News Bild Impuls von Domkapitular Johann Ammer beim Führungskräfte-Workshop im Bischöflichen Ordinariat Regensburg

Impuls von Domkapitular Johann Ammer beim Führungskräfte-Workshop im Bischöflichen Ordinariat Regensburg

In der Kirche sind wir eine „Dienstgemeinschaft“

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Regensburg, 13. Juli 2024

Beim Führungskräfte-Workshop im Bischöflichen Ordinariat Regensburg am Dienstag im Diözesanobermünster hat Domkapitular Johann Ammer einen Impulsvortrag gehalten, den wir Ihnen zum Nachlesen hier zur Verfügung stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

für diesen heutigen Tag ist – und ich glaube nicht an Zufälle – folgende Bibelstelle für die gemeinsame Feier des Gottesdienstes vorgesehen:

Jesus zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden.      
Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. 
Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.        
Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.

Der Text wird immer gerne projiziert auf diejenigen Arbeiter für die Ernte, die im priesterlichen Dienst stehen – das halte ich für eine starke Engführung.

In der Kirche sind wir eine „Dienstgemeinschaft“. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Führungskräfte haben unterschiedliche Aufgaben und bringen jeweils spezifische Begabungen und Grenzen mit. Wer als Führungskraft narzisstisch seine eigenen Interessen, seinen Machtwahn verfolgt und andere auf der Strecke bleiben lässt oder gar vernichtet, um selber mehr Platz zu haben – der hat definitiv nicht nur seine Rolle verfehlt, sondern handelt auch wider das Evangelium und taugt nicht für die Führungsrolle einer Dienstgemeinschaft.

Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Am Bild des Hirten, anhand dessen Führung und Umgang mit den Schafen zeigt er anschaulich, wie wir Menschen führen sollen. (Quelle: Kevin Leman u.a., Das Hirtenprinzip, 2005)

Kenne immer genau den Zustand deiner Herde

Verfolge den Zustand deiner Leute genauso aufmerksam wie den Zustand deiner Arbeit.
Lerne deine Herde genau kennen, ein Schaf ums andere.
Kümmere dich regelmäßig persönlich um jede Einzelne und jeden Einzelnen.
Halte die Augen und Ohren offen, stelle Fragen und gehe die Geschichte jedes Einzelnen mit.

Entdecke das Format deiner Schafe

Entscheidend ist, welche Art von Schafen du dir aussuchst. Das erleichtert oder erschwert das Management deiner Herde.
Fang mit gesunden Schafen an, sonst erbst du die Probleme anderer Leute.
Sieh dir bei jedem Schaf Folgendes an: Stärken, Herz, Einstellung, Charakter, Erfahrungen. Das hilft zu gewährleisten, dass du die findest, die bei dir in der Herde richtig sind.

Hilf deinen Schafen, sich mit dir zu identifizieren

Gewinne das Vertrauen deiner Mitarbeiter, indem du dich bemühst authentisch, integer und einfühlsam zu sein.
Setze hohe Leistungsstandards.
Kommuniziere unermüdlich deine Wertvorstellungen und dein Sendungsbewusstsein mit ihnen.
Definiere für deine Leute genau die Sache, um die es geht und kläre mit jedem, wo er oder sie am besten hinpasst.
Denke immer daran, dass hervorragende Führungsqualitäten nicht nur eine professionelle Kunst sind, sondern etwas ganz Persönliches.

Gewährleiste die Sicherheit deines Weideplatzes

Halte deine Leute immer gut informiert.
Zeige, dass dir jeder Arbeitsplatz ganz wichtig ist.
Nimm chronische Meckerer aus der Herde.
Setze regelmäßig die Schafe reihum auf frische Weiden.
Schenke den Schafen ein Gefühl der Sicherheit, indem du dich sehen lässt.
Lass Problemen keine Zeit zum Schwelen.

Dein Stab, mit dem du führst

Sei dir bewusst, wohin du gehst, gehe an der Spitze voraus und halte deine Herde am Gehen.
Beim Lenken verwende das Überzeugen, nicht den Zwang.
Lass deinen Leuten Bewegungsfreiheit, aber stell sicher, dass sie wissen, wo die Zaungrenze verläuft. Verwechsle nicht Grenzen mit Zaumzeug.
Wenn deine Leute in Schwierigkeiten geraten, geh hin und hol sie heraus.
Zeige deinen Leuten, dass ein Versagen kein Weltuntergang ist.

Dein Stecken, mit dem du korrigierst

Schütze: Spring in die Bresche und kämpfe für deine Schafe.
Weise zurecht: Gestalte Maßnahmen zum Disziplinieren als Gelegenheit zum Unterricht.
Überprüfe: Frage regelmäßig jeden deiner Leute, wie es ihm und ihr geht.

Das Herz des Hirten

Starke Führungsqualität ist ein Lebensstil, keine Technik.
Du musst jeden Tag entscheiden, wer den Preis für deine Führung zahlt: du oder deine Leute.
Vor allem anderen habe ein Herz für deine Schafe.

Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. 
Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.        
Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.

Was hat Führung mit dem Glauben zu tun? Glaube ist nicht etwas Äußeres, Glaube kann man nicht kaufen, Glaube ist immer neu zu erringen und bleibt immer wieder verlierbar; zum Glauben muss man sich letztendlich entscheiden – entscheiden, weil man sich ihm öffnen muss. Denn Glaube ist ein Geschenk, das von außen an mich herangetragen wird und dass ich innerlich annehmen muss.

Glaube ist andächtiges Hören auf die uns zugesagte Frohbotschaft der Erlösung.
Als Glaubende in kirchlicher Dienstgemeinschaft das Schiff Kirche durch die (Ge-)Zeiten führen, beschreibt eine große Herausforderung für die eigene Glaubwürdigkeit.
Als Führungskraft glaubwürdig leben und arbeiten kann jeder nur, wenn er seine Person nicht hinter seiner Professionalität versteckt.
Glaubwürdig kann jeder nur sein, wenn er sein persönliches Charisma einbringt.

Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Leben aus dem Glauben heißt für die Führungskraft nicht zurückgezogenes, sondern den Menschen zugewandtes Leben.
Gott ist in allem zu suchen: Vom Glauben „geprägte Christen leben oft eine erstaunliche Weltzugewandtheit: Sie ziehen sich nicht ängstlich in ein kirchliches Ghetto zurück, sondern gehen auf die Welt zu. Große Besitztümer und Macht bejahen und nutzen sie. Sie setzen offensiv die Wissenschaft, die Technik, die Medien und alles kulturelle Schaffen zum Fortschritt der Menschheit ein“, so der Jesuit Stefan Kiechle (2010: Ignatius von Loyola, Würzburg, 151).
Es geht um „Unterscheidung der Geister“ und daraus resultierend um nüchterne und zugleich leidenschaftliche „Liebe zur Wirklichkeit“, die sich aus dem Glauben speist, dass wir Hoffnung haben dürfen und diese im Alltag bezeugen.

In dieser Spannung leben wir. Und deshalb dürfen wir dabei auch nicht vergessen, dass Kirche bei aller „Organisation“ nicht identisch ist oder sich vergleichen lässt mit einem ökonomischen Betrieb oder einer politischen NGO.
Sie trägt Züge von alledem, bietet aber zugleich als gesellschaftliche Institution und als Kulturträger „Sinnhorizonte“, die sich an alle Menschen richten.
Kirche ist als (Glaubens-)Gemeinschaft Heimat für viele; ist Heimat in besonderer Weise für ihre haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter.
Wenn man die Mitarbeiter als Personen mit menschlichen Bedürfnissen in den Blick nimmt, kann und darf sich gesellschaftlicher Wandel und kirchliche Veränderung nicht in Strukturdebatten erschöpfen.
Trotz des primär professionellen Arbeitszusammenhangs Kirche ist immer der ganze Mensch (individuell und in seinen sozialen Bezügen) zu sehen: In der Kirche sind wir eine „Dienstgemeinschaft“.

Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. 
Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.        
Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.

 

Ich möchte mit einer Geschichte abschließen:

Einmal wollte ein Mädchen sein Fahrrad anstreichen. Es hat grüne Farbe dazu genommen. Grün hat dem Mädchen gut gefallen.
Aber der große Bruder hat gesagt: „So ein grasgrünes Fahrrad habe ich noch nie gesehen. Du musst es rot anstreichen, dann wird es schön.“ Rot hat dem Mädchen auch gut gefallen. Also hat es rote Farbe geholt und das Fahrrad rot gestrichen.
Aber ein anderes Mädchen hat gesagt: „Rote Fahrräder haben doch alle! Warum streichst du es nicht blau an?“ Das Mädchen hat sich das überlegt, und dann hat es sein Fahrrad blau gestrichen.
Aber der Nachbarsjunge hat gesagt: „Blau? Das ist doch so dunkel. Gelb ist viel lustiger!“ Und das Mädchen hat auch gleich gelb viel lustiger gefunden und gelbe Farbe geholt.
Aber eine Frau aus dem Haus hat gesagt: „Das ist ein scheußliches Gelb! Nimm himmelblaue Farbe, das finde ich schön.“ Und das Mädchen hat sein Fahrrad himmelblau gestrichen.
Aber da ist der große Bruder wiedergekommen. Er hat gerufen: „Du wolltest es doch rot anstreichen! Himmelblau, das ist eine blöde Farbe. Rot musst du nehmen, Rot!“
Da hat das Mädchen gelacht und wieder den grünen Farbtopf geholt und das Fahrrad grün gestrichen, grasgrün.
Und es war ihm ganz egal, was die anderen gesagt haben.
(Quelle: Ursula Wölfel „Achtundzwanzig Lachgeschichten“)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

natürlich darf es uns nicht egal sein, was die anderen sagen.
Es steht uns auch nicht zu, anderen eine andere Farbe einzureden. Vielmehr geht es darum, hinzuhören und zuzuhören, was die Person uns gegenüber bewegt und warum.
Dann wird man gemeinsam Entwicklung gestalten und die großen Aufgaben gemeinsam meistern.
Denn gute Hirten, sprich Führungskräfte, arbeiten im agilen Leadership und nehmen so die Charismen aller Mitarbeitenden wertschätzend wahr und fördern sie.

Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.


Text: Domkapitular Johann Ammer

(SG)



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