Regensburg, 19. Januar 2024
Die Heilige Messe nimmt ihren Anfang, noch bevor sie wirklich begonnen hat. „Ist das Volk versammelt, beginnt“ der Einzug des Priesters, stellt die Grundordnung des Römischen Messbuchs fest (Grundordnung des Römischen Messbuchs 47). Natürlich muss die Gemeinde irgendwie den Weg in das Gotteshaus finden. Diese Versammlung hat aber selbst schon liturgischen Charakter. „Gott ruft sein Volk zusammen“, heißt es in einem Kirchenlied (Gotteslob Nr. 477). Sobald die Gläubigen die Kirche betreten, konstituieren sie sich als das feiernde Gottesvolk; sie lassen den Alltag hinter sich und bereiten sich auf die heilige Liturgie vor. Schließlich zieht der liturgische Dienst mit dem Zelebranten ein. Vorgesehen ist, dass neben dem Priester auch jene einziehen, die einen besonderen Dienst versehen (Grundordnung 47); das würde beispielsweise auch die Lektoren umfassen, wenngleich sich dieser Brauch nicht weitgehend durchgesetzt hat.
Der vergessene Introitus
In der Liturgie der Kirche war seit der Antike dieser Einzug mit einem Gesang verbunden. Ursprünglich wurde ein ganzer Psalm mitsamt seiner Antiphon gesungen; das reduzierte sich im Lauf der Zeit auf einen einzigen Vers – den sogenannten „Introitusvers“. Die Liturgie sieht dieses auch „Eröffnungsvers“ genannte Zitat aus der Heiligen Schrift für den Beginn der Heiligen Messe vor. Noch vor der Liturgiereform wurden viele Sonntage mit dem Anfangswort des Introitus bezeichnet. Gehalten hat sich das beim dritten Adventssonntag – „Gaudete“ – sowie beim vierten Fastensonntag – „Laetare“. Die Bezeichnungen stammen aus dem Introitus, der etwa am dritten Adventssonntag mit dem Wort „gaudete“ beginnt. Bis heute sieht das Messbuch den Eröffnungsvers vor, wenngleich es im deutschen Sprachraum quasi überall üblich geworden ist, ein Kirchenlied zum Einzug zu singen.
Wird zum Einzug nicht gesungen, soll der Eröffnungsvers anschließend vorgelesen werden (vgl. Grundordnung des Römischen Messbuchs 48).
Die Begrüßung des Altares
Am Beginn der Messe verehren Priester und Diakone den Altar. Sie küssen den Altar. Gleiches werden sie am Ende der Messe abermals tun, bevor sie aus der Kirche ziehen. Mit dem Kuss wird der Altar begrüßt, um den sich die Gemeinde versammelt hat; der Kuss gilt gleichfalls Christus selbst. Wird in der Messe Weihrauch verwendet, wird der Altar feierlich mit dem Weihrauch „inzensiert“. Das ist historisch keine Selbstverständlichkeit. Die Antike verwendete zu vielen Gelegenheiten Weihrauch. Einmal gehörte Weihrauch zum Alltag, weil er schlechte Gerüche übertünchen konnte, die in den engen Städten des Mittelmeerraumes allgegenwärtig waren. Andererseits war der Weihrauch eben „geweihter“ Rauch, der den heidnischen Göttern als Opfer dargebracht wurde. Als solcher war er für die ersten Christen Symbol des Götzendienstes und wurde für die Liturgie abgelehnt.
Aber der Weihrauch gehörte eben nicht nur zum Gottesdienst der Antike, sondern auch zum Alltag; vor hohen Beamten wurde etwa Weihrauch hergetragen. Als die Bischöfe im Rang von Beamten standen, war es so nur natürlich, dass auch ihnen etwa zum Einzug in die Kirche Weihrauch vorangetragen wurde. Als ausdrücklich religiöses Symbol, mit dem nun auch der Altar, später die eucharistischen Gaben inzensiert werden konnte, erscheint der Weihrauch erst im neunten Jahrhundert. Erst im Frankenreich wurde der Weihrauch nun als religiöses Symbol benutzt, vielleicht, weil den Franken eine Verwendung im Zusammenhang mit heidnischen Praktiken nicht mehr bekannt war und sie den duftenden Rauch nicht mehr mit dem Heidentum in Verbindung brachten.
Die Gemeinde bekennt ihre Schuld
Die Messfeier beginnt nun mit dem Kreuzzeichen und dem liturgischen Gruß: „Der Herr sei mit euch“ oder, wenn ein Bischof der Messe vorsteht, „der Friede sei mit euch“. Ganz kurz kann nun der Priester in die Messe einführen (Grundordnung 50). Die ausdrückliche Formulierung der Einführung in das Messbuch – „ganz kurz“ – sollte ernst genommen werden. Hier ist noch nicht der Platz für eine vorweggenommene Predigt über mehrere Minuten. Auf diese Eröffnung folgt nun das Allgemeine Schuldbekenntnis. Dafür sind drei mögliche Varianten vorgesehen. Als erste Möglichkeit sprechen alle zusammen das Schuldbekenntnis: „Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen…“. Ebenfalls möglich ist ein Dialog zwischen Priester und Gemeinde: „Erbarme dich, Herr unser Gott, erbarme dich“. Schließlich kann das Schuldbekenntnis auch mit den Kyrie-Rufen verbunden werden: „Herr, erbarme dich; Christus erbarme dich.“ Das Schuldbekenntnis soll auf eine würdige Feier der Heiligen Messe vorbereiten. Die versammelte Gemeinde versteht sich als schuldig und wendet sich in der Hoffnung auf reiches Erbarmen an den Herrn. Im Vergleich zur Messe vor der Liturgiereform im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils, der sogenannten „tridentinischen Messe“, fällt auf, dass alle das Schuldbekenntnis beten. In der „alten Messe“ hatte dies noch erst der Priester gesprochen, anschließend die Ministranten, die Gemeinde hingegen nicht.
Die Gemeinde begrüßt ihren Herrn
Nach einer Vergebungsbitte des Priesters folgt nun das „Kyrie“: „Herr, erbarme dich; Christus, erbarme dich; Herr erbarme dich.“ Dieses Gebet hat sich in der griechischen Sprache gehalten. Das liegt vermutlich nicht daran, dass selbst in Rom anfangs die Heilige Messe auf Griechisch gefeiert wurde. Vielmehr wurde der „Kyrie“-Ruf erst später aus der griechischen Liturgie auch in Rom übernommen. Der Kyrie-Ruf begrüßt den auferstandenen Herrn in der Mitte der Gemeinde. Die versammelten Christen erinnern sich daran, um wen sie sich versammelt haben und wer sie zusammengerufen hat: Christus, den die Kirche als „kyrios“, als den Herrn bekennt. In seinem Namen nimmt nun die weitere Feier ihren Verlauf
Text: Benedikt Bögle (to)