News Bild Interview mit Bischof Dr. Stefan Oster SDB: Der Journalismus hat mich nicht ausgefüllt

Interview mit Bischof Dr. Stefan Oster SDB: Der Journalismus hat mich nicht ausgefüllt

Gefahr ist groß, dass der Mensch als Person verschwindet


Regensburg 18. März 2025

Die Pressestelle des Bistums Regensburg interviewte den früheren Journalisten, den heutigen Passauer Bischof, Dr. Stefan Oster SDB, nach seinem Besuch mit dem Bistumsrat bei Bischof Dr. Rudolf Voderholzer in Regensburg. Im Bischöflichen Ordinariat besichtigte die Gruppe die Sammlung religiöser Volkskunst des Bistums Regensburg. Wie der Passauer betonte, der auf den Sozialen Medien sehr aktiv ist, sei der persönliche Umgang mit den Menschen wichtiger als alle Technik. Die Entwicklung hin zur künstlichen Intelligenz sieht er daher mit einer gewissen Skepsis. 

Herr Bischof Oster, Sie waren früher Journalist. Sie haben ein Zeitungsvolontariat beim Straubinger Tagblatt gemacht. Es folgte eine Moderatorenkarriere im Funkhaus Regensburg bei charivari. Was hat Sie dazu veranlasst, auf der anderen Seite zu verkünden? 

Ich habe mich damals schon intensiv gefragt, wofür ich das eigentlich mache. Zu meiner Radiozeit war, um nur ein Beispiel zu geben, meine Schwester Krankenschwester auf einer Kinderintensivstation und erlebte jeden Tag schwere Schicksale – Kinder sind gestorben, die Eltern waren verzweifelt. Sie konnte immer wieder helfen. Da dachte ich mir, sie macht etwas Sinnvolles – und ich? Ist das, was ich mache wirklich sinnvoll? Zum ersten Mal wurde mir damals bewusst, dass meine Motivation, die mich umhertreibt, viel mit Eitelkeit zu tun hat. Damals hatte ich es genossen, dass mich alle kennen und grüßten, nur weil ich beim Radio war. Dann dachte ich mir, das kann es nicht sein, das ist nicht der Sinn deines Lebens! Dann habe ich angefangen, Philosophie zu studieren – nicht gleich Theologie, weil ich doch zu weit weg von dieser Thematik war. Bei der Philosophie habe ich dann aber immer mehr nach den Denkern gefragt, die die Frage nach dem Absoluten, nach Gott, stellten, die den Horizont für Gott offen haben. Die anderen Philosophen fand ich alle langweilig. In dieser Zeit lernte ich Ferdinand Ulrich kennen. Im Laufe der Zeit ist dieser Mann als Professor, später als väterlicher Freund für meinen Denkweg und für meine existenzielle Suche immer wichtiger geworden. Dann habe ich mich im tiefen Sinn wieder an Christus erinnert, die Gestalt, die ich in meinem Kinderglauben verehrt habe – und festgestellt, dass er wirklich das Ziel meiner Suche war. Ab da habe ich mich immer intensiver gefragt: Für wen sollte ich sonst leben als für ihn?

Welche Erfahrungen aus dem Journalismus sind heute für Sie als Passauer Bischof hilfreich? 

Ich habe gelernt, mit Sprache und mit Worten umzugehen und hoffentlich so zu sprechen, dass es Menschen vielleicht verstehen oder anhören können. Man muss als Journalist vor allem im Radio auch elementarisieren, ohne zu monologisieren. Und tatsächlich darf ich mit dieser Vorbildung jetzt etwas machen, was mich tief erfüllt. Und ich kann nachvollziehen, was das Wort an Petrus bedeutet: Vom Fischer zum Menschenfischer. 

Werden religiöse Institutionen in den Medien fair behandelt? Gibt es eine Tendenz zur Skandalisierung kirchlicher Themen?

Ja, aber die gibt es nicht nur im Blick auf Religion, sondern überall. Und wir als katholische Kirche sind natürlich stärker im Focus und oft auch zurecht. Denn die Missbrauchskrise ist ein unfassbarer Skandal, der durch Menschen der Kirche verursacht worden ist. Im Grunde war und ist das eine Atombombe in das Herz der Kirche. Inzwischen wissen wir aber auch, dass es sich insgesamt um ein riesiges gesellschaftliches Thema handelt und wir für unsere eigenen Verfehlungen aber wohl auch stellvertretend für andere an den Pranger gestellt werden. Ich glaube tatsächlich, dass wir ohne mediale Vermittlung diesen Skandal aus eigener Kraft nicht so aufarbeiten könnten, wie wir es heute versuchen. Das genügt vielen natürlich trotzdem nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir diese Aufarbeitung intensiver und durchdringender versuchen als jede andere große Organisation in dieser Gesellschaft. 

Hinzu kommt: Für viele Menschen ist es jetzt an der Zeit, ihre Rechnungen mit der Kirche zu begleichen und auf diese draufzuhauen. Und tatsächlich gehört es ja auch in die Logik des Evangeliums, dass die Kirche immer wieder neu unter Druck kommt. Und wenn die Kirche auch aus Menschen besteht, die ernsthaft mit Gott gehen wollen, gehört es dann nicht dazu, dass wir nicht immer fair behandelt werden? Das steht doch auch im Evangelium. Und es kann uns helfen, uns noch tiefer an Christus zu binden, der selbst verleumdet, verfolgt und getötet worden ist. 

Zudem: Polarisierung und Emotionalisierung gehören derzeit zu den Medien dazu. Die Art der Medien und die Berichterstattung, samt den Algorithmen, die diese Prozesse steuern, tendieren dazu, dass man immer noch schärfer, emotionaler und noch polarisierter um Klicks buhlt. Und dann werden insbesondere negative Schlagzeilen immer stärker von den Menschen wahrgenommen und oft unreflektiert abgespeichert. 

Wie nutzen Sie moderne Medienkanäle?

Ich habe einen Blog, einen YouTube Kanal, einen Instagram Account und einen Facebook Account. Ich versuche diese Plattformen für das Evangelium zu nutzen und mache damit keine schlechten Erfahrungen. Sicherlich ist es, wenn man auf andere Länder mit ihren Influencern schaut – nicht das wahnsinnig große Publikum. Aber für katholische Verhältnisse in unserem Land ist es eine verhältnismäßig große Reichweite. 

Oft heißt es ja, die Kirche müsste mehr in den neuen Medien sein. Aber das ist inzwischen ja auch etwas, das richtig professionell und gut gemacht werden muss. Eine Homepage für das Bistum oder die Pfarrei zu gestalten, bedeutet ja nicht automatisch, dass die Leute dann massenweise kommen, nur weil es die Seite gibt. Heute gibt es einen riesigen Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Die Frage für uns ist dann: Versuchen auch wir dann auch Clickbaiting durch Polarisierung und Emotionalisierung zu machen oder versuchen wir, qualitätsvoll das Evangelium zu verkünden? Das ist die große Herausforderung.

Gibt es eine positive Medienstrategie für die Kirche überhaupt. Müsste man wieder mehr in die Öffentlichkeit gehen?

Sie wissen selbst als Journalist „Only bad news are good news“. Schlechte Nachrichten über die Kirche sind leider immer gute für die Medien. Selbst wenn wir tolle Initiativen haben und tolle Leistungen im sozialen Bereich erbringen, will das die durchschnittliche Medienwelt nicht automatisch hören. Persönlich bin ich davon überzeugt: Wenn wir einfach kontinuierlich und qualitätsvoll das verkünden, was uns wichtig ist – und dies auch in Güte sagen und ohne auf andere draufzuhauen, dann wird sich das auch auf Dauer durchsetzen. Vielleicht nicht bei den großen Massen, aber bei einigen auf jeden Fall.

Es ist seit einiger Zeit eine Entkopplung der großen Medien von der Kirche sichtbar. Dieser Trend scheint sich zu verstärken?

Das hängt damit zusammen, dass sehr viele Menschen, die bei den Medien arbeiten, auch nicht mehr kirchlich sind. Wir haben ja einen riesigen Säkularisierungsschub. Umgekehrt gibt es jetzt die Möglichkeit, die ich als Chance sehe, dass wir unsere eigenen Portale und Webseiten mit guten und schönen Themen füllen, damit sind wir dann nicht mehr nur auf die klassischen Medien angewiesen.

Der Vatikan warnt in einer „Note" („Antiqua et Nova“) davor, menschliche Verantwortung an die KI abzugeben. Steht unser Menschenbild zur Disposition?

Ja, es ist wie immer bei technischen Neuerungen. Es liegen Riesenchancen drin und auch große Gefahren. Mir persönlich geht es sehr stark um die Frage nach Person-Sein. Was ist eigentlich die menschliche Person und wer ist der Mensch als Person? Was ist die Menschen- und Personenwürde? Bei diesen Fragen sind es gerade wir als Kirche, denen diese Themen wichtig sein müssen. 

Denn schon unabhängig von den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz (KI) gewinne ich den Eindruck, dass die Gefahr groß ist, dass der Mensch als Person verschwindet. Schon jetzt wird er in vielen Kontexten nur noch als funktionales oder konsumgesteuertes Wesen verstanden, welches bestimmte Reaktionsmuster zeigt und auf Bedürfnisse, die Markt, Medien oder Politik erzeugen, reagieren soll. Das Wesen des Menschseins, seine Freiheit, seine Fähigkeit zu Wahrhaftigkeit, Verantwortung und Mitgestaltung wird zurück gedrängt. Und durch die KI kann dieser Trend noch mal dramatisch verstärkt werden, weil wir die Möglichkeit bekommen, technisch z.B. kulturelle Produkte, Bilder, Texte, Filme, Theaterstücke, Gedichte quasi personlos zu erzeugen. Dazu kommt, dass wir uns noch viel mehr hinter einer anonymisierten Wirklichkeit verstecken können. Die sozialen Medien bieten ja längst die Möglichkeit, alles Niedrige im Menschen hervorzubringen, weil ich im Schein der Anonymität alles sagen und jeden hassen kann. Auch die Gefahr, massenweise Fake News zu verbreiten, ist längst gegeben. Das macht uns verführbar und schränkt unsere Wahrheitsfähigkeit ein.

Wichtiger als alle Technik ist für mich deshalb immer der persönliche Umgang mit Menschen in einer konkret-materiellen Wirklichkeit. In diesem persönlichen Ich-Du, Ich-Wir -Verhältnis lernen wir viel selbstverständlicher zu uns selber zu finden und Verantwortung zu übernehmen. Das ist sehr viel konkreter, lehrreicher und herausfordernder als die bloße Begegnung an virtuellen Oberflächen, wo ich mir den anderen viel leichter verfügbar machen kann – und ihn einfach abschalte, wenn er mir nicht mehr passt. Aber lerne ich so Verantwortung? Das sind alles Trends, die ich beobachte und die mir große Sorgen machen. Wir als Kirche hingegen müssen den Menschen, sein leib-seelisches Person-Sein und sein konkretes Mit-sein mit anderen wieder in den Mittelpunkt rücken. 

Das Interview führte Dr. Dr. Stefan Groß.

Text und Fotos: Stefan Groß

(SG)



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