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Fußwaschung an zwölf Menschen im Rollstuhl

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(pdr) Bischof Gerhard Ludwig Müller hat im Beisein des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset, im vollbesetzten Hohen Dom St. Peter die Gründonnerstagsliturgie gefeiert. Dabei hat er, dem Beispiel Jesu folgend, zwölf behinderten Menschen im Rollstuhl die Füße gewaschen. Die Predgit im Wortlaut:

Liebe Brüder und Schwestern!
In dieser bewegenden Stunde gedenken wir als glaubende Christen der Nacht vor dem Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus. Jesus wusste, dass man ihm nach dem Leben trachtete und auf seine Vernichtung aus war. Es war der Unglaube, der diesen Jesus von Nazareth nicht ertragen konnte. – Wie kann sich dieser Mann selbst als Weg und Wahrheit und Leben ausgeben, gar als der einzige Weg, der uns mit Gott, seinem Vater verbindet? – Ist er nicht selbst schuld, wenn man ihn nicht mehr ertragen kann?
Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war ,,um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“ (Joh 13,1). Gerade darum geht er seinen Weg bis zum Ende, ohne sich vorher herauszureden oder sich geschickt aus dem Ärgernis herauszulavieren, in das ihn seine Sendung gebracht hat: nämlich von der Wahrheit Gottes Zeugnis abzulegen. Er liebte die Seinen in der Welt und deshalb „erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1).
Worin aber erweist sich diese Vollendung der Liebe? – Jesus sagt es uns: Eine größere Liebe hat niemand als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde (vgl. Joh 15,13).
Jesus liefert sich freiwillig seinen Feinden aus, wird unschuldig verurteilt und erfleht dennoch seinen Mördern am Kreuz Vergebung. Am Kreuz umfängt seine Liebe alle Menschen, sogar die allergrößten Sünder und Gottesleugner. Er öffnet ihnen durch die Vergebung der Sünden in seinem Blut einen immer offenen Zugang zu Gott, seinem Vater. Er stellt sie durch seine Liebe bis in den blutigen Kreuzestod in die Wahrheit Gottes hinein und schenkt ihnen Anteil am Leben Gottes.
Was aber ist der Weg der Nachfolge Jesu, damit auch wir zum Weg Gottes finden?
Im Johannesevangelium zeigt uns Jesus in der uns befremdenden Symbolhandlung der Fußwaschung, was wir tun sollen. In der Antike war es die Aufgabe der Sklaven, den Gästen eines Hauses die Füße zu waschen, wenn diese mit schmutzigen Schuhwerk und verstaubten Füßen von der Wanderung ins Haus eintraten.
Ein solches Zeichen gibt uns Jesus. Er, der in der Gottgleichgestalt war, hat sich selbst erniedrigt, und ist uns Menschen gleich geworden bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,6f.). In Christus, dem Sohn Gottes, ist es Gott, sein Vater selbst, der uns, seinen winzigen, sündigen und todgeweihten Geschöpfen diesen Dienst tut, in dem sich die unendliche, selbstlose Liebe Gottes zu uns offenbart. Unser Hochmut Gott und den Menschen gegenüber wird beschämt und wir empfinden Reue wegen unseres Stolzes und unserer Überheblichkeit.
Haben unsere Stammeltern sich nicht verführen lassen durch die verlogene Verheißung: Wenn ihr Gottes Gebot übertretet, werdet ihr sein wie Gott? (Vgl. Gen 3)
Petrus, der für alle Jünger spricht, weist diese Geste der verzeihenden Liebe Gottes in der Fußwaschung zurück: Einen sich verdemütigenden Gott kann er nicht verstehen. Doch Jesus besteht darauf. Wenn ihr euren Stolz besiegen lasst durch die Demut und Dienstbereitschaft eures Gottes und Schöpfers und euch an diesem Beispiel orientiert, dann habt ihr Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, der Gemeinschaft und Liebe ist.
„Zu Recht nennt ihr mich Meister und Herr“ und „Herr und Gott“ – Jesus ist in der Tat das WORT, das Fleisch geworden ist, der einzige Sohn vom Vater, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist der eine und wahre Gott ist.
Mit dieser Symbolik der Fußwaschung ist er uns zum Bespiel geworden, damit auch wir als Jünger Jesu so handeln wie es Jesus, unser Lehrer und Heiland, getan hat (vgl. Joh 13,15).
In der Liturgie des Gründonnerstags vollziehen der Bischof und die Priester an der Stelle Christi symbolisch die gleiche Handlung wie Jesus gegenüber seinen Jüngern im Abendmahlsaal. Dabei geht es nicht einfach um ein Nachspielen des Evangeliums. Vielmehr wird uns symbolisch erschlossen, wie wir heute Jesu Jünger sein können.
An diesem Abend stehen 12 behinderte Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, stellvertretend für alle Menschen, die auf die Liebe Gottes und auf die Dienstbereitschaft seiner Jünger angewiesen sind. Wir drücken damit unsere Überzeugung aus, dass jeder einzelne Mensch seine unverlierbare Menschenwürde von Gott her empfangen hat. Hier gilt es zu denken wie Gott denkt und nicht wie die Menschen nach dem Maß ihrer Selbstsucht kalkulieren. Jedem Menschen kommt eine unverlierbare Würde zu, unabhängig davon, ob er jung ist oder alt, gesund oder krank, arm oder reich, ob er unter ökonomischen oder finanziellen Gesichtspunkten für die Gesellschaft nützlich ist oder nicht, ob er für die Freizeitindustrie Gewinn abwirft oder ob er Anspruch auf die Hilfe der Solidargemeinschaft erheben muss.
Mit dieser Symbolik der Fußwaschung geben wir ein Zeichen, dass Gottes Liebe universal und nicht verhandelbar ist. Die Menschenwürde ist und bleibt unteilbar!
Wer sich über Missbrauch von Kindern empört, darf nicht bei der Tötung von unschuldigen Menschen im Mutterleib oder bei der verbrauchenden Embryonenforschung einen faulen Kompromiss eingehen mit den Verwertungsinteressen von Einrichtungen, die den Menschen nur noch als verbrauchbares Biomaterial verunglimpfen. All das wurde in der Vergangenheit schon einmal vorexerziert, als man von unwertem Leben gesprochen hat und mit Hinweis auf die Volksgesundheit und die Zumutbarkeit für die Gesellschaft die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte beging.
Wir Christen dagegen bekennen: Jeder Anschlag auf die Würde und Unverletzlichkeit des Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod ist ein Verbrechen gegen Gott. Dem stellen wir unsere Liebe in der Nachfolge Christi entgegen: indem wir caritativ tätig sind, aber zugleich auch öffentlich gegen ein falsches Bewusstsein angehen. Im Einsatz für den Menschen lassen wir uns von niemanden einschüchtern oder in unserer größeren Liebe übertreffen. Wenn Jesus seinen Leib und sein Leben, sein Fleisch und sein Blut für uns dahingegeben hat, damit wir leben, dann wollen auch wir uns dahingeben. Unsere Liebe füreinander soll so sein, dass alle daran erkennen, dass wir nicht Sklaven einer Kultur des Todes und der Dekadenz sind, sondern Diener Christi, Diener des Lebens und der Liebe.
Eine größere Liebe hat niemand als wer sein Leben hingibt für seine Freunde! (Vgl. Joh 15,13).



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