News Bild Ex-Verfassungsrichter Steiner zu Scharia und Kalifat:

Ex-Verfassungsrichter Steiner zu Scharia und Kalifat:

Wir setzen die Wertordnung des Grundgesetzes durch

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Regensburg, 7. Mai 2024

Der frühere Verfassungsrichter Udo Steiner hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die Werte des Grundgesetzes gegen die Angriffe von Islamisten Bestand haben werden. In einem Interview mit der „Katholischen Sonntagszeitung für das Bistum Regensburg“ (Ausgabe dieser Woche) sagte er angesichts von Demonstrationen, die Kalifat und Scharia fordern: „Die Scharia ist eine tendenziell selbständige Welt der Ordnung der religiösen und weltlichen Dinge. Im Konfliktfall setzen wir die Wertordnung des Grundgesetzes gegenüber allen weltanschaulichen und religiösen Bestrebungen und Bewegungen durch.“ Das Grundgesetz stehe nicht zur Disposition.

Prof. Dr. Udo Steiner sprach mit dem Blatt aus Anlass des Jubiläums „75 Jahre Grundgesetz“. Der langjährige Inhaber eines Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Regensburg war von 1995 bis 2007 Richter am Bundesverfassungsgericht.  

Pläne zur Aufweichung des Lebensschutzes „verfassungswidrig“

 Ein weiteres Thema des Interviews war die Diskussion um eine Liberalisierung des Paragrafen 218. Dazu sagte Steiner: „Wer den Schutz des ungeborenen Lebens in den ersten zwölf Wochen aus dem strafrechtlichen Schutz nimmt – das ist der Vorschlag der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission –, schlägt vor, was nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig ist.“ Deshalb setzten die „sogenannten Reformer“ auf eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Er bedauere es sehr, so der frühere Verfassungsrichter weiter, dass diese Bestrebungen den „juristisch und politisch erkämpften Kompromiss“ zum Paragrafen 218 in Frage stellten. Gleichzeitig warnte er: „Ich würde mir nicht wünschen, dass wir etwa analog zu den Vereinigten Staaten wieder nicht nur eine Diskussion, sondern viel Agitation erleben müssen.“

Gottesbezug im Grundgesetz nicht gefährdet

Den Gottesbezug im Grundgesetz sieht Udo Steiner nicht gefährdet. Man könne ihn „nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages und des Bundesrats herausnehmen“. Die Unionsparteien würden jedoch eine solche Änderung nicht mittragen. Sie würden „immer stark genug sein, eine Sperrminorität im Bundestag und im Bundesrat zu organisieren“. Steiner appellierte aber auch an diejenigen in der Gesellschaft, für die der Gottesbezug wichtig sei, „dass sie die Kirchen kulturell und sozial in der Öffentlichkeit präsent halten“. Die Kirchen hätten den Menschen kulturell und sozial viel zu bieten: „Im Sozialbereich ist die kirchliche Arbeit absolut unentbehrlich und durch nichts zu ersetzen.“ Mit diesem Pfund könnten die Kirchen „bei abnehmenden Mitgliederzahlen in der Politik wuchern, und das in allen Parteien.“ 

Stärkerer gesetzlicher Schutz von Verfassungsrichtern „überlegenswert“

 Die im Bundestag diskutierten Pläne, die Position von Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts angesichts radikaler politischer Strömungen gesetzlich zu stärken, nannte Steiner „überlegenswert“. In dem Interview sagte er: „Wir sind zwar nicht in einer Situation, in der wir akut einen Brand löschen müssten. Die Pläne sind aber weitsichtig gedacht und von einer legitimen Vorsicht bestimmt.“ Es sehe so aus, „dass sich Koalition und Union darauf einigen, das, was im einfachen Gesetz steht, im Grundgesetz abzusichern“. Hintergrund dieser Diskussion seien „die Erfahrungen in Ungarn und Polen“, wo (Anm. d. Red.) die Unabhängigkeit von Gerichten durch politische Entscheidungen in Frage gestellt wurde. Steiner zeigte sich allerdings überzeugt: „Ungarische und polnische Verhältnisse werden wir in absehbarer Zeit nicht bekommen. In Polen gibt es außerdem eine neue Mehrheit.“  

Politische Stabilität nur bei wirtschaftlicher Stabilität

Vor dem Hintergrund des Grundgesetz-Jubiläums äußerte sich der frühere Verfassungsrichter auch zur Zukunft von Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland. Dabei sieht Steiner die politische Stabilität eng mit der wirtschaftlichen Stabilität im Land verknüpft: „Wirtschaftsstabilität ist die Grundlage für die Finanzierung des Sozialstaats. Der Sozialstaat ist wiederum Voraussetzung für den sozialen Frieden.“ Auf ethischer Grundlage allein könne keine Stabilisierung erreicht werden: „Vielmehr ist es so, dass, sofern die Deutschen mit ihrem Leben zufrieden sind, sie auch die Demokratie weiter mittragen werden. Ist dies nicht der Fall, kann es schwierig werden.“ Er sei jedoch optimistisch, so Steiner in der „Katholischen Sonntagszeitung“, „dass wir in Deutschland in den kommenden 25 Jahren weiterhin eine stabile Demokratie haben und ein angesehenes Bundesverfassungsgericht.“ 

Foto und Text: Veit Neumann und Karl Birkenseer, Katholische SonntagsZeitung für das Bistum Regensburg

(SSC)



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