News Bild Im Nordwesten Syriens dauert die Christenverfolgung an

Im Nordwesten Syriens dauert die Christenverfolgung an

Nur noch 650 von über 10.000

Home / News

München / Regensburg, 16. Oktober 2024

Die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens ist der letzte Schauplatz des Bürgerkriegs, der seit 2011 andauert. Dass hier die Kämpfe immer noch nicht beendet sind, könnte einen ganz bestimmten Grund haben. Mit der Präsenz von Christen ist es derweil fast vorbei, wie Bischof Hanna Jallouf, Apostolischer Vikar von Aleppo und zuvor zwei Jahrzehnte lang Seelsorger in Idlib, aus eigenem Erleben berichtet.

Idlib, die unwirtliche, westliche Grenzregion Syriens zur Türkei, war über nahezu zwei Jahrtausende hinweg überwiegend von Christen bewohnt. Bischof Hanna Jallouf aus Idlib berichtete beim Besuch von Mitarbeitern des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ (ACN) von erschreckenden Zahlen: „Von den rund 10.000 Christen, die vor dem Krieg in der Provinz Idlib lebten, sind nur noch etwa 650 Menschen übriggeblieben, meistens ältere Leute.“

Der Franziskaner Jallouf war bis 2023 Seelsorger in der Provinz Idlib; seither ist er als Bischof für die Christen des lateinischen Ritus in Syrien zuständig. Während der Kämpfe zwischen Rebellen- und Regierungstruppen sowie deren Verbündeten war der Seelsorger bei seiner Gemeinde geblieben – und geriet vor zehn Jahren in Gefangenschaft islamistischer Kämpfer der al-Nusra-Front: Am 5. Oktober 2014 wurde er zusammen mit dem Pfarrer des Dorfes Knayeh und 20 Gemeindemitgliedern entführt und fünf Tage lang gefangen gehalten.

Nach wie vor Restriktionen für Christen

Seinem Einsatz hat dies keinen Abbruch getan, erklärt Jallouf: „Ich stand als Gemeindeseelsorger immer in Kontakt mit den Rebellengruppen und habe mit ihnen verhandelt. Und das mache ich auch weiterhin.“ Denn nach wie vor sei das christliche Leben im Nordwesten des Landes starken Restriktionen unterworfen. Christen dürften ihren Glauben außerhalb der Kirche nicht öffentlich zeigen, auch sei es verboten, Kreuze oder Statuen aufzustellen.

Besonders die kirchlichen Schulen könnten in der Region bis heute nicht offiziell arbeiten. „Viele christliche Familien unterrichten ihre Kinder zu Hause, um sich keiner Gefahr auszusetzen.“ Für die Schlussexamen müssten die Schüler jedoch in andere syrische Provinzen wie Aleppo oder Hama reisen. Die Reisekosten dafür seien enorm hoch – umgerechnet etwa 3000 Euro pro Person, erklärte der Bischof.

Christliche Präsenz dauerhaft zu Ende?

Auch in anderen Landesteilen Syriens sei die christliche Präsenz nach wie vor stark bedroht: „13 Jahre Krieg, Inflation und Armut haben das Land ausgemergelt“, sagte Jallouf. Laut lokalen Beobachtern sei die Abwanderung aus Städten wie Aleppo oder Hassakeh so hoch, dass es dort in einigen Jahren keine funktionsfähige christliche Gemeinde mehr geben wird.

Eine Perspektive, die Bischof Jallouf nicht lähmt. Er wirke weiterhin als „einfacher Pfarrer“ unter den verbliebenen Gemeindemitgliedern. Zusammen mit „Kirche in Not“ hat sein Vikariat dieses Jahr Sommercamps für 1.500 Kinder und Jugendliche auf die Beine gestellt. Das Hilfswerk hat außerdem den kirchlichen Einsatz für Betroffene des Erdbebens im Februar 2023 unterstützt, das neben der Türkei auch die Provinz Idlib schwer getroffen hatte. Dort wurden mittlerweile 50 Häuser von Mitgliedern der römisch-katholischen Gemeinde wiederaufgebaut. Auch hat das Vikariat ein „Essen auf Rädern“ für betagte Menschen aufgebaut; „Kirche in Not“ hilft auch hier.

Auf seine eigene Entführung vor zehn Jahren, die er mit Glück und Gottes Hilfe überlebte, blickt Bischof Jallouf mit gemischten Gefühlen zurück, vor allem mit Blick auf die jüngste Eskalation im Heiligen Land und im Libanon: „Wir Christen vergeben, aber wir vergessen nicht. Ich hoffe, dass sich die vergangenen Jahre nicht wiederholen werden. Ich bete darum, dass Syrien und der ganze Nahe Osten wieder ein Ort der friedlichen Koexistenz werden.“

Text: Kirche in Not

(sig)



Nachrichten