News Bild Wie ist die Aufarbeitung gelaufen? Verantwortliche und Betroffene äußern sich

Wie ist die Aufarbeitung gelaufen? Verantwortliche und Betroffene äußern sich

5 Jahre Veröffentlichung des Abschlussberichts

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Regensburg, 22. August 2022
Am 18. Juli 2017 hatte der unabhängige Rechtsanwalt Ulrich Weber ein vom Bistum Regensburg in Auftrag gegebenes Gutachten zu den „Vorfällen der Gewaltausübung an Schutzbefohlenen bei den Regensburger Domspatzen“ vorgestellt. Bei dem über vierhundertseitigen Abschlussgutachten ging es um eine Untersuchung der Vorfälle von Gewaltausübung seitens des Erziehungspersonals an Schülern der Regensburger Domspatzen im Zeitraum von 1945 bis 2015. Als eines der ersten deutschen Bistümer war Regensburg damals in Sachen Missbrauch in die Offensive gegangen. Fünf Jahre nach der Veröffentlichung haben wir erneut sowohl mit damals den Verantwortlichen als auch mit mehreren Betroffenen das Gespräch gesucht. 

Seit dem Frühjahr 2010 sind Fälle von körperlicher und sexueller Gewalt bei den Regensburger Domspatzen durch entsprechende Opferberichte in den Medien einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Insbesondere handelte es sich um Vorfälle in den Vorschulen von Etterzhausen und Pielenhofen. 88 Prozent der Domspatzen waren von körperlicher und sexueller Gewalt davon betroffen gewesen.

Bereits 2002 hatte das Bistum die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit Beschuldigungen sexuellen Missbrauchs orientiert

So sehr die mediale Berichterstattung ihren Fokus seit 2010 schwerpunktmäßig auf die Missbrauchsfälle im Bistum Regensburg legte, der damit verbundene Eindruck, dass man bis zu diesem Zeitpunkt untätig war, trügt. Bereits im Jahr 2002 wurden in der Domstadt die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit Beschuldigungen sexuellen Missbrauchs übernommen. Und bereits seit diesem Zeitpunkt, also fünfzehn Jahre vor dem „Abschlussbericht“, galt, dass jede dem Bistum bekanntwerdende Beschuldigung sexuellen Missbrauchs gegen eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gebracht werden soll. Einen weiteren Schritt bei den Aufarbeitungsmaßnahmen erfolgte schließlich am 1. Januar 2008 mit der Beauftragung einer Ansprechperson für sexuellen Missbrauch. In aller Regelmäßigkeit ging das Bistum in Form von Pressekonferenzen ab März 2010 in die Öffentlichkeit. Seit diesem Zeitpunkt und in den Folgejahren wurde über den Stand der Aufarbeitung in regelmäßigen Abständen berichtet. Im März 2011 veröffentlichte der damalige Generalvikar Michael Fuchs einen Bericht zum Stand der Aktenlage. Laut dieser wurden 1.460 Akten aller lebenden Geistlichen, Pastoral- und Gemeindereferenten und Religionslehrer im Kirchendienst nach Hinweisen auf Straftaten sexuellen Missbrauchs untersucht. Einzelheiten über den Fortschritt bei der Aufarbeitung wurden in einem Zwischenbericht 16. März 2011 in einer Pressekonferenz vorgestellt.

Im Herbst 2012 begann man dann mit Präventionsschulungen gemäß der Präventions-Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz. Das Bistum Regensburg realisierte in den Folgejahren ein flächendeckendes Präventionskonzept mit umfassender Schulung – auch im ehrenamtlichen Bereich, das bis heute ständig neu konzeptioniert wird.

Ab März 2013 hatte Bischof Dr. Voderholzer Gespräche mit Betroffenen aufgenommen. Ein Jahr später, im November 2014, richtete das Bistum Regensburg ein Anerkennungsverfahren für Betroffene von Körperverletzung ein, die pauschal 2.500 € erhielten. Im Januar 2015 wurde Rechtsanwalt Ulrich Weber mit einer unabhängigen Aufarbeitung der Vorfälle bei den Domspatzen beauftragt. Am 18. Juli 2017 hatte Weber dann das Gutachten zu den „Vorfällen der Gewaltausübung an Schutzbefohlenen bei den Regensburger Domspatzen“ vorgestellt. Bei dem über vierhundertseitigen Abschlussgutachten ging es um eine Untersuchung der Vorfälle von Gewaltausübung seitens des Erziehungspersonals an Schülern der Regensburger Domspatzen im Zeitraum von 1945 bis 2015.

Aufarbeitung der Missbrauchsfälle anhand von drei Fragestellungen – Was wollte man mit dem Abschlussbericht erreichen?

Unter dem Leitspruch „Hinsehen – Zuhören – Antworten“ untersuchte dieser Bericht die Vorfälle von Gewaltausübung. Die Aufklärung und Aufarbeitung der Missbrauchsfälle erfolgte dabei anhand von drei Fragestellungen: „Was ist geschehen“?, „Wie konnte es geschehen?“ und „Wie wurde mit den Vorfällen umgegangen?“ Diese „Basisfragen“ dienten als Grundlage für Gespräche mit Opfern, Zeugen, Beschuldigten und Verantwortlichen.

Umfangreiche Aktenprüfungen bildeten beim „Abschlussbericht“ die Grundlage für eine Datenauswertung mit qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden. Darüber hinaus wurden alle Opfer und Beschuldigten einer Plausibilitätsprüfung unterzogen und die beschriebenen Vorfälle strafrechtlich eingeordnet. Ziel des Gutachtens war nicht nur über den Missbrauch bzw. die Gewaltvorfälle bei den Regensburger Domspatzen aufzuklären, sondern auch durch eine externe sowie unabhängige Aufklärung einerseits für die notwendige Transparenz und Neutralität zu sorgen, andererseits notwendige Impulse für eine Neugestaltung des Aufarbeitungsprozesses zu gewinnen.

In ihrem Abschlussbericht schrieben Ulrich Weber & Johannes Baumeister: „Die Autoren verbinden mit diesem Bericht auch den Wunsch einer Befriedung. Für die Opfer, dass sie durch die offene Dokumentation einen Weg finden, ihre Erlebnisse aus der Kinder- und Jugendzeit verarbeiten zu können. Aber auch für alle am damaligen oder heutigen Geschehen bei den Domspatzen Beteiligten, dass sie durch diese Dokumentation mehr Verständnis füreinander entwickeln, ob zwischen ehemaligen Mitschülern, zwischen früheren und heutigen Domspatzen oder zwischen Opfern und Verantwortungsträgern bei Domspatzen bzw. Bistum. Die Gewaltvorfälle lassen sich nicht mehr ungeschehen machen; die zentrale Aufgabe von heute liegt in einem angemessenen Umgang mit ihnen. Der aktuelle Weg des Aufarbeitungsprozesses stimmt dabei zuversichtlich.“

Der Bericht kam zu dem Schluss, dass insgesamt 547 ehemalige Domspatzen-Schüler mit hoher Plausibilität als Opfer körperlicher Gewalt (500) und/ oder sexueller Gewalt (67) wurden. Verantwortlich für die begangenen Taten waren 49 als hoch plausibel eingestufte Beschuldigte, von denen 45 körperliche Gewalt und 9 sexuelle Gewalt ausübten.

Bischof Dr. Voderholzer forderte immer eine objektive Untersuchung und erneuerte sein Versprechen einer rigorosen Aufarbeitung 2022 erneut

Maßgebend bei dem Wunsch nach Transparenz und einer objektiven Untersuchung war der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer, der zugleich einer der ersten Bischöfe gewesen ist, die die Betroffenen um Vergebung gebeten hatte. In seiner Ansprache bei der Vesper im Regensburger Dom anlässlich seines Weihejubiläums am 25. Januar 2015 sagte er:

„Es schmerzt mich und tut mir in der Seele weh: jeder einzelne Fall, hinter dem ja ein Mensch steht, eine Kinderseele in diesen Fällen, schwer gequält, oft für das Leben gezeichnet. Ich kann es nicht ungeschehen machen und die Betroffenen nur um Vergebung bitten.“

Zum Abschlussbericht hatte Bischof Rudolf Voderholzer in seinem Hirtenwort am 23. Juli 2017 zu den Schilderungen der Opfer betont: „All das macht mich zutiefst zerknirscht und erfüllt mich mit Scham.“ Und der Bischof erklärte weiter: wer die Schilderungen der Betroffenen lese, könne nur „Entsetzen und Betroffenheit“ spüren. Die Taten wiegen seinen Worten nach umso schwerer, „als diese Kinder in gutem Glauben Priestern und kirchlichen Angestellten anvertraut wurden, die im Auftrag Christi, des Guten Hirten, den Zehn Geboten und dem Gebot der Nächstenliebe verpflichtet waren.“

Auch in den vergangenen Jahren hat der Regensburger Hirte betont, dass er für eine lückenlose Aufklärung und Aufarbeitung aller Fälle körperlicher und sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche eintrete – zuletzt wiederholte er dieses Versprechen im Jahr 2022. „Ich trete ein für die moraltheologische und gesetzliche Ächtung des Missbrauchs als ein Verbrechen“. Eine neu geschaffene unabhängige Aufarbeitungskommission habe seine volle Unterstützung und genieße vollkommene Freiheit. Wie der Bischof in diesem Jahr zudem betonte, hätte er „auch nichts dagegen, wenn der Staat diese so notwendige Aufgabe übernehmen würde.“

Die Fakten sprechen für sich

Dass das Bistum Regensburg in Sachen Aufarbeitung des Missbrauches als auch bei den Anerkennungsleistungen sowohl mit Blick auf den sexuellen Missbrauch, die sexuellen Übergriffe sowie bei sexualbezogenen Grenzverletzungen und Körperverletzung eine Vorreiterrolle einnahm, lässt sich faktisch belegen. So zahlte das Bistum Regensburg bis zum 31.12.2021 insgesamt 10.736.350 € an Anerkennungsleistungen an 621 Personen aus. Die hohe Summe der finanziellen Leistungen ergibt sich daraus, dass bis zu 50.000 Euro an die Opfer von sexuellem und körperlichem Missbrauch gezahlt werden. Die hohen Anerkennungszahlungen resultieren also daraus.

Im Vergleich zu anderen bayerischen Bistümern und den dort geleisteten Anerkennungszahlungen hat Regensburg hier ein eindeutiges Zeichen gesetzt, wie wichtig das Thema von Aufarbeitung und Anerkennung ist, als auch mit schnellen Zahlungsanweisungen die Betroffenen finanziell unterstützt. Dennoch ist man sich im Bistum Regensburg darüber im Klaren, dass Geld nicht psychische und physische Not lindert, die die Betroffenen erfahren haben. Damit ist man in Regensburg in Sachen Missbrauch in die Offensive gegangen. Anders als in der Gesellschaft, in staatlichen Heimen, Sportorganisationen etc., hat man hier bei der Aufarbeitung frühzeitig Akzente gesetzt.

Wie ist die Aufarbeitung gelaufen? Verantwortliche und Betroffene äußern sich

Fünf Jahre nach der Veröffentlichung des „Abschlussberichtes“ betonte der Leiter Kommunikation der Regensburger Domspatzen Marcus Weigl: „Unserem Bischof ist es zu verdanken, dass die Aufarbeitung von „Gewalterfahrungen bei den Domspatzen“ in vorbildlicher Weise, gemeinsam mit Opfervertretern, schon vor Jahren passiert ist. Wir sind dankbar und froh, dass das von Vielen so gesehen wird, übrigens auch von vielen Opfern. Wir wissen auch, dass diese Geschichten zu unserer Geschichte gehören und uns immer daran erinnern werden, es besser zu machen und alles dafür zu tun, dass Kinder sich bei den Domspatzen zu selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln können“.

Auch der damalige Generalvikar Michael Fuchs betonte auf die Frage, wie die Aufarbeitung gelaufen war: „Nach dem Dienstantritt von Bischof Rudolf Voderholzer 2013 hat dieser auf Anraten seines Bruders Prof. Ulrich Voderholzer (Ärztlicher Direktor und Chefarzt im Fachzentrum für Psychosomatik und Psychotherapie, Hervorhebung SG) sehr zeitnah mit Gesprächen mit Betroffenen begonnen. Dabei wurde ihm deutlich, dass im Hinblick auf die Domspatzen das bisherige Konzept der Aufarbeitung und Anerkennung von Einzelfällen nicht ausreicht. Es folgten erste Planungsgespräche mit Betroffenen der Domspatzen, die Suche nach einer Koordinierungsperson und schließlich dann die Konzeptionierung einer systematischen und systemischen Aufarbeitung. Vier Säulen wurden dabei aufgestellt und durchgeführt: Die systematische Erfassung und finanzielle Anerkennung aller Fälle von sexueller und körperlicher Gewalt im Bereich der Vorschule und des Gymnasiums der Domspatzen; die Einrichtung einer zentralen Therapiestelle in München; eine sozialwissenschaftliche und eine historische Studie zu den Hintergründen. Jeder Schritt wurde dabei in einem gemeinsamen Gremium von Institutionsvertretern und Betroffenen besprochen und gemeinsam beschlossen. Das hat schließlich zu einem vertrauensvollen Miteinander geführt.“

Ebenfalls positiv äußerte sich der damalige Domkapellmeister Roland Büchner über die Aufarbeitung bei den Domspatzen. Garant für den Erfolg war seiner meiner Meinung nach, dass Opfervertreter und Verantwortliche des Bistums über einen langen Zeitraum intensiv an einem Tisch gesessen waren und Mittel und Wege gefunden wurden, das Leid der Opfer einigermaßen gerecht zu würdigen. Wie er aber zugleich betonte, wird die Aufarbeitung nicht vom Tisch sein.“

Dies unterstrich auch Michael Fuchs in einem Gespräch 2022 und stellte heraus: „Die volle Einbindung der Betroffenen habe der Aufarbeitung sehr genutzt, weil es sich um ein gemeinsames Vorgehen handelte.“ Wie Fuchs betont, habe sich Bischof Rudolf von Anfang an persönlich und mit großem Engagement in die „Gremien und Gespräche eingebracht und durch seine Gespräche mit den Betroffenen – erstmalig in der Kirche in Deutschland – sowie mit der sehr zeitnahen und unkomplizierten Auszahlung der erhöhten Beträge im Jahr 2020 dieses Vertrauen gestärkt. Dass heute Betroffene sich öffentlich hinter diese Aufarbeitung stellen, ist ein Zeichen, dass der Weg nicht falsch sein konnte.“

Ebenfalls hatte sich der damalige unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zur Aufarbeitung lobend geäußert. Wie Johannes-Wilhelm Rörig betonte, stellte sich Bischof Voderholzer seit seinem Amtsantritt der Verantwortung konsequent. Auch Matthias Katsch, Sprecher der Opferinitiative „Eckiger Tisch“, bezeichnete anlässlich des 10-jährigen Gedenkens des Bekanntwerdens des Missbrauchsskandals in der deutschen Kirche die Regensburger Domspatzen (neben Ettal) als „Leuchttürme in der Landschaft“ der Aufarbeitung.

Die Offenheit von Bischof Dr. Voderholzer und sein Verständnis den Opfern gegenüber hob Udo Holy in einem Interview im Juni 2022 hervor. Der heute 70-Jährige war von 1954-1966 im Kinderheim in Kallmünz. Wie der Rentner betonte, hat das Bistum auch im Fall des Kinderheimes, das von Mallersdorfer Schwestern betreut wurde, die Aufarbeitung schnell vorangetrieben. Was er seit vielen Jahren hingegen vom Staat erlebe, stimme ihn dagegen traurig. Sowohl ein Petitionsschreiben vor zehn Jahren als auch viele Briefe und E-Mails an die Verantwortlichen in Sachen Missbrauchsaufarbeitung – sie wurden von staatlicher Seite nicht beantwortet. Demgegenüber fällt sein Resümee gegenüber einer Aufarbeitung seitens des Freistaates Bayern nicht sonderlich positiv aus. Dabei sollte seiner Meinung gerade der Staat, eine Forderung, die auch der Regensburger Bischof Voderholzer teilt, endlich die Aufarbeitung in die Hand nehmen. Doch stattdessen lässt man die Kirche bei diesem heiklen Thema leider allein.

Nicht der Zölibat ist die Ursache des Missbrauchs

Holy sieht die Ursachen des körperlichen sowie sexuellen Missbrauchs ursächlich weder im Zölibat noch in den kirchlichen Strukturen. Die Ehelosigkeit der Priester sei eben nicht der Grund, auch wenn dies seitens der Öffentlichkeit auch immer so kommuniziert werde. Die Medien, so seine Kritik, wollen mit ihrer oft undifferenzierten Meinungsmache eine zweitausendjährige alte Tradition samt Wertekanon zerstören. Nicht der Zölibat sei ausschlaggebend für den Missbrauch, sondern allein die Macht, die dazu verleitet, Schutzbefohlenen zu persönlichen Zwecken zu instrumentalisieren. Dieses Phänomen lasse sich aber nicht auf die Kirchen reduzieren, sondern findet sich in der gesamten Gesellschaft wieder. Überall dort, wo es junge Menschen gibt, sei die Gefahr besonders groß, dass die Verantwortlichen ihre Macht missbrauchen und letztendlich ihrer Sorgepflicht nicht nachgehen. Beispiele dafür kann Holy, der den Missbrauch auch aus staatlichen Heimen kennt, viele nennen, sei es im Sport, sei es in der Politik oder wie jüngst in den Medien beim Axel-Springer-Verlag.

Und wie Holy kritisch nachlegt, geht es der Presse, in den vergangenen Jahren hatte er viele Begegnungen und Interviews geführt, eigentlich nie um den Einzelfall, das einzelne Schicksal. Wenn es sich auch noch um „untere Bildungsschichten“ handelt, sinkt das Interesse noch weiter. Was mit den Kindern aus Kallmünz wurde, ist, so Holy, nur dann eine Story wert, wenn es sich gegen die Kirche richte. Doch damit muss nun aber auch langsam einmal Schluss sein. Mit Blick auf die Aufarbeitung im Bistum Regensburg und den „Abschlussbericht“ kann er ein positives Resümee ziehen. Im Bistum haben alle gute Arbeit geleistet. Außerordentlich lobt Holy die Missbrauchsbeauftrage, Dr. Helmig, für ihre „tolle Arbeit“. Aber auch Michael Fuchs hat sich jede Zeit der Welt genommen, um mit den Opfern zu sprechen, betont er. Besonderer Dank aber gilt Bischof Rudolf. Sein Hirtenwort zum Abschlussbericht über die Übergriffe bei den Domspatzen sei wegweisend für die Aufarbeitung des Missbrauchs in Deutschland, so Holy.

Auch bei den Anerkennungsleistungen war die Arbeit der Diözese vorbildhaft. Regensburg war eines der ersten Bistümer in Deutschland, das sowohl bei körperlichem als auch sexuellem Missbrauch gezahlt hat. Unter den Betroffenen jedenfalls ist man sich größtenteils einig, dass es ohne die Vorreiterrolle im Bischöflichen Ordinariat in der Niedermünstergasse 1 schleppender vorangegangen wäre. Bis zu 50.000 Euro – nicht aus Steuermitteln, sondern aus einem Fonds beim Bischöflichen Stuhl – erhalten die Sexualopfer. Bei diesen Summen, so Holy, sei die Gefahr, dass es immer mehr Trittbrettfahrer gibt, groß, was er selbst als moralisch höchst verwerflich verurteilt.

Alexander Probst, ein ehemaliger Domspatz, der als Missbrauchsopfer federführend bei der Aufarbeitung war und 2010 zu den ersten Personen gehörte, die den Missbrauch öffentlich gemacht hatten, betonte in einem Interview im Juli 2022: „Die ersten Jahre war es keine Aufarbeitung, sondern nur ein Verhöhnen der Opfer. Erst mit dem Einsatz von Ulrich Weber 2015 und dem Kuratorium, sowie später dem Aufarbeitungsgremium, begann dann eine echte Aufarbeitung.“ Als 2017 der Abschlussbericht durch Opferanwalt Ulrich Weber veröffentlichte, sagte Probst: „Wir haben unsere Arbeit gemacht, und damit muss es für uns auch gut sein.“ Fünf Jahre danach hat der Besitzer einer Hundeschule erneut betont. „Ich meinte damit – damals wie heute – dass man, um Frieden zu bekommen, auch Frieden geben muss. Auf die Frage, ob bei der Aufbereitung des Domspatzen-Missbrauchs das Bistum alles richtig gemacht habe, sagte: Probst: „Was den Bereich Regensburger Domspatzen angeht, hat das Bistum in beispielhafter Weise mit dem Aufarbeitungsgremium zusammengearbeitet und alles Erforderliche und von uns Gewünschte getan.“ Zum Abschlussbericht betonte er: „Ich hoffe für die Zukunft, dass dieser Bericht vielen Leuten Anregungen für die Prävention gibt.“

Seit der Aufarbeitung des Missbrauchs wird die Prävention in der Diözese großgeschrieben. Es gibt sowohl eine Missbrauchsbeauftragte als auch eine unabhängige Beraterkommission. Dennoch, so Probst, der derzeit in einem anderen Bistum in der Unabhängigen Aufarbeitungs-Kommission (UAK) arbeitet, werde es immer unzufriedene Menschen geben, denen man es nicht recht machen kann.

Auf die Frage, warum Probst eine persönliche Entschuldigung selbst nicht mehr so wichtig sei, antwortete er: „Nun, die Entschuldigung durch einen Täter wäre mir anfangs wichtig gewesen. Mit fortschreitender Aufarbeitung und der Erkenntnis, dass die Personen, mit denen ich am Tisch saß, mir nichts getan hatten, verlor eine Entschuldigung ihre Bedeutung. Viel wichtiger war, dass wir Taten sahen und Ergebnisse.“ Aber auch für diejenigen, die sich bislang nicht gemeldet haben, hat der ehemalige Domspatz einen Tipp: „Meldet Euch bei den zuständigen Ansprechpersonen in den Bistümern, sucht Verbindung zu den UAKs (unabhängige Aufarbeitungs-Kommissionen), und pocht auf Euer Recht! Auch auf einen finanziellen Ausgleich.“

Auch das von den Betroffenen vorgeschlagene, gewünschte und durchgesetzte Vier-Säulen-Modell der Wiedergutmachung: 1. Historische Studie, 2. Sozialwissenschaftliche Studie, 3. Unabhängige Anlaufstelle: MIM, 4. Anerkennungszahlungen war, für Probst ein „unumkehrbarer und damit richtiger Weg im Sinne einer Aufarbeitung ohne Vertuschung und Verschleppung.“

Auf Initiative von Bischof Dr. Voderholzer wurden im August 2020 die Anerkennungszahlungen verdoppelt. Wie Probst betont, war das „für die Betroffenen sehr viel wert, dass die Anerkennungsleistungen verdoppelt und auch tatsächlich ausbezahlt wurden. Dies finde ich um so wichtiger und richtiger, als das Regensburger Bistum das einzige ist, das auch den Bereich körperlicher Gewalt aufarbeitet und finanziell anerkennt. In der Aufklärung und Aufarbeitung im Bereich der Regensburger Domspatzen gibt es vielleicht einige Dinge, mit denen Kritiker unzufrieden sein könnten, aber diejenigen, die echt betroffen waren, sehen das anders. Und ja, in der fehlenden Anerkennung für diese Arbeit findet sich auf jeden Fall ein Schaden für die Opfer wieder. Denn diese von uns als Beteiligte durchgeführte Aufarbeitung mit Jahren des Kampfes vorher, ist das Ergebnis unserer Vorgaben und unserer Wünsche. Wer das nicht sieht, sieht auch die Arbeit, die Ängste, die Sorgen der Opfer nicht.“

Auch für die Präventionsbeauftrage des Bistums, Dr. Judith Helmig, war das Vier-Stufen-Modell ein Garant für den Erfolg bei der Aufarbeitung. Natürlich, so betont die Juristin, gibt es immer noch Menschen, „die sich auch durch die Betroffenen in den Gremien nicht vertreten fühlen. Einige stellen auch jetzt neue Anträge auf Anerkennung, aber gemessen an der Zahl der Betroffenen ist dies die Minderheit.“ Ausdrücklich betont Helmig, dass man sich im Bistum frühzeitig bewusst war, dass auf die Aufarbeitung ein Präventionskonzept folgen müsse, das Jugendliche vor künftigen Übergriffen schütze. Dieses liegt mittlerweile ausgearbeitet vor und dient als unterstützende Handlungsgrundlage- und anweisung für die gesamte Diözese.

Seit 2020 erinnert ein Mahnmal an die Opfer bei den Domspatzen

Nach dem Abschluss einer mehrjährigen Generalsanierung im Jahr 2020 hatte der älteste Knabenchor der Welt ein neues Zuhause gefunden. Seit dieser Zeit leben, singen und lernen die Regensburger Domspatzen in generalsanierten Räumen. Nach sieben Jahren Bauzeit war ein neues Gymnasium, neue Chorsäle und Stimmbildungsräume, ein neuer Speissaal, ein großzügiges und einladendes Foyer sowie neue Wohnräume für die Tages- und Internatsschüler entstanden. Wie Bischof Rudolf damals betonte, sei dies ein „Glückstag für das Bistum, für die Stadt und die Domspatzen“. Nach seiner Predigt anlässlich der Altarweihe hob er zugleich hervor, dass parallel zur baulichen Erneuerung ein innerer Reinigungsprozess bei den Domspatzen in Gang gekommen sei. „Unsere Aufarbeitung zu Gewalterfahrungen bei den Domspatzen in früheren Jahren wird mittlerweile deutschlandweit als vorbildlich gelobt.“ Im Rahmen der Feierlichkeiten segnete Bischof Voderholzer auch das neue Mahnmal des Berliner Künstlers Ulrich Hakel im Foyer der Domspatzen. Es zeigt zwei sich begegnende Hände und ist Zeichen der Erinnerung und Versöhnung. Man müsse nach hinten schauen, dürfe aber nun auch mutig nach vorne schauen, so der Bischof. Auch für Roland Büchner ist das Mahnmal an prominenter Stelle im Eingangsbereich ein Zeichen für die Versöhnung, „die beiden Seiten immer wieder anstreben sollten. Missbrauchsopfer werden sich immer wieder melden, denn es dauert oft sehr lange Zeit, bis ein Opfer den Mut findet sich zu melden.“

Ulrich Weber, Johannes Baumeister, Vorfälle von Gewaltausübung an Schutzbefohlenen bei den Regensburger Domspatzen, in: Sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend: Forschung als Beitrag zur Aufarbeitung, Wiesbaden 2019. ISBN: 978-3-658-27009-4.

Text: Stefan Groß 



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