News Bild Ein Vortrag im Katharinenspital blickt in die Geschichte der Infektionsbekämpfung
Ein Vortrag im Katharinenspital blickt in die Geschichte der Infektionsbekämpfung

Mit Abstand gegen Pest und Lepra

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Abstand ist derzeit nicht nur geboten, wenn wir einkaufen gehen oder uns mit anderen Leuten treffen. Dem Abstandhalten widmete sich auch am vergangenen Freitag im Regensburger Katharinenspital der öffentliche Festvortrag „Abstandshalter. Zur dinglichen Dimension sozialer Distanzierung in Siechenhäusern des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit“ des Historikers Jan Keupp im Rahmen der Tagung „Spitalobjekte“.

 

Ein reizvoller Blick in die Vergangenheit

Ehe Corona ihr Unwesen trieb, glaubte wohl kaum jemand daran, dass in Deutschland eine Krankheit grassieren könnte, die in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen an die Spanische Grippe oder die Pest erinnert. Es schien das Problem vergangener Zeiten zu sein. Umso erhellender ist heute ein „vergleichend analytischer Blick in die Vormoderne auf die dort üblichen Mechanismen und Praktiken der sozialen Distanzierung zwischen Kranken und Gesunden“, wie es Professor Dr. Harriet Rudolph vom Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Universität Regensburg in ihrer Einführung zum Vortrag formulierte. Sie veranstaltete die Tagung gemeinsam mit Dr. Artur Dirmeier, Leiter des Archivs der St. Katharinenspitalstiftung, und Professor Dr. Daniel Drascek, Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Kulturwissenschaft.

 

Ein Vortrag auf Abstand

Der Referent, Professor Dr. Jan Keupp, war angesichts der Pandemie selbst auf Abstand. Er trug vom fernen Münster aus via Videoübertragung vor. Dabei nahm er zwei Krankheiten, die für das Mittelalter von besonderer Bedeutung sind, unter die Lupe: Lepra und die Pest. Eindrucksvoll räumte er mit den schematisch verfestigten Schreckensbildern auf. In der Vorstellung, die sehr von Michel Foucaults Werk „Überwachen und Strafen“ geprägt sei, herrsche ein Stereotyp vor, das Lepra „mit Praktiken der Ächtung, der Marginalisierung und Aussonderung, ja der vollständigen Isolierung verbindet“. Das furchteinflößende Krankheitsbild der Lepra hätte zur Verstoßung, ja zum „sozialen Tod“ geführt, so das gängige Bild.

 

Leprakranke wurden nicht verstoßen

Keupp machte sich im Hinblick auf Lepra für eine alternative Lesart des Geschehens stark. Er analysierte die Rituale, die nach der Feststellung der Krankheit vorgesehen waren. War dies der Fall, wurden öffentlich bestimmte Gegenstände an die Kranken übergeben: ein Gewand, Klappern, mit denen sich die Kranken lautstark bemerkbar machen konnten, und ein Almosenbeutel. Die dabei gesprochenen Gebete zeigen: Eine Verstoßung war gerade nicht beabsichtigt. Es ging lediglich um eine körperliche Trennung.

 

Respekt für die Kranken

Die Gegenstände, die Attribute der Leprakranken dienten eher der Kontaktaufnahme unter den Bedingungen der Krankheit. Mit ihrer Hilfe konnten die Kranken Aufmerksamkeit erregen und ihre Bedürftigkeit anzeigen, also um Almosen bitten. Ihnen musste aber durchaus mit Respekt begegnet werden. Wenn sich ein Gesunder angewidert abwendete, verurteilte er sich selbst – gemäß damaliger Vorstellung – zu schlimmsten Höllenqualen, „während dem Leidenden die lindernde Aufnahme in Abrahams Schoß gewährt wird“, so Keupp. Sollte sich einer abgewendet haben, tat er das jedoch nicht aus gesundheitlichen Gründen. Die Kontaktübertragung spielte lange keine Rolle. Vielmehr ging es um religiöse und ästhetische Gründe.

 

Es lebte sich nicht schlecht

Überhaupt war das Verhältnis von gesunden Spendern und Leprakranken das eines heilsökonomischen Gabentauschs: das Gebet des Leprosen gegen das Almosen des Gesunden. So wurden viele Pfründe gespendet und es lebte sich zwischenzeitlich in den sogenannten Leprosenhäusern gar nicht schlecht. Dies führte so weit, dass sich im ausgehenden Mittelalter, als die Infektionen zurückgingen, viele Menschen als Leprakranke ausgaben. In Regensburg wurden sie deshalb zuerst nach Nürnberg geschickt, wo dies ärztlich geprüft wurde.

 

Vom Fremdschutz…

Aussatz führte also keineswegs zu einer vollständigen Aussonderung und institutionellen Abschottung der Leprosen. Die materiellen „Abstandhalter“ wie Kleidung, Klappern und Almosenbeutel wurden in erster Linie in die Hände der Erkrankten selbst gelegt, so Keupp. „Dem Fremdschutz wurde somit Priorität eingeräumt.“

 

… zum Eigenschutz

Die Pest mit ihrem Massensterben bedeutete einen Strategiewechsel. Die städtische Obrigkeit erließ Maßnahmen, die uns an heute erinnern: größere Menschengruppen sollten gemieden werden, es gab Regeln für Quarantäne und schlechte Gerüche mussten beseitigt werden, da man glaubte, so werde die Pest übertragen. Doch die eigentliche Sorge, der Ansteckungsschutz, wurde weitgehend auf die Schultern der Gesunden gelegt. Sie hatten selbst für ihren eigenen Schutz zu sorgen.

Weitere Infos

Die St. Katharinenspitalstiftung

Die Spitalstiftung entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts aus der Fusion des Domspitals mit dem Spital an der Steinernen Brücke. Der damalige Bischof und Stadtherr von Regensburg, Konrad IV., beteiligte damit die Bürger am Spital.

Geleitet wird die Stiftung vom Spitalrat, der seit jeher aus je vier geistlichen und vier weltlichen Spitalräten besteht.

Die vier geistlichen Vertreter sind Kraft ihres Amtes (in speziellen Fällen sind Ausnahmen möglich)

  • der Dompropst
  • der Domdekan
  • der Domkustos
  • sowie der Dompfarrer.

Die vier weltlichen Mitglieder sind Bürger der Stadt Regensburg und gehören seit 1245 dem Stadtrat an.

Den Vorsitz im Spitalrat führt der Dompropst.



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