News Bild Interview mit Dekan Michael Hirmer
Interview mit Dekan Michael Hirmer

Mitten im Leben ist der wundervolle Gott doch da

Home / News

Burglengenfeld, 26. Juli 2023

Menschen für die Kirche gewinnen und den Glauben in den Familien stärken: Zwei der aktuellen Themen, die die Kirche beschäftigen. In Burglengenfeld haben wir darüber mit Dekan Michael Hirmer gesprochen.

Warum sind Sie Priester geworden?

In meiner Familie waren der Glaube und das Engagement in der Pfarrei selbstverständlich. Meine Eltern und meine beiden Brüder würde ich als „kritisch-katholisch“ bezeichnen. In meiner lebendigen und offenen Heimatpfarrei Pfreimd, die von Franziskanern geleitet wurde, vertieften sich meine Wurzeln im Glauben. Natürlich war ich Ministrant, später Oberministrant. Engagiert war ich bei Kolping bis hin zum Diözesanjugendleiter. Diese Jugendarbeit hat mich geprägt. Am Ende meiner Schulzeit – ich besuchte zuletzt den technischen Zweig der FOS in Schwandorf – wuchs dann die Überzeugung, dass ich mich voll für die Kirche einbringen will. Während meiner Wehrdienstzeit und dem Religionspädagogik-Studium reifte dann auch meine Berufung zum Priester. Und nach knapp 20 Jahren im Dienst als Diakon und Priester bin ich immer noch dankbar und froh, diesen Weg gegangen zu sein.

Was schätzen sie am meisten nach der Corona-Pandemie?

Ich sehe die Corona-Pandemie als einen Katalysator an, denn es haben sich Prozesse beschleunigt. Unsere Gotteshäuser sind merklich leerer geworden. Eine Entwicklung aber, die schon vor vielen Jahren begonnen hat. Wir stehen vor der großen Frage, welche Symbole, Zeichen und Sakramente die Menschen heute benötigen, um mit Gott in Beziehung treten zu können.
Ich denke, dass die Sehnsucht nach Spiritualität größer ist denn je. Leider können wir als Kirche mit unseren Formen die Menschen nicht mehr erreichen. Wenn uns Corona etwas gelernt hat, dann dies, dass wir offen und kreativ sein dürfen, um die Menschen zu erreichen. Ich denke hier vor allem an digitale Möglichkeiten, die wir in der Kirche während der Pandemie entdeckt haben und jetzt weiter nutzen sollten.

Wie kann man aktuell Menschen für die Kirche gewinnen?

Menschen kann man nur für die Kirche gewinnen, wenn man sie für Jesus Christus begeistert. Und dieser Christus ist doch schon unerkannt unter den Menschen. Mitten im Leben ist dieser wundervolle Gott doch schon längst da! Wir müssen also Gott nicht erst zu den Menschen bringen! Die Aufgabe einer Seelsorgerin oder eines Seelsorgers ist es, das Leben der Menschen als großes Gleichnis Gottes deuten zu lernen. Für mich ist Jesus hier selbst das große Vorbild. Er ist in seiner Verkündigung vom Alltag der Menschen ausgegangen und hat aus diesem heraus auf Gott geschlossen und seine Frohbotschaft verkündet. Christentum ist für mich keine Ansammlung von Lehrsätzen, die es zu befolgen gilt, sondern vielmehr eine lebendige Beziehung zu Gott, die sich mitten im Leben ereignet. Wie können wir also Meschen für die Kirche gewinnen? Ich denke, wenn wir mit ihnen ihr Leben teilen und als Sauerteig der Liebe Gottes wirken.

Wie steht es um die Verband- und Ministrantenarbeit im Dekanat? Welche positiven Akzente sehen Sie?

Im Herzen bin ich Ministrant geblieben, also Diener Gottes und der Menschen geblieben. Mit einem Augenzwinkern könnte man sagen, dass sich als Pfarrer und Dekan nur die Aufgabenbereiche ein wenig verschoben haben. Die Zusammenarbeit mit den Ministranten liegt mir deshalb sehr am Herzen. Ich freue mich schon auf die Internationale Ministrantenwallfahrt im kommenden Jahr. Aber auch die kirchlichen Jugendverbände sind mir wichtig. Denn hier lernen die Heranwachsenden sich auszuprobieren, entdecken ihre Fähigkeiten und erfahren auch Grundregeln des christlichen und demokratischen Miteinanders. Es ist eine wichtige Aufgabe der Kirche Jugendliche in ihrem Reifeprozess zu begleiten und zu unterstützen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen? Welche Rollen spielen sie in der Zukunft?

Ich unterscheide nicht zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen oder Priester und Laien. Wir alle sind geliebte Kinder Gottes mit je eigenen Charismen und Talenten. Als Volk Gottes tragen wir alle gemeinsam Verantwortung für die Kirche in den verschiedenen Aufgaben, Diensten und Ämtern. Ich freue mich deshalb auf die Zukunft, denn dann wird sich mehr denn je zeigen, welch besondere und begnadete Christen in unseren Pfarrgemeinden, Verbänden und Gruppen zusammenwirken.

Welche Rolle spielt das Thema Evangelisierung?

Evangelisierung ist für mich zuallererst ein selbstloses Angebot der Kirche an die Gesellschaft. Wir laden ein, Christus zu begegnen und seine Frohbotschaft als Fundament des Lebens zu erkennen. Evangelisierung darf sich nicht quantitativ messen lassen, nach dem Motto: „Wie viele gehen am Sonntag in die Messe?“ Vielmehr will christliche Verkündigung eine qualitative Beziehung zwischen Gott und einem Menschen stiften.

Welche Angebote machen Sie im Dekanat für ältere Menschen?

In fast jeder Pfarrgemeinde des Dekanats Schwandorf gibt es viele Veranstaltungen für Seniorinnen und Senioren. Viele Engagierte bringen sich hier ein und schaffen ein buntes Angebot. Es werden Ausflugsfahrten angeboten, Besuchsdienste organisiert oder ganz klassisch zum Kaffeekränzchen eingeladen. Auf Ebene des Dekanats versuchen wir die Engagierten im Bereich der Seniorenarbeit zu vernetzen und auch fortzubilden.

Wird der Glaube in den Familien noch gelebt – und wie unterstützen Sie die Familien?

Die ersten Seelsorgerinnen und Seelsorger sind die Mütter und Väter, sind die Omas und Opas. Familie, aber auch andere Lebenskonzepte spielen in der Weitergabe des Glaubens eine elementare Bedeutung. Wenn in den Primärbeziehungen die Beziehung zu Gott keine oder eine untergeordnete Rolle spielt, werden kirchliche Bemühungen kaum Frucht tragen können. Mir kommt hier das Gleichnis vom Sämann in den Sinn. Viele unserer pfarrgemeindlichen Bemühungen werden vom Alltag überwuchert oder können keine Wurzeln schlagen, weil die Voraussetzungen für fruchtbares Wachstum in den Familien nicht gegeben sind.
Familie im Glaubensleben zu unterstützen bedeutet für mich, gute Gottesdienste mit entsprechenden Predigten zu gestalten, damit gerade für die Kinder keine Langeweile aufkommt und Erwachsene etwas mit nach Hause nehmen können. Wichtiger aber noch ist der persönliche Kontakt der Seelsorger und Seelsorgerinnen zu den Familien.

Welchen Mehrwert hat die Kirche in der Gesellschaft?

Der Mehrwert des Christentums für eine Gesellschaft ist die Hoffnung. Lassen Sie mich das mit Erfahrungen aus meinem Dienst als Notfallseelsorger erklären. Als solcher komme ich zu Menschen, für die gerade eine Welt zusammengebrochen ist, weil z.B. ein lieber Angehöriger verunglückt ist. Im Umgang mit psychosozial Betroffenen merke ich sehr schnell, ob sich diese von Gott getragen wissen oder nicht. Meine Erfahrung ist, dass gläubige Menschen eine Krise leichter meistern. Allgemeine Rituale des Trostes, die die Notfallseelsorge oder Krisenintervention anbietet, füllt der Glaube mit Inhalt und Sinn. So wird der Glaube zur Stütze im Leben und zur Hoffnung auf Zukunft, selbst in den Abgründen des Lebens. Ich frage ich schon, wie eine Gesellschaft zusammenhalten kann, die keine gemeinsame Hoffnung mehr kennt.

Interview: Stefan Groß

(kw)



Nachrichten