Bonn, 10. August 2023
Die Errungenschaften von Naturwissenschaft und Technik verbesserten das Leben der Menschen, mehr denn je aber gefährden sie auch unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Ein Menschheitsproblem, das auch den christlichen Gottes- und Schöpfungsglauben herausfordert, der aber auch inspirierend und stimulierend dabei helfen kann, die ökologischen Krisen anzugehen.
„Für den gläubigen Menschen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller Überlegungen“, mit diesem vielzitierten Satz fasste der Physiker Max Planck seine Überzeugung von der Vereinbarkeit von Glaube und Naturwissenschaft zusammen. Nach Max Planck ergänzen, begrenzen und bedingen Glaube und Naturwissenschaft, mehr noch Glaube und Wissen, Religion und Wissenschaft einander.
Während Naturwissenschaftler mit ihrer empirischen, experimentbasierten Herangehensweise Gesetzmäßigkeiten in den Fokus nehmen, interessiert sich der religiös Glaubende für die Zielgerichtetheit, für das Woher und Wohin von Mensch und Welt. Max Planck steht damit in einer Reihe mit weiteren großen Naturwissenschaftlern wie Isaac Newton, Albert Einstein, Niels Bohr oder Werner Heisenberg.
Der moderne Mensch entzauberte und verbesserte die Welt
Die Menschen konnten durch die methodisch geleitete Vernunft der Naturwissenschaften seit der Zeit der Aufklärung viele Geheimnisse der Welt aufdecken und zahlreiche technische Errungenschaften hervorbringen, die das Leben der Menschen für vorhergehende Generationen unvorstellbar verbessert haben. Kurzum: Die Naturwissenschaften entzauberten die Welt und die auf den Naturwissenschaften basierende Technik verbesserte die Welt für uns Menschen in vielfältiger Weise.
Der bahnbrechende Erfolg der Naturwissenschaften bei der Welterklärung und Weltaneignung drängte den christlichen Schöpfungsglauben daher jedoch zunächst mehr und mehr in die Defensive. Angesichts der menschlichen Ausbeutung des Planeten durch die naturwissenschaftlich gegründete Technik gerät derzeit jedoch vielmehr die Schöpfung selbst in die Defensive, so scheint es.
Was verstehen Christen unter Schöpfung und was nicht?
Unter „Schöpfung“ verstehen Christinnen und Christen allerdings keine naturwissenschaftliche Erklärung darüber, wie die Welt entstanden ist. Dieses fatale Missverständnis ist den Köpfen vieler leider noch immer vorhanden und wird in manchen fundamentalistischen Kreisen häufig auch leider immer noch so vertreten. Schöpfung bezeichnet dagegen vielmehr auf einer ganz anderen Ebene eine Deutung der Welt als von Gott geschaffen. Gott ist der, ohne den nichts ist, was ist – so könnte man sagen.
Diese von Gott geschaffene Welt soll sich der Mensch unterwerfen, heißt es in Genesis 1,28. Nie war der Mensch so sehr in der Lage, diesen biblischen Herrschaftsauftrag über Gottes Schöpfung so schonungslos umzusetzen, wie seit dem Siegeszug der modernen Wissenschaft und Technik. Was die Rolle des Menschen in der Schöpfung angeht, ist in der heutigen Theologie die Erkenntnis gereift, dass der „Herrschaftsauftrag“ nach Genesis 1,28 indes immer in Verbindung mit dem Auftrag zur Behütung der Schöpfung nach Genesis 2,15 zu sehen ist.
Wissenschaft und Technik sind doppelgesichtig
Die Kehrseite der Errungenschaften von Wissenschaft und Technik jedenfalls ist die schonungslose Ausbeutung der Erde, der gefährliche Klimawandel sowie die menschengemachte Zerstörung von Flora und Fauna. Erst als den Menschen durch Satellitenaufnahmen das dramatische Ausmaß von Entwaldung, Gletscherschmelzen und dergleichen drastisch vor Augen geführt werden konnte, weckte dies das öffentliche Bewusstsein für die Verletzlichkeit der Erde. Der Klimawandel und die Umweltkrisen lassen heute also mehr denn je die Schattenseiten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, des „techno-ökonomischen Paradigmas“, wie Papst Franziskus es in seiner vielbeachteten Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si“ nennt, hervortreten.
Dem Pontifex zufolge unterwirft das techno-ökonomische Paradigma beinahe alles dem rationalistisch-berechnenden Denken und reduziert es auf den jeweiligen ökonomischen Gebrauchswert. Der Papst schreibt in „Laudato si“: „Das technokratische Paradigma ist […] heute so dominant geworden, dass es sehr schwierig ist, auf seine Mittel zu verzichten, und noch schwieriger, sie zu gebrauchen, ohne von ihrer Logik beherrscht zu werden. Es ist ‚kulturwidrig‘ geworden, wieder einen Lebensstil mit Zielen zu wählen, die zumindest teilweise von der Technik, von ihren Kosten und ihrer globalisierenden und vermassenden Macht unabhängig sein können. In der Tat neigt die Technik dazu, zu versuchen, dass nichts außerhalb ihrer harten Logik bleibt“ (LS 108).
Und dennoch ist es gerade das techno-ökonomische Paradigma oder vielmehr das hochkultivierte, wissenschafts- und technikbasierte Schaffen des Menschen, das zur Bewältigung der ökologischen Krisen durch Innovationen beitragen kann, die heute noch nicht umgesetzt werden oder an die heute noch gar nicht gedacht werden kann. Beide Seiten gilt es, im Blick zu behalten, um weder lähmendem Pessimismus noch ignorantem Optimismus anheim zu fallen.
Biblisch-christlicher Glaube als Motivator für Schöpfungsverantwortung
Beim Einsatz für einen sozialökologischen Wandel geht es, christlich gesprochen, um die Bewahrung der Schöpfung; der Pflanzen und Tiere als unsere Mitgeschöpfe mit einem Eigenwert. Die zum christlichen Glauben gehörende theologische Tugend der Hoffnung hilft überdies gegen allzu melancholische Apokalypse-Stimmungen. Es geht dabei auch um ein Gespür dafür, dass es mit den Dingen dieser Welt nicht abgetan ist.
So verstanden kann der christliche Schöpfungsglaube als eine Quelle dienen, aus der die Grundhaltungen der Ehrfurcht, der Freude, der Dankbarkeit und der Achtung gegenüber allen Lebewesen erwachsen können. Eine solchermaßen geprägte Spiritualität sensibilisiert letztlich für das Stöhnen der Erde und bestärkt das so dringend notwendige Engagement für die Bewahrung der Schöpfung.
Gerade aus der Perspektive christlicher Umweltethik und mit Blick auf die positiven Potenziale von Religion zur Bewältigung der globalen Umwelt- und Klimaprobleme können und sollen Glaube und Vernunft, Tradition und Innovation, biblischer Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliche Welterschließung in Zeiten der ökologischen Krise nicht zuletzt zu einer neuen Symbiose finden.
Text: Lars Schäfers/f1rstlife
(kw)