Regensburg, 5. März 2024
„Erdäpfel in der Fröih, mittags in der Bröih, omds in da Heit, Erdäpfel für alle Zeit“, so wird in einem alten Regensburger Heimatbuch die Eintönigkeit der Fastenküche beschrieben. Und Fastenzeiten gab es zahlreiche in früherer Zeit.
So wurde vor allen kirchlichen Hochfesten streng gefastet, es gab das Oster- und Pfingstfasten, das Dankfasten im Herbst bis hin zum Adventsfasten. Dazu kamen dann noch einzelne Fasttage, zum Beispiel vor Allerheiligen oder Christi Himmelfahrt. Der Mittwoch, Freitag und Samstag der ersten Fastenwoche waren jeweils die so genannten Quatembertage und es gehörte einfach dazu, dass man um den Quatember auch zum Beichten ging. Alles zusammengerechnet kam man damit auf über 150 Fastentage im Jahr.
Das große Osterfasten
Eine Fastenzeit hat sich bis heute erhalten: das Osterfasten. Mit dem Aschermittwoch beginnt die 40-tägige Fastenzeit. Doch wer die Fastentage einmal genau nachzählt wird verwundert feststellen, dass zwischen Aschermittwoch und Karsamstag nicht etwa 40, sondern genau 46 Tage liegen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein gläubiger Christ nun sechs Tage länger auf „fleischliche Genüsse“ verzichten muss, denn diese sechs Tage stehen für die sechs Sonntage in der Fastenzeit, die nicht zu den Fasttagen gerechnet werden. Denn schon in der Bibel heißt es: „Könnt ihr denn fasten so lange der Herr unter euch ist!“ Und da besonders am Sonntag die Gegenwart Gottes in der Eucharistie gefeiert wird, fallen diese nicht unter das Fastengebot.
Terminwirrwar
Vor dem Konzil von Benevent im Jahr 1091 war der Sonntag „Invocatis“, also der Sonntag nach Aschermittwoch, der Beginn der 40-tägigen Fastenzeit. Der darauffolgende Montag wurde noch als eigentliche „Fast-Nacht“ begangen. 1091 aber wurden die Sonntage von der Fastenzeit ausgenommen. Seitdem endet der Fasching am Dienstag nach dem siebten Sonntag vor Ostern und die Fastenzeit beginnt mit dem darauffolgenden Mittwoch, dem Aschermittwoch. Diese Änderung hatte eine jahrhundertelange Terminverwirrung zwischen „alter Fastnacht“ und „neuer Fastnacht‘“ zur Folge. Einige bis heute erhaltene Bräuche, wie etwa der Funkensonntag im Allgäu, finden noch immer zum alten Fastnachtstermin statt.
Butterbrief und Schmalzgeld
Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein erlaubten die strengen Fastengebote in der vorösterlichen Zeit keinerlei Fleischspeisen. Im Mittelalter waren sogar die Laktizien, also Milch, Käse, Butter und Eier, die als „flüssiges Fleisch“ galten, verboten. Damals wandten sich viele Städte, Klöster, Pfarreien und Fürsten nach Rom, um für ihre Untertanen um Milderung der Vorschriften zu bitten. Der Papst ließ sich schließlich erweichen und stellte so genannte „Butterbriefe“ aus. Allerdings wurden die Gläubigen dafür mit einem „Schmalzgeld“ zur Kasse gebeten. So konnten zum Beispiel das Münster in Ingolstadt und St. Martin in Landshut zum Teil durch „Butterbriefe“ finanziert werden. Papst Innozenz VIII. erlaubte im Jahr 1487 jedem, der zum Kirchenbau freiwillig Geld in Höhe des Lebensunterhalts eines Tages beisteuerte, auch an Fasttagen Milch, Butter und Käse zu essen.
Streng überwacht
Erst im 16. Jahrhundert erteilte Papst Julius allen Christen Dispens für den Verzehr von Butter, Eiern, Käse und Milch. Trotzdem waren die Fastengebote noch sehr streng. Doch es gab auch Ausnahmen. Wer an fremden Tischen essen musste, war von den strengen Verboten befreit. Das galt auch für Dienstboten, Kinder, Kranke und Arme. Auch Reisende und Wallfahrer mussten nicht auf Fleisch verzichten. Im Jahr 1620 erhielt sogar das Militär in Bayern eine Fastendispens, weil „die nötige Fastenkost für soviel Militär samt Weib, Kind und Tross nicht aufzutreiben sei“. Für alle anderen wurde die Einhaltung der Fastengebote sowohl in privaten Haushalten als auch in Gasthäusern sogar von der weltlichen Obrigkeit überwacht.
Not macht erfinderisch
Wer es sich leisten konnte, versuchte, die strengen Fastengebote durch besonders schmackhafte Fastenspeisen zu umgehen. Bei diesen Gerichten brauchte man bei aller fleischlichen Enthaltsamkeit auf Gaumenfreuden nicht zu verzichten. So gab es in Bayern verschiedene Kochbücher, die sich ausschließlich mit Fastenspeisen beschäftigten. Die Regensburger Pfarrersköchin Anna Huber beschreibt in ihrem Kochbuch „Die vollständige Fastenküche – praktische Anleitungen zur Zubereitung von 364 Fastenspeisen“ aus dem Jahr 1870 allein fast 50 verschiedene Fastensuppen, darunter delikate Krebs-, Froschschenkel- und Fischsuppen. Die versierte Köchin wusste: „Die Fastenküche erfordert das meiste Nachdenken und den meisten Aufwand an Geschicklichkeit… damit der Mangel an Fleischspeisen nicht gar so fühlbar ist“.
Gschwollene Gans und Stoaknödel
Bei den meisten Gläubigen konnten in der Fastenzeit allerding oft nur fantasievolle Namen über den fleischlosen Inhalt der Speisen hinwegtäuschen.
Wie bei der „Gschwollene Gans“, die eigentlich so gar nicht nach Fastenspeise klingt. Doch auf einen knusprigen Braten hofft man hofft bei diesem Gericht vergebens. Denn die „Straubinger gschwollene Gans“ war eine Fastenspeise, genauer gesagt eine in der Suppe aufgeweichte (eben aufgeschwollene) Semmel. Diese Broteinlage sollte das Federvieh symbolisieren, auf das der Esser früher während der Fastenzeit streng verzichten musste.
Ochsen, Hasen und Füchse
Nicht nur die „Gchwollene Gans“ versprach mehr, als dann auf den Tisch kam. Der Name täuschte auch bei anderen Gerichten über deren fleischlosen Inhalt hinweg. Da gab es z.B. „Ochsengurgeln“, „Hasenöhrl“ und „Krautfüchse“, für die weder Ochsen, noch Hasen oder gar ein Fuchs in den Kochtopf gewandert waren. Oder die „Bocksuppe“, eine dünne Suppe aus dem Wasser von gekochten Erdäpfeln, die gesalzen und gepfeffert wurde. Auch die Brotkrumen, die man darin noch eingeweicht hat, konnten den Geschmack nicht wesentlich verbessern. Und wie eine „Oberpfälzer Wasserschnalzn“ geschmeckt hat, kann sich wohl auch jeder vorstellen.
Text: Judith Kumpfmüller