gesamte Leben hindurch ununterbrochen stehen soll bzw. muss. Durch Christus, mit Christus und in Christus sind wir im Fluss einer langen Tradition, für die die Eucharistie die höchste Kontemplation der kirchlichen Gemeinde ist. Dass sie die Quelle und den Gipfelpunkt der christlichen Erfahrung des Betens darstellt, ist keine Erfindung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Schon Kirchenväter wie Ignatius von Antiochien in seinem Brief an die Epheser oder Origines in De Oratione haben verkündet und deutlich gemacht, dass das christliche Gebet und Leben aus der Gleichgestaltung mit Christus erwächst und darauf abzielt. Aber mich bewegen vor allem die Worte von Paulus in seiner Rede in Athen, wenn er sagt: „In ihm leben wir, in ihm bewegen wir uns und sind wir.“ (Apg 17,28). Genau diese Haltung und Überzeugung zeichnen einen eucharistischen Menschen aus. Es geht nicht darum, den Dienst des Priesters auf die Liturgie im Allgemeinen und die Messe im Besonderen zu reduzieren. Denn sein Dienst ist nicht nur sazerdotal. Er ist viel mehr. Indem er in Christus lebt, sich in ihm bewegt und in ihm ist, stellt sich nicht mehr die Frage seines positiv bestimmten Verhältnisses zu Christus als Quelle und Gipfel jedes Lebens.
Sie beklagen den „Relevanzverlust der Messe“ sowie die „Entfremdung vieler Katholiken vom Gottesdienst“ Erklären Sie uns das bitte.
Die Messe ist keine One-Man-Show. Bei jeder Eucharistiefeier geht es um eine öffentliche Handlung der Kirche. Sie ist keine Privatsache des Pfarrers oder des Priesters, der der Messe vorsteht. Nicht mehr nur unter der Woche, sondern inzwischen auch schon am Wochenende werden Gottesdienste „gekürzt“, da Priestermangel herrscht oder die Besuche dieser Gottesdienste abnimmt: Ein konkretes Problem, das nicht verschwiegen werden darf. Zugleich aber scheint sich auf diese Weise ein Teufelskreis aufzutun, da die Katholiken ohne „Übung“ allmählich das Vaterunser zu verlernen scheinen oder sich mit Antworten sowie unterschiedlichen Haltungen bei der Liturgiefeier schwertun. Man kennt sich nicht mehr aus und wundert sich z.T. sogar, dass man sich im Gottesdienst fremdfühlt. Mit dieser Situation muss sich auch ein Priester arrangieren, der für eine Gemeinde und mit ihr die Eucharistiefeier nicht mehr feiern kann, weil immer weniger Gemeindemitglieder daran teilgenommen hatten, bis die Entscheidung fiel, Gottesdienste zu reduzieren. Grundsätzlich scheint bei der angesprochenen Situation eine Reduzierung der Angebote immer als eine denkbare Alternative und ein gangbarer Weg. Aber das Gespräch sollte differenzierter geführt werden. Denn die Relevanz der Eucharistiefeier ergibt sich nicht durch die Quantität der Kirchenbesucher. Das Zweite Vatikanische Konzil führt zwar aus, dass die Liturgie – besonders die Messfeier – auf die gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme der Gläubigen angelegt ist (SC 27), unterschreibt aber zugleich in Presbyterorum Ordinis für den Priester die tägliche Feier (PO 13), was der Codex Iuris Canonici als eine „nachhaltige tägliche Einladung“ (vgl. c. 276 § 2. 2 i.V.m. c. 904 CIC) ausdrückt. Jeder Gottesdienst hat eine ihm innewohnende Relevanz und Kraft, die mit nichts verglichen werden kann.
„Wer schlecht zelebriert, führt andere nicht zum Glauben!“ Sie fordern die Selbstzurücknahme des Priesters „Wie gelingt es, Jesus Christus nicht weniger wichtig, mich aber überflüssiger werden zu lassen?“ und welche Rolle spielt bei Ihrer Kritik das Zweite Vatikanische Konzil?
Die Weiheliturgie endet mit diesen wunderbaren Worten: „Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.” Nicht ich, sondern die Mutterkirche fordert diese Selbstzurücknahme. Es geht bei alldem, was der Priester tut – was übrigens für jede und jeden gelten soll – um die richtige Balance, die man finden muss. Was man ohne Überzeugung und Herzblut macht, kommt auch bei den Menschen schwach und kraftlos an. Für das Konzil sind Priester „lebendige Werkzeuge Christi des Ewigen Priesters geworden, damit sie sein wunderbares Werk, das mit Kraft von oben die ganze menschliche Gesellschaft erneuert hat, durch die Zeiten fortzuführen vermögen. Jeder Priester vertritt also, seiner Weihestufe entsprechend, Christus.“ (PO 12). Es besteht keine Identität zwischen dem Herrn selbst und dem Priester. Daher ist es entscheidend, dem Herrn den Vortritt zu lassen und die Messe durch eine gute Vorbereitung anzuleiten. Indem er gut zelebriert, zeigt ein Priester die Stärke seines Glaubens und regt zum Austausch an.
Sie organisieren am 15. und 16. November 2024 eine wissenschaftliche Tagung zum Bayerischen Konkordat, das in diesem Jahr seinen 100-jährigen Geburtstag feiert. Welche Rechtsverbindlichkeiten zwischen Kirche und Staat wurden damals getroffen und wie aktuell sind diese für die heutige Zeit?
Ich möchte mich nur auf wenige Punkte fokussieren, die sich heute noch im Staat-Kirche-Verhältnis in Bayern ganz konkret auswirken. Zunächst sei der Bereich der Schule und Hochschule genannt: Schule und Lehrerbildung sind konfessionell geprägt. Theologieprofessorinnen und -professoren sowie Religionslehrerinnen und -lehrer können nur mit kirchlicher Zulassung in den staatlichen Schul- und Hochschuleinrichtungen tätig werden. Der Religionsunterricht steht unter kirchlicher Aufsicht. Ohne missio canonica gibt es keine Ernennung. Ebenso wird es im Bereich der Hochschule gehandhabt, wenn kein Nihil obstat vorliegt. Für katholisch-theologische Fakultäten und/oder einzelne theologische Lehrstühle an staatlichen Universitäten dürfen erst dann die Lehrberechtigten vom Staat ernannt oder zugelassen werden, wenn der zuständige Diözesanbischof gegen die in Aussicht genommenen Kandidaten keine Einwände erhoben hat. Zudem können Ordensgemeinschaften frei gegründet werden und genießen Niederlassungsfreiheit. Das Kirchensteuerrecht sowie die Anstaltsseelsorge werden gewährleistet. Geistliche, die in der Pfarrseelsorge und im Religionsunterricht tätig werden, müssen bestimmte Bildungsvoraussetzungen mitbringen. Der Staat garantiert die Religionsfreiheit sowie das Selbstbestimmungsrecht der Kirche und kommt seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Kirche nach. Des Weiteren spielt der Bereich der Besetzung von Bischofsstühlen nach Eintritt einer Vakanz eine Rolle. Ab dem Eintritt bis zur Bestellung des Diözesanbischofs regelt das Konkordat die Vorgänge, die erfüllt werden müssen.
Fragen und Foto: Dr. Dr. Stefan Groß
(SSC)
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